Vernetzt und aufgefangen

Während der Finanzkrise flossen Milliarden, um Banken zu retten, die ihren Regierungen zufolge zu groß waren als dass man sie hätte untergehen lassen dürfen. Doch eine Studie von Michael Koetter vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und Ko-Autoren zeigt: Nicht nur die Größe der Bankhäuser war für eine Rettung entscheidend. Wesentlich war auch, wie zentral ein Institut im globalen Finanznetzwerk war.

Autoren Michael Koetter

Während der Finanzkrise retteten Regierungen Banken und Versicherungen, die angeb­lich kurz vor dem Zusammenbruch standen. Warum die Regierungschefs sie nicht bankrottgehen ließen, wurde mit dem geflügelten Ausdruck „too big to fail“ begrün­det – die Finanzinstitutionen seien zu groß, um zu scheitern, ein Kollaps würde das Welt­finanzsystem gefährden. Doch es ist nicht nur die Betriebsgröße allein, die eine Bank in den Augen ihrer Regierung systemrelevant macht. Wie Michael Koetter vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) mit seinen Ko-Autoren herausfand, ist außerdem der Vernetzungsgrad mit anderen Finanzinstitutionen elemen­tar. „Eine Bank, die entweder direkt mit vielen anderen Banken vernetzt ist oder, wie eine Art Pförtner, