Wo Ökonomen anders ticken

Menschen mit ökonomischer Bildung reagieren stärker auf wirtschaftliche Anreize – und zwar in positiver und negativer Hinsicht, wie Dmitri Bershadskyy vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) herausfand: Zu Beginn seines Laborexperiments waren Ökonomen zwar bereit, mehr Geld für ein öffentliches Gut auszugeben als Nicht-Ökonomen und dieses soziale Verhalten auch länger beizubehalten. Zum Ende des Experiments hin waren sie aber auch die größten Trittbrettfahrer.

Autoren Dmitri Bershadskyy

Ökonomen stehen schon länger im Verdacht, Entscheidungen anders zu treffen als Nicht-Ökonomen. Und dieser Verdacht kommt nicht von ungefähr: Experimente haben in der Vergangenheit gezeigt, dass Ökonomen den Verhaltensweisen des homo oeconomicus tatsächlich näher kommen als Nicht-Ökonomen, sie sich also stärker an der eigenen Nutzenmaximierung orientieren. Bei öffentlichen Gütern, zum Beispiel der Straßenbeleuchtung, steht die Zielsetzung des Einzelnen – jeder möchte profitieren, aber so wenig wie möglich selbst beitragen – häufig in Konflikt mit dem sozialen Optimum, dass also die Straße voll ausgeleuchtet ist. Daher werden solche Güter typischerweise öffentlich finanziert. Unter welchen Umständen aber auch Privatpersonen bereit sind, Beiträge zu öffentlichen Gütern zu leisten, wird in solchen Experimenten erforscht. Das Augenmerk liegt dabei auf zwei Faktoren: Den individuellen Charaktereigenschaften von Menschen, aber auch den Erwartungen, die diese an die Kooperationswilligkeit der anderen Mitglieder einer Gemeinschaft haben. Denn ob ein Mensch für ein Gemeinschaftsgut bezahlt, macht er auch davon abhängig, ob andere dazu ebenfalls bereit sind. Tatsächlich konnte in solchen Versuchsanordnungen gezeigt werden, dass Ökonomen im Gegensatz zu anderen Personengruppen das öffentliche Gut mitbenutzen, aber weniger dazu beitragen.

Um nun die Unterschiede zwischen Ökonomen und Nicht-Ökonomen genauer zu beleuchten, untersuchte Bershadskyy in einem Laborexperiment das Verhalten der Ökonomen zu unterschiedlichen Zeitpunkten: „Tatsächlich handelt ein höherer Anteil der Ökonomen zu Beginn des Experiments als Trittbrettfahrer. Aber es sind auch mehr Ökonomen, die sozial optimale Beiträge leisten,“ so Bershadskyy. „Außerdem zahlen sie sozial optimale Beiträge im Schnitt auch eine Runde länger“. Die Kooperation nimmt aber insgesamt kontinuierlich ab.

Große Unterschiede gibt es dann vor allem gegen Ende des Experiments, im so genannten end game. In dieser Phase ist es viel verlockender, nichts zum öffentlichen Gut beizutragen, weil die verweigerte Kooperation keine Konsequenzen mehr hat. Hier leisten Ökonomen deutlich niedrigere Beiträge als Nicht-Ökonomen.

Das abweichende Verhalten der Ökonomen kann laut Bershadskyy mehrere Gründe haben: „Möglich ist beispielsweise ein Selektionseffekt. Das heißt, dass Menschen, die von Natur aus stärker auf Anreize achten, auch häufiger Wirtschaftswissenschaften studieren. Aber auch ein so genannter Bildungseffekt wäre möglich: Ökonomen beschäftigen sich im Verlauf ihres Studiums intensiver mit Anreizstrukturen und schärfen ihr Gespür dafür“.

Die Unterschiede zwischen Ökonomen und Nicht-Ökonomen können damit die Ergebnisse der Verhaltensökonomie beeinflussen: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei Rückschlüssen von Laborexperimenten auf die Realität immer Vorsicht geboten sein muss. Denn häufig kommt ein beachtlicher Teil der Probanden aus wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen. Wie wir gezeigt haben, kann diese Tatsache die Ergebnisse verzerren“, so der Ökonom.

