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Die „International Banking Library“

Die Globalisierung von Finanzmärkten hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Gründe dafür sind gesteigerte Auslandsaktivitäten realwirtschaftlicher Unternehmen, die Einführung einer gemeinsamen Währung im Euroraum sowie die Deregulierung der Finanzmärkte. Ein Indikator für das Zusammenwachsen von Finanzmärkten sind zum Beispiel die drastisch gestiegenen Auslandsaktivitäten deutscher und französischer Banken. Diese internationalen Verflechtungen können einerseits positive Auswirkungen haben: Kapital kann dorthin fließen, wo es gebraucht wird, und Risiken können über nationale Grenzen hinweg gestreut werden. Andererseits können grenzüberschreitende Aktivitäten im Finanzsektor Ansteckungseffekte verursachen, indem sie Schocks international übertragen.

29. August 2014

Autoren Matias Ossandon Busch J. Schneider Lena Tonzer

Während der Finanzkrise wurde dies offensichtlich. Erhöhte Ausfallrisiken im Bankensektor im Zuge der Finanzkrise und die Unsicherheit über die Zahlungsfähigkeit von Staaten während der europäischen Staatsschuldenkrise führten vor allem in Ländern wie Griechenland, Portugal oder Irland zum Rückzug von ausländischem Kapital. Die neu einsetzende und zunehmende Fragmentierung des internationalen Bankensystems hat dabei die Lage in vielen Ländern verschärft. Staatliche Rettungsprogramme mussten zur Stabilisierung des Banken- und Finanzsystems eingerichtet werden, und Forderungen nach neuen Regulierungsmaßnahmen und der Errichtung einer Bankenunion im Euroraum wurden laut.

Aufbau der die International Banking Library

Angesichts dieser Entwicklungen und der Bedeutung gut funktionierender Finanzmärkte für die Realwirtschaft erscheint es nicht verwunderlich, dass diese Themen auch in der Forschung in den Fokus gerückt sind. So zeigt sich, dass die Zahl der Veröffentlichungen zum Thema „International Banking“ kurz nach dem Ausbruch der Finanzkrise deutlich gestiegen ist (vgl. Abbildung). Doch obwohl das Thema „International Banking“ durch die Finanzkrise an Bedeutung gewonnen hat, sind Informationen zu wissenschaftlichen Arbeiten und Daten in Bezug auf internationale Aktivitäten von Banken, Finanzmarktstabilität und Regulierung nicht systematisch verfügbar. Eine gute Datenbasis ist allerdings eine wichtige Basis für die Forschung. Aus diesem Grund wurde die International Banking Library  aufgebaut, die seit Juni 2014 online ist. Ziel der International Banking Library ist es, sowohl Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Studierenden als auch der Politik und Öffentlichkeit Informationen zu Forschungsprojekten, verfügbaren Datenquellen und aktuellen Entwicklungen hinsichtlich Finanzmarktintegration und internationaler Regulierungsvorhaben in einem übersichtlichen Format zur Verfügung zu stellen. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit dem International Banking Research Network (IBRN) , das von Claudia M. Buch (Deutsche Bundesbank) und Linda Goldberg (Federal Reserve Bank of New York) gegründet wurde. Das IBRN ist ein Zusammenschluss verschiedener Zentralbanken mit dem Ziel, wissenschaftliche Fragestellungen zu Auslandsaktivitäten von Banken länderübergreifend zu analysieren.

Als Ergänzung zur Forschungsagenda des IBRN bietet die International Banking Library einen Überblick über relevante Literatur zum Thema „International Banking“. Vor dem Ausbruch der Finanzkrise ging die Forschung dabei hauptsächlich den Fragen nach, warum Banken ins Ausland gehen und welche Auswirkungen dies für das Gastland oder den heimischen Markt hat. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise hat sich die Forschung auf die internationale Übertragung von Schocks fokussiert. Dabei wurden verschiedene Kanäle wie zum Beispiel der Interbankenmarkt, über die Schocks international übertragen werden können, analysiert. Sobald Schocks über nationale Grenzen übertragen werden, liegen Diskussionen zur Notwendigkeit einer supranationalen Regulierung im Bankensektor sowie der Implementierung einer internationalen Bankenaufsicht nahe. Die aktuellere Forschung beschäftigt sich daher mit Kosten und Nutzen einer supranationalen Bankenaufsicht und -regulierung. Für eine angemessene Gestaltung der Bankenregulierung und -aufsicht ist es dabei wichtig zu verstehen, wie Banken vernetzt sind. Vor allem mit Blick auf Stabilitätsfragen ist es nicht mehr ausreichend, die Bank als solche zu betrachten, sobald sie national oder international vernetzt ist. Um die Finanzstabilität des kompletten Systems einschätzen zu können, muss vielmehr die gesamte Netzwerkstruktur berücksichtigt werden. Ein zentrales Problem hierbei ist die Verfügbarkeit von Daten, da vergleichbare Daten für Banken oft nur auf nationaler Ebene erhoben werden. Der Zusammenschluss verschiedener Nationalbanken im IBRN ist ein Weg, trotz dieser Restriktion länderübergreifende Erkenntnisse zur Bedeutung der Auslandsaktivitäten von Banken zu gewinnen.

