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Der lange Weg der Konvergenz

Nach fast 20 Jahren wirtschaftlicher Entwicklung im vereinten Deutschland ist der Rückstand der Neuen Bundesländer noch immer beträchtlich. Zwar wuchs die Wirtschaft nach der Vereinigungskrise in der ersten Hälfte der 90er Jahre – ausgehend von einem niedrigen Niveau – kräftig, danach ging der Wachstumsvorsprung jedoch weitgehend verloren. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der weitere Aufholprozess Ostdeutschlands zukünftig gestaltet sein wird. Ist zu erwarten, dass Ostdeutschland bezüglich des Wohlstandsniveaus zügig aufschließen wird, oder ist Ostdeutschland endgültig abgehängt und wird niemals das westdeutsche Niveau erreichen? Diese Fragestellung wird im Rahmen einer Konvergenzanalyse auf Ebene der Bundesländer und im direkten Ost-West-Vergleich anhand der Pro-Kopf-Produktion empirisch untersucht. Auf Bundesländerebene kann für die Jahre 1995 bis 2008 eine durchschnittliche Konvergenzgeschwindigkeit von ungefähr 2% nachgewiesen werden. Demographische Effekte und die Migration von Ost nach West sind dabei wichtige Faktoren. In der aggregierten Betrachtung erscheint der Aufholprozess Ostdeutschlands noch schleppender zu verlaufen. Die Aufholgeschwindigkeit beträgt dabei ungefähr 1% jährlich. Die Resultate der hier verwendeten empirischen Untersuchungen geben wenig Anlass zu Optimismus im Hinblick auf die baldige Angleichung der Pro-Kopf-Produktion zwischen Ost- und Westdeutschland. Insgesamt spricht die Datenlage zwar für die Konvergenz Ostdeutschlands relativ zum westdeutschen Wohlstandsniveau. Allerdings verläuft dieser Prozess sehr langsam – eine vollständige Angleichung kann somit erst in einigen Jahr-zehnten erwartet werden.

22. Oktober 2009

Autoren Rolf Scheufele Udo Ludwig

Außerdem in diesem Heft

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Aktuelle Trends: Rendite in der ostdeutschen Industrie seit fünf Jahren höher als in Westdeutschland

Hans-Ulrich Brautzsch

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 10, 20 Jahre Deutsche Einheit - Teil 1 - 2009

Abstract

In den ostdeutschen Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes betrug die Rendite im Jahr 2007 – aktuellere Daten liegen nicht vor – im Durchschnitt 5,1%, in Westdeutschland lag sie bei 3,7%. Damit stieg sie in der ostdeutschen Industrie das fünfte Jahr in Folge kräftiger als in der westdeutschen Branche. Dies ergab eine im Auftrag des IWH regelmäßig durchgeführte Sonderauswertung der Kostenstrukturen, die jährlich vom Statistischen Bundesamt bei einer repräsentativen Stichprobe von west- und ostdeutschen Unternehmen mit 20 und mehr Beschäftigten erhoben werden.

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Einleitung

Ulrich Blum

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 10, 20 Jahre Deutsche Einheit - Teil 1 - 2009

Abstract

Im Vorfeld des 20. Jahrestages des Mauerfalls und, im kommenden Jahr, des 20. Jahrestages der Deutschen Einheit hat das öffentliche Interesse an Fragen der Transformationsökonomik beträchtlich zugenommen. Das IWH – selbst ein „Kind“ der Deutschen Einheit – widmet sich in seiner Kernkompetenz Analysen der wirtschaftlichen Umbauprozesse in Post-Transformationsökonomien, insbesondere in Ostdeutschland, seit der Wende und deren Integration in das europäische und internationale wirtschaftliche und soziale Umfeld. Das IWH berichtet regelmäßig in seinen eigenen sowie in externen Publikationsorgangen über die Entwicklungsprozesse der vormals zentralverwaltungswirtschaftlich organisierten Länder.

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IWH-Industrieumfrage im September 2009: Geschäftsklima verharrt auf Tiefstand

Cornelia Lang

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 10, 20 Jahre Deutsche Einheit - Teil 1 - 2009

Abstract

Das Geschäftsklima im Verarbeitenden Gewerbe Ostdeutschlands hat sich nicht weiter abgekühlt. Das zeigen die Ergebnisse der IWH-Industrieumfrage vom September unter rund 300 Unternehmen. Der Saldo aus positiven und negativen Bewertungen der aktuellen Geschäftslage hat seit Jahresbeginn erstmals wieder den negativen Bereich verlassen, und die Geschäftsaussichten werden gegenüber Juli nahezu unverändert bewertet: Optimistische und pessimistische Erwartungen halten sich insgesamt weiterhin die Waage.