Im Rahmen der Untersuchung nahmen 384 Studierende an einem mehrstufigen Öffentliche-Güter-Experiment teil. Im Verlauf des Experiments konnten die Probanden Labordollar erspielen, die am Ende in echte Euro umgerechnet und den Teilnehmenden ihren Spielergebnissen entsprechend ausgezahlt wurden. Das Experiment bestand aus drei Teilen. Im ersten Teil wurde die Finanzierung eines öffentlichen Guts simuliert, in das die Teilnehmenden ihr privates Laborgeld investieren konnten. Dabei mussten die Probanden in Gruppen entscheiden, ob sie ein zu Beginn des Spiels erhaltenes Geldbudget behalten oder in das öffentliche Gut investieren wollten. Einbehaltenes privates Geld blieb im Wert unverändert. Das gesamte in das öffentliche Gut investierte Geld hingegen wurde verdoppelt und im Anschluss an alle Mitglieder der Gemeinschaft zu gleichen Teilen ausgezahlt. Vor Beginn des zweiten Teils wurden die Gruppen neu zusammengestellt. In den neuen Gruppen konnten die Probanden kurz miteinander kommunizieren; die Möglichkeit des persönlichen Austauschs erhöhte die Beiträge zum öffentlichen Gut stark. Nach der Kommunikationsphase wiederholten die Probanden in ihren Gruppen den gleichen Mechanismus der freiwilligen Beiträge über zehn Runden. Im Anschluss wurden die Gruppen erneut gemischt. Im dritten Teil des Experiments hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, die effizienzbringende Kommunikationsplattform, die sie im zweiten Teil kennengelernt hatten, als Gruppe zu finanzieren. Dabei wurden die Individuen über die Kosten der Plattform informiert und sollten voneinander unabhängig Beiträge dazu leisten. Lagen die Beiträge einer Gruppe über den vorgegebenen Kosten der Plattform, durften sie auch in der dritten Runde vor der ersten Beitragsperiode kommunizieren. Andernfalls musste der Mechanismus ohne Kommunikation wiederholt werden.

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Zugehörige Publikationen

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Die Mär vom egoistischen Ökonomen – Wie Ökonomen auf Anreize reagieren

Dmitri Bershadskyy

in: Wirtschaft im Wandel, 1, 2018

Abstract

Menschen, die über ökonomische Bildung verfügen, reagieren stärker auf wirtschaftliche Anreize. Entgegen der verbreiteten Annahme handeln Ökonomen jedoch nicht egoistischer als Nicht-Ökonomen, wenn es darum geht, gemeinsam ein öffentliches Gut zu finanzieren. Mit Hilfe eines Experiments, in dem die Teilnehmer echtes Geld gewinnen konnten, wird gezeigt, dass Ökonomen sich stärker an den vorliegenden Anreizstrukturen orientieren. Auf der einen Seite tragen Ökonomen am Anfang leicht höher zu dem öffentlichen Gut bei und fangen signifikant später an, von der sozial optimalen Strategie abzuweichen. Auf der anderen Seite leisten Ökonomen zum Ende des Experiments, wenn Trittbrettfahrerverhalten weniger Konsequenzen hat, deutlich geringere Beiträge als Nicht-Ökonomen. Im zweiten Teil des Experiments wird den Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben, in eine Erleichterung der kooperativen Finanzierung des öffentlichen Guts zu investieren, wobei zwischen einem investitionsfreundlichen (Geld-zurück-Garantie) und einem weniger investitionsfreundlichen Szenario (keine Garantie) unterschieden wird. Das Experiment zeigt, dass die Probanden mit ökonomischer Ausbildung auf diesen kleinen Unterschied in den Anreizstrukturen stärker reagieren.

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Endogenous Institution Formation in Public Good Games: The Effect of Economic Education

Martin Altemeyer-Bartscher Dmitri Bershadskyy Philipp Schreck Florian Timme

in: IWH Discussion Papers, 29, 2017

Abstract

In a public good experiment, the paper analyses to which extent individuals with economic education behave differently in a second-order dilemma. Second-order dilemmas may arise, when individuals endogenously build up costly institutions that help to overcome a public good problem (first-order dilemma). The specific institution used in the experiment is a communication platform allowing for group communication before the first-order public good game takes place. The experimental results confirm the finding of the literature that economists tend to free ride more intensively in public good games than non-economists. The difference is the strongest in the end-game phase, yielding in the conclusion that the magnitude of the end-game effect depends on the share of economists in the pool of participants. When it comes to the building-up of institutions, the individual efficiency gain of the institution and its inherent cost function constitute the driving forces for the contribution behaviour. Providing an investment friendly environment yields in economists contributing more to the institution than non-economists. Therefore, we make clear that first-order results of a simple public good game cannot be simply applied for second-order incentive problems.

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