Neben der Bereitstellung relevanter Literatur zu den oben genannten Themen bietet die International Banking Library eine Übersicht zu Datenquellen und liefert dazu weitere Informationen (wie z. B. die Beschreibung der einzelnen Datenquellen und Angaben zur Verfügbarkeit). Diese Datensätze sind nach verschiedenen Themenbereichen sortiert. So gibt es neben dem Bereich für die Daten, die sich direkt auf die Auslandsaktivitäten der Banken beziehen, auch Informationen zu Bilanzdaten von Banken. Darüber hinaus bietet die International Banking Library eine Übersicht über Datensätze zu systemischen Risikoindikatoren und zur Bankenaufsicht und -regulierung. Weitere Finanzindikatoren, die die Forschung in diesem Bereich ergänzen, vervollständigen das Angebot.

Ziel der International Banking Library

Ziel ist es, in Zukunft auch institutseigene Datenbanken des IWH in die International Banking Library einzubinden. Ein Beispiel ist die Latin American Banking Database. Diese Datenbank besteht aus Bankdaten verschiedener Länder Lateinamerikas und enthält Informationen über alle offiziell gelisteten Banken eines Landes. Diese ermöglichen es, die Bedeutung ausländischer Tochtergesellschaften für die Übertragung von Schocks in das lateinamerikanische Bankensystem zu erforschen. Lateinamerika ist dabei ein interessantes Forschungsfeld, da diese Region unterschiedlichste Phasen der Finanzmarktintegration und eine Vielzahl an Finanzmarktkrisen erlebt hat.

 

Die Website der International Banking Library umfasst darüber hinaus weitere Ressourcen wie eine Übersicht zu Lehrbüchern oder Informationen zu Forschungs- und Politikinitiativen, die sich mit der Finanzmarktintegration und Regulierung von Finanzmärkten beschäftigen. Mit der Errichtung der Bankenunion im Euroraum beginnt eine neue Stufe der Bankenintegration. Um diese Entwicklung zu verfolgen, sollen in Zukunft weiterführende Informationen zur Europäischen Bankenunion und zur Transparenz der Regulierung und Aufsicht bereitgestellt werden. Somit bietet die International Banking Library einen breiten Überblick über relevante Literatur, verfügbare Datenquellen und aktuelle Entwicklungen auf internationalen Finanzmärkten.

Außerdem in diesem Heft

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IWH-Bauumfrage im zweiten Quartal 2014: Baukonjunktur verliert etwas an Schwung

Brigitte Loose

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2014

Abstract

Die Geschäfte der 300 vom IWH befragten ostdeutschen Bauunternehmen sind im Frühsommer 2014 nicht mehr ganz so gut gelaufen wie noch zu Jahresbeginn. Der Indikator für die aktuelle Geschäftslage gibt geringfügig, der der Geschäftsaussichten bis zum Herbst etwas deutlicher nach. Allerdings hatte die Bauproduktion zu Jahresbeginn vor allem dank eines ungewöhnlich milden Winterwetters und noch anstehender flutbedingter Baumaßnahmen außergewöhnlich stark angezogen.

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IWH-Industrieumfrage im zweiten Quartal 2014: Anhaltender Optimismus

Cornelia Lang

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2014

Abstract

Die ostdeutsche Industrie erwartet für die nächsten Monate gute Geschäfte. Das zeigen die Ergebnisse der IWH-Industrieumfrage unter rund 300 Unternehmen. Das Verarbeitende Gewerbe in Ostdeutschland gibt sich derzeit unbeeindruckt von den politischen Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten. Die Geschäftslage hat sich nach dem starken Aufwärtsschub im ersten Quartal auf ihrem hohen Niveau gehalten. Sie wird lediglich um einen Saldenpunkt schwächer eingeschätzt. Der Saldo aus positiven und negativen Urteilen über die Geschäftsaussichten hat sich zum vierten Mal in Folge erhöht.