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Ostdeutsche Exportorientierung trotz Erschließung neuer Märkte immer noch gering

Götz Zeddies

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 10, 20 Jahre Deutsche Einheit - Teil 1 - 2009

Abstract

Die Deutsche Einheit brachte für die Exportindustrie in den Neuen Bundesländern gravierende Anpassungsprozesse mit sich. So brach mit dem politischen Wandel in Osteuropa An-fang der 90er Jahre und der damit einhergehenden realwirtschaftlichen Transformation die Nachfrage der damaligen Hauptzielländer der ostdeutschen Ausfuhren zunächst schlag-artig ein. Zudem kam die D-Mark-Einführung in Ostdeutschland einer massiven Währungsaufwertung gleich, wodurch sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Exportindustrie verschlechterte. Dennoch erschlossen die Exportgüterproduzenten rasch neue Märkte, insbesondere im westlichen Ausland, sodass sich der Außenhandel nach dem Auslaufen des Bau- und Investitionsbooms Mitte der 90er Jahre als Wachstumsmotor in den Neuen Ländern etablierte. Doch obwohl die Warenausfuhren der Neuen Bundesländer im Jahresdurchschnitt seither doppelt so stark zulegten wie die westdeutschen, ist die ostdeutsche Exportquote derzeit nur halb so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Auch im Vergleich zu den osteuropäischen Transformationsländern ist die außenwirtschaftliche Verflechtung Ostdeutschlands vergleichsweise gering. Eine empirische Analyse zeigt, dass dies im Wesentlichen auf die kleinteilige Unternehmensstruktur sowie die geringe Bedeutung des traditionell exportstarken Verarbeitenden Gewerbes in Ostdeutschland zurückzuführen ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die ostdeutschen Produzenten durch umfangreiche Lieferungen insbesondere von Vorleistungsgütern in die Alten Bundesländer in erheblichem Umfang an den westdeutschen Ausfuhren beteiligt sind.

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Von der De-Industrialisierung zur Re-Industrialisierung: Sind Ostdeutschlands industrielle Strukturen nachhaltig?

Gerhard Heimpold

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 10, 20 Jahre Deutsche Einheit - Teil 1 - 2009

Abstract

Der Beitrag untersucht, welche Entwicklung die ostdeutsche Industrie in der Zeit nach dem Übergang in die Marktwirtschaft genommen hat und ob die hinter den wirtschaftlichen Ergebnissen stehenden Faktoren und Strukturen Merkmale wirtschaftlicher Nachhaltigkeit aufweisen. Gemessen an den wirtschaftlichen Ergebnissen wurde seit Beginn der 90er Jahre viel erreicht: Die Bruttowertschöpfung ist auf das Zweieinhalbfache gestiegen, die industrielle Produktivität liegt bei reichlich vier Fünfteln des westdeutschen Vergleichswertes. Die Produktivitätssteigerung allerdings ging mit einer Halbierung der Industriebeschäftigung im Zeitraum von 1991 bis 2008 einher, trotz eines leichten Zuwachses in den Jahren 2006 bis 2008. Die Lage und Entwicklung der Industrie in den einzelnen Neuen Ländern stellt sich allerdings sehr unterschiedlich dar. Beim industriellen Beschäftigtenbesatz liegt das Bundesland Thüringen vor einigen westdeutschen Bundesländern. Bei den hinter den Ergebnissen stehenden Faktoren und Strukturen deutet nicht alles auf ökonomische Nachhaltigkeit hin. Zwar wurde im Vergleich zur westdeutschen Industrie überdurchschnittlich viel in die Modernisierung des Sachkapitalstocks investiert, und beim Humankapital verfügt die ostdeutsche Industrie über einen Anteil von Beschäftigten mit Hoch- und Fachschulabschluss, der jenem in Westdeutschland entspricht. Doch bei den Forschungs- und Entwicklungs-(FuE-)Aktivitäten, die für ökonomisch nachhaltige, sprich zukunftsgerichtete, Industrieaktivitäten stehen, offenbaren sich gemessen an wichtigen Inputgrößen Defizite. Letztere resultieren aus den strukturellen Besonderheiten der ostdeutschen Industrie, zu denen nicht zuletzt die Dominanz kleiner und mittlerer Unternehmen und das Fehlen größerer Unternehmen gehören. Mit der inputseitig schwach ausgeprägten FuE im Unternehmenssektor korrespondiert ein vergleichsweise geringer Anteil technologieintensiver Branchen, während der Anteil arbeitsintensiver Branchen höher als in den Alten Bundesländern ausfällt. Ein weiterer Wandel hin zu nachhaltigeren Industriestrukturen wird also nottun. Denn aus wachstumstheoretischer Sicht lässt sich ein dauerhafter Wachstumspfad hauptsächlich mit technologieintensiven Produktionen verwirklichen. Arbeitsintensive Branchen stehen dagegen im internationalen Wettbewerb besonders unter Kostendruck. Auch die funktionalen Strukturen offenbaren in puncto ökonomischer Nachhaltigkeit Defizite. Der Anteil von Beschäftigten in industriellen Fertigungsfunktionen liegt über den westdeutschen Verhältnissen, und jener in hochwertigen -Dienstleistungs- ebenso wie in den übrigen Dienstleistungsfunktionen liegt darunter. Dies weist erneut auf den Mangel an Unternehmen mit Führungsfunktionen in den Neuen Ländern hin. Will die ostdeutsche Industrie auf dauerhaftem Wachstumskurs bleiben, wird demnach ein weiterer Strukturwandel zugunsten technologie- und humankapitalintensiver Produktionen erforderlich sein, den die Wirtschaftspolitik durch günstige Rahmenbedingungen unterstützen sollte.

