Gutachten zur Wirtschaftlichkeit von Gemeindestrukturen in Sachsen-Anhalt

Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat das Institut für Wirtschaftsforschung Halle und den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Gemeindegebiets- und Strukturreform mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, um die „wirtschaftlichere“ Organisationsform zu ermitteln.

Anlass und Fragestellung des Gutachtens

Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat das Institut für Wirtschaftsforschung Halle und den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Gemeindegebiets- und Strukturreform mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, um die „wirtschaftlichere“ Organisationsform zu ermitteln. Das Gutachten beinhaltet auf der Basis einer interdisziplinären und empirisch gestützten Untersuchung einen Vergleich zwischen den derzeit in Sachsen-Anhalt diskutierten Modellen der Verwaltungsgemeinschaft, der Einheitsgemeinde und der Verbandsgemeinde. Dabei steht die Effizienz der gemeindlichen Aufgabenerfüllung im Zentrum der Analysen. Zusätzlich wird auch der Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit der Gemeinden i(ihrer „Effektivität“) im Sinne der Qualität der Aufgabenerfüllung zur Beurteilung herangezogen, denn gerade für die Zukunft der Landesentwicklung ist es erforderlich, ein hohes Maß an Qualität der gemeindlichen Aufgabenerfüllung sicherzustellen.

Hauptergebnis des Gutachtens

Das Gutachten kommt zum Ergebnis, dass zwischen den drei Verwaltungsstruktur-Modellen keine gravierenden Unterschiede im Hinblick auf die Effizienz feststellbar sind. Vielmehr weist jedes der drei Modelle spezifische Stärken und Schwächen auf. Diese wurden durch die Gutachter anhand eines Sets von wesentlichen Maßstäben für Effizienz und Effektivität ermittelt. Dieses Ergebnis hat zur Folge, dass eine Entscheidung für eines der gemeindlichen Organisationsmodelle nicht maßgeblich auf das Kriterium der Effizienz gestützt werden kann. Vielmehr hängt es von der Gewichtung weiterer Kriterien durch die politischen Entscheidungsträger ab, welchem Modell der Vorzug gegeben werden soll.

Zu Einzelheiten der Untersuchungsergebnisse

Hinsichtlich der Effizienz der Aufgabenerfüllung zeigen die quantitativen Untersuchungen auf der Basis der Finanzstatistik, dass die heutigen Verwaltungsgemeinschaften bei zahlreichen Selbstverwaltungsaufgaben und auch für den Bereich der Öffentlichen Ordnung weniger Ausgaben je Einwohner (bzw. je Straßenkilometer im Fall der Gemeindestraßen) einsetzen als die heutigen Einheitsgemeinden in Sachsen-Anhalt. Demgegenüber zeigt sich eine höhere Effizienz der Einheitsgemeinden für die allgemeine Verwaltung und den Brandschutz. Bei den Schulen und Kindertagesstätten ergeben sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Ausgaben (pro Schüler bzw. pro betreutes Kind) zwischen Verwaltungsgemeinschaften und Einheitsgemeinden. Es ist zu berücksichtigen, dass die dargestellten Effizienz-Unterschiede nicht nur durch die Strukturen der beiden Modelle, sondern auch durch andere Faktoren verursacht sind, z. B. durch eine eher ländliche oder eine eher städtische Siedlungsstruktur. Von einer grundsätzlichen Überlegenheit der Einheitsgemeinden hinsichtlich der Effizienz kann daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gesprochen werden.

Bezüglich der Effektivität der gemeindlichen Aufgabenerfüllung ist nicht zuletzt der Umstand von Bedeutung, dass die Wahlbeteiligung in den heutigen Verwaltungsgemeinschaften signifikant höher ausfällt als in den Einheitsgemeinden. Dies ist bei aller Vorsicht als Indiz für eine höhere Identifikation der Bürger mit den Verwaltungsgemeinschaften und das Gefühl zu interpretieren, die eigenen Anliegen hinreichend in die Gemeindeverwaltung hineintragen zu können (dies lässt sich auch mit „niedrigen Frustrationskosten“ umschreiben). 

Hinsichtlich der zukünftigen Herausforderungen, denen Sachsen-Anhalt vor allem aufgrund des demographischen Wandels gegenübersteht, muss die zukünftige Gemeindestruktur dazu in der Lage sein, die vorhandenen Infrastruktureinrichtungen verstärkt zu bündeln. Hierfür ist es unerlässlich, dass die entsprechenden Entscheidungen bei den Bewohnern des Landes eine hinreichende Unterstützung finden. Zugleich wird es in Anbetracht der zunehmenden Ausdünnung der Siedlungsstrukturen zukünftig noch wichtiger als heute sein, auf örtliche Situationsveränderungen flexibel zu reagieren. Die Gutachter sind der Auffassung, dass die notwendige räumliche Konzentration von Infrastruktureinrichtungen sowohl durch Einheitsgemeinden als auch durch Verbandsgemeinden ermöglicht werden kann, nicht aber durch die heutigen Verwaltungsgemeinschaften. Demgemäß wird vorgeschlagen, die heutigen Verwaltungsgemeinschaften durch Verbandsgemeinden oder Einheitsgemeinden zu ersetzen.

Verwaltungsgemeinschaft hat sich bewährt, lässt aber keine weitere Aufgabenübertragungen zu

Theoretisch wäre eine räumliche Konzentration auch innerhalb der Verwaltungsgemeinschaften durch Übertragung von gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ebene des Verwaltungsamts möglich. Allerdings fehlt dem Verwaltungsamt die Qualität der kommunalen Gebietskörperschaft, die aus verfassungsrechtlichen Gründen für die Träger von kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben gegeben sein muss. Teilweise fehlt auch der politische Wille zur Kooperation zwischen den Mitgliedsgemeinden. Demgemäß halten die Gutachter das Modell der Verbandsgemeinde für geeigneter als das Modell der Verwaltungsgemeinschaft. Gegenüber der Einheitsgemeinde hat eine Verbandsgemeinde den Vorteil, die zuvor genannten Aspekte der Unterstützung kommunaler Entscheidungen durch die Bürger sowie flexible Reaktionen auf Situationsveränderungen durch die dezentral organisierten Mitgliedsgemeinden eher zu realisieren und damit auch wesentliche Strukturen der heutigen Verwaltungsgemeinschaften zu sichern.

Der Umstand, dass die Verbandsgemeinden eine Erhöhung der Zahl der Mandatsträger mit sich bringen, sollte aus Sicht der Gutachter nicht zu hoch bewertet werden. Die hiermit verbundenen Mehrkosten sind leicht zu quantifizieren; die erwarteten Minderkosten in anderen Bereichen entziehen sich hingegen einer exakten Vorausberechnung.

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