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Warum interessieren uns Insolvenzen?
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Großinsolvenzen entscheidend für Beschäftigungsverluste
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Welche Insolvenzentwicklung ist für die zweite Hälfte des Jahres 2021 zu erwarten?
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Welche Insolvenzentwicklung ist für die zweite Hälfte des Jahres 2021 zu erwarten?

Während vorläufige Zahlen des Statistischen Bundesamtes für die erste Jahreshälfte 2021 einen wohl vorübergehenden Anstieg bei der Zahl der Insolvenzen von Selbstständigen und Kleinstunternehmen zeigen, gibt die IWH-Insolvenzforschungsstelle für die Monate April bis Mai 2021 bereits Entwarnung und berichtet bei Personen- und Kapitalgesellschaften Zahlen unterhalb des Vorkrisenniveaus. Eine darüberhinausgehende Prognose ist aufgrund der unklaren Entwicklung der Pandemie, Änderungen im Insolvenzrecht sowie der befristeten und auf bestimmte Branchen bezogenen Aussetzung der Antragspflicht schwierig. Klassische ökonomische Prognosemodelle, die die künftige Entwicklung auf Basis von Zusammenhängen in der Vergangenheit vorhersagen und die Spezifika dieser Krise naturgemäß nicht berücksichtigen können, liefern in dieser Gemengelage Ergebnisse, die mit großen Unsicherheiten behaftet sind. Zu einem gewissen Maße müssen Politik und Wissenschaft also „auf Sicht“ fahren.

Ein Dammbruch im Sommer, bei dem innerhalb kurzer Zeit viele zehntausend oder gar hunderttausend Jobs durch Insolvenzen gefährdet sind, ist aber unwahrscheinlich. Zum einen läuft das ausgeweitete Kurzarbeitergeld noch bis Ende 2021, zum anderen dürfte nicht zuletzt aufgrund der in Fahrt gekommenen Impfkampagne das Jahr 2021 ein wirtschaftlich gutes Jahr mit Nachholeffekten für die meisten Branchen werden. Angeschlagene Unternehmen werden in der Hoffnung auf den Nach-Corona-Boom weiterhin versuchen, die nächsten Monate irgendwie zu überbrücken.

Für den Fall, dass sich doch eine Insolvenzwelle aufbaut, kann und wird die Politik im Wahljahr 2021 reagieren. Die wiederholte Ausdehnung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Januar 2021 sowie die frühzeitige Verlängerung des Kurzarbeitergelds im Spätsommer 2020 sind klare Signale in diese Richtung. Jüngst wurde die Überbrückungshilfe III bis Ende September verlängert.

Trotz wichtiger Stabilisierungseffekte in kurzer Frist bergen die staatlichen Stützungsmaßnahmen das mittel- und langfristige Risiko, dass immer mehr an sich unrentable Unternehmen – so genannte Zombieunternehmen – am Markt verbleiben und somit Ressourcen blockieren, die zukunftsfähigen Unternehmen vor allem im Nach-Corona-Boom fehlen. Auch wenn das im Moment vielen als zweitrangiges Problem erscheinen mag, braucht Deutschland auch nach Ende der Pandemie starke Produktivitätsimpulse, um mit dem demographischen Wandel und dem Klimawandel fertig werden zu können. Zombieunternehmen sind der natürliche Feind des Produktivitätswachstums. Die Politik ist daher gut beraten, mit dem Ausstieg aus den Hilfsprogrammen frühzeitig zu beginnen und gleichzeitig ein erneutes Aufflammen der Pandemie im Herbst 2021 unter allen Umständen zu verhindern.

