Pionierkunde Staat: Wie die öffentliche Nachfrage private Innovationen antreiben kann

Gerade in technologieintensiven Branchen kann der Staat durch seine Nachfrage den privaten Markt erweitern – und Anreize für privatwirtschaftliche Forschung und Entwicklung setzen, erklärt Viktor Slavtchev vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).

Autoren Viktor Slavtchev

Forschung, Entwicklung und Innovation sind die eigentlichen Treiber von Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlicher Entwicklung. Die Intensität der Forschung und Entwicklung ist aber vergleichsweise gering, und viele Ergebnisse bleiben obendrein in der Schublade liegen, bringen also keinen wirtschaftlichen Gewinn. Um Wachstum und Innovation in Europa voranzutreiben, haben die EU-Mitgliedsländer bereits im Jahr 2000 die Lissabon-Strategie ausgearbeitet: Auf 3% des Bruttoinlandsprodukts sollten die Forschungsinvestitionen angehoben werden. Zwei Drittel der Gesamtinvestitionen sollte indes die Privatwirtschaft schultern und mittels Subventionen und Steuererleichterungen unterstützt werden. Die Effekte sind aber weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Das stellte auch die Europäische Kommission in ihrem Schlussbericht fest.

Aktuelle Forschungsergebnisse am IWH zeigen, dass eine staatliche Nachfrage private Forschungsaktivitäten anregen kann. Die staatliche Nachfrage erlaubt es privaten Unternehmen, die Kosten für Forschung und Entwicklung auf größere Absatzmengen umzulegen, lässt die privaten Erträge ansteigen und generiert somit zusätzliche Anreize, in die Entwicklung neuer Technologien zu investieren. „Wenn der Staat die Nachfrage erhöht, können Forschungsaktivitäten entstehen, die es ansonsten gar nicht gegeben hätte“, so Viktor Slavtchev, Leiter der Forschungsgruppe Innovation, Produktivität und wirtschaftliche Dynamik am IWH. „Das ist besonders in technologieintensiven Bereichen der Fall, weil hier die Unsicherheiten besonders groß sind. Gerade dann kann der Staat eine wichtige Rolle als Pionierkunde spielen.“ Der Staat ist durch seine Nachfrage imstande, eine sichere Absatzmenge zu garantieren und so genannte Lernkurveneffekte zu stimulieren: In den frühen Phasen des Lebenszyklus eines Produkts oder einer Technologie beschleunigt er damit den Technologiereifeprozess und die Marktdurchdringung.

„Die aktuelle staatliche Einkaufspolitik berücksichtigt diese Erkenntnis aber nicht ausreichend“, so Slavtchev. Staatliche Auftraggeber stellen häufig innovationspolitisch motivierte Überlegungen zurück – und ziehen stattdessen konservative Kriterien wie den niedrigsten Preis heran. Dabei ist selbst unter rein ökonomischer Betrachtung umstritten, ob die ausschließliche Konzentration auf den Einkaufspreis zielführend ist. Denn der Nutzwert und die gesamten Lebenszykluskosten einer Leistung können nicht immer vollständig in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einbezogen werden. Bevor aber eine Umkehr von einer ausschließlich preisorientierten hin zu einer entrepreneurhaften Denkweise stattfinden kann, müssen auch noch weitere Aspekte diskutiert werden, so z. B. technologische lock-ins (falls der Staat bestimmte Technologien favorisiert), Nichtdiskriminierung bestimmter privater Akteure (d. h. Branchen und Firmen), Anpassungs- und ggf. Lähmungseffekte auf Seiten der begünstigten Unternehmen sowie auch eine Kosten-Nutzen-Analyse im Vergleich zu anderen möglichen Förderinstrumenten. „Die wichtigste Aufgabe des Staates ist und bleibt es, seine Primärfunktionen sicherzustellen, also öffentliche Güter bereitzustellen. Diese Aufgabe muss weiterhin oberste Priorität haben und darf hinter anderen nicht zurückfallen“, so Slavtchev.

Veröffentlichung:
Slavtchev, Viktor; Wiederhold, S.: Does the Technological Content of Government Demand Matter for Private R&D? Evidence from US States, in: American Economic Journal: Macroeconomics, Vol. 8 (2), 2016, 45-84.

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