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Lohnquote in den letzten 40 Jahren gefallen
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Entwicklung der Lohnquote
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Politikimplikationen
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Politikimplikationen

Der starke Anstieg der Arbeitsmarktmacht von Firmen im deutschen Verarbeitenden Gewerbe wirft Fragen hinsichtlich seiner Politikimplikationen auf. Arbeitsmarktmacht besitzt nicht nur einen negativen Einfluss auf die Löhne, sondern führt darüber hinaus zu einer Reduktion der aggregierten Produktion. Dies liegt daran, dass Firmen zwar aufgrund ihrer Arbeitsmarktmacht den Lohn unter das kompetitive Niveau drücken können, dadurch aber im Firmenoptimum auch das Arbeitsangebot sinkt, weil nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereit sind, zum niedrigeren Lohn zu arbeiten. Durch die Reduktion des Arbeitsangebots fällt auch die Gesamtproduktion der Firmen. Daher ist es nicht nur aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch aus einer gesamtwirtschaftlichen Effizienzperspektive sinnvoll, Arbeitsmarktmacht zu regulieren.

Welche Maßnahmen für eine Regulierung von Arbeitsmarktmacht geeignet sind, hängt davon ab, wie Arbeitsmarktmacht zwischen Firmen verteilt ist. Die Tabelle zeigt den Parameter für die Arbeitsmarktmacht aggregiert nach Firmengrößenklassen. Ein Wert von 1 deutet dabei auf einen kompetitiven Arbeitsmarkt hin, ein Wert von über 1 impliziert, dass Firmen Arbeitsmarktmacht besitzen, ein Wert von unter 1 bedeutet, dass Arbeitende Arbeitsmarktmacht besitzen (etwa aufgrund von gewerkschaftlicher Organisation).

Wie zu erkennen ist, besitzen insbesondere größere Firmen viel Arbeitsmarktmacht. Kleinere Firmen besitzen dagegen keine Arbeitsmarktmacht. Infolgedessen sind Politikmaßnahmen, die kleinere Firmen treffen, oder solche, die alle Firmen gleichermaßen treffen (wie etwa ein flächendeckender Mindestlohn), ungeeignet, um Firmenarbeitsmarktmacht einzudämmen. Stattdessen sollten sich Politikmaßnahmen zur Eindämmung von Arbeitsmarktmacht auf die Rolle von größeren Firmen konzentrieren. Eine derzeit vor allem in den USA diskutierte Maßnahme zur Eindämmung von Arbeitsmarktmacht großer marktdominierender Firmen könnte die Erweiterung des Wettbewerbs- und Kartellrechts auf den Arbeitsmarkt sein. Derzeit berücksichtigt das Wettbewerbs- und Kartellrecht (insbesondere im europäischen Raum) lediglich die Marktmacht von Firmen auf Produkt- und Vorleistungsmärkten. Firmenseitige Arbeitsmarktmacht wird hingegen im Wettbewerbs- und Kartellrecht bisher weitestgehend ausgeblendet. Eine Ausweitung des Wettbewerbs- und Kartellrechts auf den Arbeitsmarkt könnte beispielsweise beinhalten, dass bei der Bewertung der potenziell wettbewerbsschädlichen Effekte von Unternehmenszusammenschlüssen nicht nur die resultierende Veränderung der Marktkonzentration auf dem Produktmarkt, sondern auch auf dem lokalen Arbeitsmarkt berücksichtigt wird.10

Daneben können politische Maßnahmen zur Eindämmung von Arbeitsmarktmacht auch auf eine Stärkung der Verhandlungsmacht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abzielen, unter anderem durch eine Stärkung von Gewerkschaften oder Betriebsräten. So sind Betriebsräte insbesondere in größeren Unternehmen etabliert, und eine Stärkung der Rechte und Möglichkeiten von Betriebsräten kann zu einer Erhöhung der Verhandlungsmacht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und letzten Endes zu höheren Löhnen führen.11

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Suggested Reading

Micro-mechanisms behind Declining Labor Shares: Rising Market Power and Changing Modes of Production

Matthias Mertens

in: International Journal of Industrial Organization, March 2022

Abstract

I derive a micro-founded framework showing how rising firm market power on product and labor markets and falling aggregate labor output elasticities provide three competing explanations for falling labor shares. I apply my framework to 20 years of German manufacturing sector micro data containing firm-specific price information to study these three distinct drivers of declining labor shares. I document a severe increase in firms’ labor market power, whereas firms’ product market power stayed comparably low. Changes in firm market power and a falling aggregate labor output elasticity each account for one half of the decline in labor's share.