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Insolvenzen in der Corona-Krise

Steffen Müller

in: IWH Policy Notes, No. 2, 2021

Abstract

Die Insolvenzzahlen sind trotz Corona-Krise im Jahr 2020 stark gesunken. Diese paradoxe Situation kann in erster Linie durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen und abwartendes Verhalten bei den Unternehmen erklärt werden. Die Krise traf die meisten Unternehmen am Ende einer langanhaltenden wirtschaftlichen Boomphase und somit haben viele Unternehmen umfangreiche Reserven aufgebaut, die sie in Erwartung eines Nach-Corona Booms aufbrauchen. Obwohl eine Insolvenzwelle ab Frühjahr nicht auszuschließen ist, ist sie doch eher unwahrscheinlich. Der Staat muss seine Kräfte bündeln um ein Wiederaufflammen der Pandemie nach dem Sommer 2021 zu verhindern und gleichzeitig die Stützungsmaßnahmen bereits im Jahr 2021 beenden, um eine „Zombifizierung“ der Wirtschaft zu unterbinden.

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Unternehmensinsolvenzen in Deutschland im Zuge der Corona-Krise

Oliver Holtemöller

in: Wirtschaft im Wandel, No. 1, 2021

Abstract

Die Corona-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft in eine tiefe Rezession getrieben. In diesem Beitrag wird analysiert, wie sich die Rezession in den Unternehmensinsolvenzen niederschlägt. Prognosen auf Basis des üblichen Zusammenhangs zwischen Bruttowertschöpfung und Unternehmensinsolvenzen nach Wirtschaftsbereichen deuten auf eine kräftige Zunahme der Unternehmensinsolvenzen im zweiten Halbjahr 2020 hin. Für Unternehmensinsolvenzen gelten allerdings seit März 2020 Ausnahmeregelungen, die das Ziel haben, allein durch die Corona-Krise bedingte Unternehmensinsolvenzen zu vermeiden. Ferner erhalten die Unternehmen finanzielle Unterstützung im Rahmen der Corona-Hilfspakete. Mit zunehmender Dauer der wirtschaftlichen Beeinträchtigungen nimmt die Wahrscheinlichkeit von Unternehmensinsolvenzen gleichwohl zu, sodass nach Aufhebung der Ausnahmeregelungen Insolvenzen nachgeholt werden dürften und das übliche konjunkturelle Muster wieder greift.

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Aktuelle Trends: Auf dem Weg zur europäischen Bankenunion: Verzögerte Umsetzung der Abwicklungsrichtlinie

Michael Koetter Thomas Krause Eleonora Sfrappini Lena Tonzer

in: Wirtschaft im Wandel, No. 2, 2021

Abstract

In Reaktion auf die Erfahrungen aus der letzten Finanzmarktkrise veröffentlichte die Europäische Kommission im Mai 2014 die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Bank Recovery and Resolution Directive, BRRD). Die Richtlinie legt Regeln zur Abwicklung und Restrukturierung von Banken einschließlich eines Bail-in-Mechanismus fest, der das Verlustrisiko beim Scheitern einer Bank vorrangig deren Anteilseignern und Gläubigern aufbürdet.

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Projektion der Ausgaben für die Beamtenversorgung in Deutschland bis zum Jahr 2080

Oliver Holtemöller Götz Zeddies

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Abstract

Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Pensionäre in Deutschland. Der demographische Wandel dürfte die Versorgungsausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten deutlich zunehmen lassen. In diesem Beitrag wird die Zahl der Versorgungsempfänger bis zum Jahr 2080 vorausgeschätzt und die Versorgungsausgaben werden projiziert. Im Ergebnis zeigt sich ein teilweise deutlicher Anstieg der Versorgungsausgaben der Gebietskörperschaften. Im Verhältnis zum erwarteten Zuwachs des Steueraufkommens fällt dieser jedoch beim Bund vergleichsweise moderat und auch bei Ländern und Gemeinden nicht übermäßig hoch aus. Dies geht unter anderem auf die Annahme zurück, dass der Anteil der Beamten an der Gesamtbevölkerung in Zukunft konstant bleibt. Dagegen steht die gesetzliche Rentenversicherung größeren finanziellen Herausforderungen gegenüber, weil der Anteil der Rentenempfänger an der Gesamtbevölkerung in den kommenden Jahren zunehmen wird.

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