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Wo stehen die ostdeutschen Städte im gesamtdeutschen Städtesystem? Eine Zwischenbilanz anhand ökonomischer Indikatoren nach 20 Jahren Deutscher Einheit

Peter Franz

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 10, 20 Jahre Deutsche Einheit - Teil 1 - 2009

Abstract

Viele vereinigungsbedingte Hoffnungen der Ostdeutschen waren 1990 nicht nur auf eine Mehrung des persönlichen Wohlstands, sondern auch auf eine Verbesserung der Lage ihrer Städte gerichtet. Dies ist Anlass, die 13 größten Städte der Neuen Länder (ohne Berlin) mit ähnlich großen Städten in drei Regionen der Alten Länder (Süd-, Norddeutschland, Nordrhein-Westfalen) hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Lage zu vergleichen. Die für den Vergleich herangezogenen Indikatoren ergeben ein differenziertes Bild. Das in den ostdeutschen Städten erwirtschaftete Pro-Kopf-Einkommen liegt im Durchschnitt noch unter dem der westdeutschen Städte, und die Arbeitslosenquote ist nach wie vor in den ostdeutschen Städten am höchsten. Sie verfügen jedoch über verschiedene gute Voraussetzungen für die künftige Steigerung ihres wirtschaftlichen Ergebnisses: Dies gilt vor allem für die Qualifikation der Beschäftigten und für die Präsenz öffentlicher Forschung. Beide Indikatoren verhelfen den ostdeutschen Städten zu deutlichen Vorteilen gegenüber den Ruhrgebietsstädten. Dagegen erschweren die geringe Größe der Unternehmen und der zu geringe Besatz mit Unternehmens-Headquartern das weitere Wachstum. Im Unterschied zu den westdeutschen Städten haben die ostdeutschen Städte sehr geringe eigene Steuereinnahmen und sind stark von Finanzzuweisungen abhängig. Der vormals den Finanzspielraum einengende hohe Anteil an Personalausgaben konnte zwischenzeitlich reduziert werden. Angesichts der Fülle an Problemen, mit denen die ostdeutschen Städte in der Vergangenheit konfrontiert waren, ist der bisher erreichte fortgeschrittene Stand des Aufholprozesses hervorzuheben.

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Zum Zusammenhang von Abwanderung und regionaler Konvergenz

Alexander Kubis Lutz Schneider

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 10, 20 Jahre Deutsche Einheit - Teil 1 - 2009

Abstract

Seit 1989 haben netto über 1,8 Millionen Menschen Ostdeutschland den Rücken gekehrt. In diesem Kontext stellt sich die Frage, welcher Zusammenhang zwischen der Binnenmigration – ökonomisch betrachtet der Humankapitalmobilität – und dem regionalen Wachstum besteht. Aus theoretischer Sicht sprechen Gründe sowohl für als auch gegen eine konvergenzfördernde Wirkung von Migration. Insbesondere bei starker Positivselektion der Migranten sollten die Wanderungsbewegungen eher gegen eine Angleichung der Wirtschaftskraft von Regionen wirken. Im vorliegenden Beitrag wird die Frage, wie Migration und Konvergenz, verstanden als Angleichung der Arbeitsproduktivität, zusammenhängen, auf regionaler Ebene für Deutschland im Zeitraum von 1995 bis 2006 empirisch analysiert. Der methodische Ansatz folgt dem Konzept der Beta- Konvergenz, geschätzt wird ein Querschnittsmodell auf Basis von Kreisdaten, die auf dieser Ebene vorliegende räumliche Korrelation wird im Modell berücksichtigt. Im Ergebnis zeigt sich zunächst ein signifikanter Konvergenzprozess auf regionaler Ebene; die ostdeutschen Regionen holen dabei besonders schnell auf. Hinsichtlich der Wirkung von Migration auf regionale Konvergenz finden sich gegenläufige Tendenzen. Die Abwanderung aus armen Regionen wird zwar einerseits begleitet von einem hohen Produktivitätswachstum, die komplementäre Zuwanderung in reiche Regionen geht dort andererseits ebenso mit höherem Wachstum einher. Insofern ist der Konvergenzeffekt der Migration unbestimmt, allerdings sprechen die Ergebnisse für einen wanderungsbedingten Effizienzgewinn auf volkswirtschaftlicher Ebene, wenn die Migration von schwächeren in stärkere Regionen fließt.

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