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Kommunale Kooperation und Effizienz: Das Beispiel der hessischen Abwasserentsorgung

F. Blaeschke Peter Haug

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2014

Abstract

Angesichts der teilweise prekären Finanzlage deutscher Kommunen gelten freiwillige Kooperationen im Kommunalbereich als mögliche Alternative, z. B. zu politisch heiklen Gebietsreformen, um Kostenersparnisse zu realisieren. Die Ergebnisse einer Effizienzstudie des IWH (in Kooperation mit der Universität Kassel) zeigen am Beispiel der hessischen kommunalen Abwasserentsorgung allerdings, dass sich nicht jede Form der kommunalen Zusammenarbeit bzw. Arbeitsteilung günstig auf die Effizienz der Leistungserstellung auswirken muss. Insbesondere die verbreitete Teilzweckverbandslösung schneidet hier eher ungünstig ab. Weitere Ergebnisse zeigen neben einem erheblichen Effizienzsteigerungspotenzial auch eine weitgehende Ausschöpfung von Größenvorteilen. Daneben bestätigt sich außerdem der erhebliche Einfluss demographischer und siedlungsstruktureller Faktoren für die effiziente Abwassersammlung und -behandlung.

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Kurzfassung: Ostdeutsche Wirtschaft: Kräftige Konjunktur im Jahr 2014, Rückstand gegenüber Westdeutschland verringert sich aber kaum mehr

Hans-Ulrich Brautzsch Franziska Exß Cornelia Lang Axel Lindner Brigitte Loose Udo Ludwig Birgit Schultz

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2014

Abstract

Die Wirtschaft in Ostdeutschland dürfte im Jahr 2014 recht kräftig (um 1,8%) expandieren. Damit ist der Rückstand zu dem Expansionstempo in Westdeutschland (2%) deutlich geringer als in den Jahren zuvor, obwohl Bevölkerung und Erwerbspersonenpotenzial in Ostdeutschland weiter fallen und im Westen steigen. Die Gründe für die Dynamik im Osten sind konjunkturell: Wichtige Exportmärkte für die ostdeutsche Wirtschaft liegen vor allem im Euroraum und in den mitteleuropäischen Nachbarstaaten, und deshalb profitiert Ostdeutschland von der – wenn auch zumeist sehr verhaltenen – Belebung der Konjunktur in diesen Ländern besonders. Der dämpfende Effekt des Nachfragerückgangs aus Russland im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Konflikt ist begrenzt, denn das Land nahm im Jahr 2013 nur 3½% der ostdeutschen Exporte ab. Auch veranlasst die gute Konjunktur die Unternehmen in Deutschland dazu, ihre Lager aufzufüllen. Davon profitiert speziell das ostdeutsche Verarbeitende Gewerbe, denn dort hat die Produktion von Vorleistungsgütern, die bei einem Lageraufbau besonders gefragt sind, ein großes Gewicht.

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Kommentar: Warum ist die Wirtschaftsleistung je Einwohner in allen ostdeutschen Ländern ähnlich hoch?

Axel Lindner

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2014

Abstract

Das IWH veröffentlicht jeden Sommer eine Prognose für Ostdeutschland. Immer häufiger fragen Journalisten, ob nicht die Entwicklung in dem einen oder anderen Bundesland anders ausfallen müsste als im Osten insgesamt. Ist Sachsen nicht wirtschaftlich ein Musterknabe, und hinkt Mecklenburg-Vorpommern nicht oft hinterher? Der empirische Befund ist ein anderer: Trotz aller Unterschiede scheinen sich die Länder in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eher anzugleichen. Wies im Jahr 1991 der Spitzenreiter in Ostdeutschland, das Land Brandenburg, noch ein um 18% höheres Bruttoinlandsprodukt je Einwohner auf als das damalige Schlusslicht (Thüringen), beträgt die Differenz gegenwärtig nur noch 6%; der Spitzenreiter ist jetzt tatsächlich Sachsen, und das Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern.

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Aktuelle Trends: Zu den Effekten der Generalrevision des Bruttoinlandsprodukts

Katja Drechsel

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2014

Abstract

Seit August 2014 werden in Deutschland die neuen Regeln des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 (ESVG 2010) für die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts angewendet.a Damit ergibt sich ein deutlicher Niveausprung in den Ursprungswerten nach oben, der vor allem aus der Zuordnung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung resultiert. Diese werden nun als Investitionen und nicht mehr als Vorleistung verbucht. Ferner wurden datenbedingte Korrekturen und konzeptionelle Änderungen umgesetzt. Die jährlichen Wachstumsraten weichen bis zu 0,3 Prozentpunkte von den im Mai veröffentlichten Zahlen ab. Die generelle Wachstumsdynamik bleibt jedoch nahezu unverändert. Noch größer sind die Revisionen der vierteljährlichen saison- und kalenderbereinigten Werte.

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