Nur Investitionen in helle Köpfe machen Sachsen-Anhalt zukunftsfähig

Die Bevölkerungsentwicklung ist in Sachsen-Anhalt nach wie vor ungünstig, die Arbeitslosenquote liegt über dem ostdeutschen Durchschnitt, und das Wirtschaftswachstum ist äußerst schwach. Die neue Landesregierung sollte dieser Dynamik entgegenwirken und Sachsen-Anhalt attraktiver für hochqualifizierte Zuwanderer machen. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erklärt, warum die Bildungspolitik der Schlüssel dafür ist, das Land zukunftsfähig zu machen.

Autoren Oliver Holtemöller

„Vordringliche Aufgabe der Wirtschaftspolitik sollte es sein, Sachsen-Anhalt als Wohn- und Arbeitsort attraktiver zu machen“, erklärt Prof. Dr. Oliver Holtemöller, Vizepräsident des IWH, „denn ohne Zuwanderung wird die Bevölkerung im er­werbsfähigen Alter in Sachsen-Anhalt in den kommenden Jahren dramatisch ab­nehmen.“ Das bedeutet zum Beispiel auch, dass der öffentliche Schuldenstand je Einwohner bzw. Einwohnerin selbst bei einem ausgeglichenen Haushalt weiter steigen würde. Das wird den finanziellen Handlungsspielraum des Landes in Zukunft weiter verklei­nern, und zwar erst recht, wenn das Zinsniveau irgendwann wieder steigt. „Es ist zu befürchten, dass dann zuerst in Bereichen gespart wird, in denen es keine gesetz­lichen Ausgabenfestlegungen gibt, also zum Beispiel bei der Chancengleich­heit im Bildungsbereich und bei der Integration von ausländischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen. Aus diesem negativen Kreislauf auszubrechen, muss eine der vordringlichsten Aufgaben der nächsten Landesregierung sein“, so Holtemöller.

Das Hauptthema in den Medien ist zurzeit die Flüchtlingskrise. Im Jahr 2015 sind über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Darüber hinaus gibt es weiterhin Zuwanderung aus ost- und südeuropäischen EU-Ländern nach Deutsch­land. Bei monatsgenauer Rechnung und unter Berücksichtigung von Fortzügen ergibt sich für das Jahr 2015 eine Nettozuwanderung von 900 000 Personen nach Deutschland. Ohne diese Zuwanderung würde die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Deutschland sinken.

Vordringliche Aufgabe der Wirtschaftspolitik sollte es sein, Sachsen-Anhalt als Wohn- und Arbeitsort attraktiver zu machen

Die Zuwanderung fällt jedoch keineswegs regional gleichmäßig aus, sondern ver­stärkt die ohnehin bestehenden regionalen Disparitäten. Der prozentuale Bevölke­rungszuwachs war – nach Schätzungen des IWH, amtliche Daten für das gesamte Jahr liegen noch nicht vor – in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg und Hessen am höchsten. In den ostdeutschen Flächenländern war der prozentuale Zuwachs hingegen am geringsten. Mit Ausnahme von Thüringen wäre die Bevölke­rung in den ostdeutschen Flächenländern ohne Flüchtlingsmigration weiter gesun­ken. Dies liegt zum einen an der natürlichen Bevölkerungsdynamik. In einigen ostdeutschen Bundesländern kommt allerdings hinzu, dass Menschen per saldo in andere Bundesländer abwandern. Im Jahr 2014 – neuere Daten liegen noch nicht vor – sind  über 5 000 Menschen mehr aus Sachsen-Anhalt in andere Bundesländer fortgezogen, als aus anderen Bundesländern zugezogen sind.

Sachsen-Anhalt hat weiterhin nicht zu viel, sondern zu wenig Zuwande­rung! Die gegenwärtige Flüchtlingsmigration ändert diesen Befund nicht

Die Standortnachteile Sachsen-Anhalts gegenüber anderen Bundesländern be­stehen also fort. So ist hier nicht nur die Bevölkerungsentwicklung besonders un­günstig, sondern auch die Arbeitslosenquote höher als im ostdeutschen Durch­schnitt, nämlich um gut einen Prozentpunkt. Die Kombination aus schrumpfender Bevölkerung und überdurchschnittlicher Arbeitslosenquote ist eine Ursache für das bei Weitem unterdurchschnittliche Wirtschaftswachstum in Sachsen-Anhalt. Zwischen 2010 und 2014 ist das reale Bruttoinlandsprodukt in Sachsen-Anhalt insgesamt um 0,4% gestiegen, in den ostdeutschen Flächenländern waren es knapp 4% und in den Alten Bundesländern gar etwa 6%.

In helle Köpfe investieren

Das IWH hat in vielen Zusammenhängen die Bedeutung der Bildungspolitik als die größte Chance Sachsen-Anhalts betont. Bildungspolitik ist aus zwei Gründen zentral für den langfristigen Erfolg des Landes. Erstens kann sie die Ursachen für Niedrig­löhne, vor allem zu geringe Qualifikation, an der Wurzel bekämpfen. Sachsen-Anhalt weist z. B. mit die höchste Schulabbrecherquote im bundesdeutschen Vergleich auf, dieses Problem muss angegangen und Bildungspotenziale, die angesichts der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung dringend erforderlich wären, müssen gehoben werden. Die existierende Chancenungleichheit darf nicht weiter perpe­tuiert werden. Zweitens sollte es eines der wichtigsten Ziele sein, so genannte High-Potentials nach Sachsen-Anhalt zu holen, die die Arbeitsplätze von morgen gestalten. „Sachsen-Anhalt hat weiterhin nicht zu viel, sondern zu wenig Zuwande­rung! Die gegenwärtige Flüchtlingsmigration ändert diesen Befund nicht“, stellt Holtemöller fest: „Der Königsweg wäre es, die Grundfinanzierung der Hochschulen und anderer Forschungseinrichtungen deutlich zu erhöhen, um im internationalen Wettbewerb um die besten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie die besten Studierenden mithalten zu können. Das kann nur geschehen, wenn die neue Landesregierung entsprechende Prioritäten setzt, denn nur Investitionen in helle Köpfe können Sachsen-Anhalt zukunftsfähig machen.“

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