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Also in this issue

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Kommentar: Brauchen wir ein Öl- und Gasembargo?

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, No. 2, 2022

Abstract

Die russische Wirtschaft ist durch die westlichen Sanktionen nach dem Einmarsch in die Ukraine schwer getroffen. Die Wirtschaft schrumpft um über 8%, die Inflation hat sich auf knapp 20% erhöht. Die meisten internationalen Firmen haben sich aus Russland zurückgezogen. Viele reiche Russen haben keinen Zugang mehr zu ihren Vermögenswerten im Ausland, Kapitalverkehrskontrollen verhindern, dass Russen und russische Firmen Fremdwährung kaufen können, und sowohl die russischen Banken als auch die russische Zentralbank haben fast keine Möglichkeiten mehr, mit ausländischen Banken Transaktionen durchzuführen. Gleichzeitig hat Putin das Gegenteil von dem erreicht, was er laut eigener Aussage wollte: eine Schwächung der NATO, der Europäischen Union und des Westens im Allgemeinen. Schweden und Finnland haben um die Aufnahme in die NATO gebeten und damit die gemeinsame Grenze der NATO mit Russland um über 800 km verlängert. Die Chancen, dass die Ukraine in die EU aufgenommen wird, haben sich deutlich erhöht, und der Westen ist mit wenigen Ausnahmen (Ungarn, Türkei) geeinter denn je.

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Aktuelle Trends: Deutsche Gasspeicher erreichen jahreszeitüblichen Füllstand

Oliver Holtemöller Christoph Schult

in: Wirtschaft im Wandel, No. 2, 2022

Abstract

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wird intensiv diskutiert, welche Folgen ein Lieferstopp für russisches Gas für die deutsche Konjunktur hätte. Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose hat in ihrem Frühjahrsgutachten berechnet, wann in einem solchen Fall die Gasnachfrage in Deutschland nicht mehr vollständig bedient werden könnte und es somit zu einer Rationierung von Gas kommen würde. Diese Berechnungen basierten auf der Annahme eines Lieferstopps Mitte April. Da die deutschen Gasspeicher zu Jahresbeginn unterdurchschnittlich befüllt waren, wäre infolge eines solchen Lieferstopps im Winter 2022/2023 mit einer Rationierung der deutschen Industrie und damit mit erheblichen konjunkturellen Einbußen zu rechnen gewesen. 

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Das Potenzial von Bankkreditspreads für die Konjunkturprognose

Daniel Streitz

in: Wirtschaft im Wandel, No. 2, 2022

Abstract

Prognosemodelle für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung verwenden häufig marktbasierte Indikatoren wie Spreads von Unternehmensanleihen, die den Risikoaufschlag gegenüber einem Referenzzins angeben. Anleihespreads bilden jedoch nur die Entwicklung von Risiken für Unternehmen ab, die regelmäßig Anleihen emittieren – im Durchschnitt größere, sichere Firmen. Neuartige Daten zu Bankkrediten, die im Sekundärmarkt gehandelt werden, erlauben auch die Konstruktion von Kreditspreads. Kreditmarktdaten umfassen ein breiteres Spektrum an Firmen, inklusive kleinerer Firmen, die stärker von Finanzmarktfriktionen betroffen sind. Tests zeigen, dass Kreditspreads tatsächlich mehr Informationen über wirtschaftliche Entwicklungen beinhalten als Anleihespreads und daher das Potenzial haben, Prognosemodelle zu verbessern.

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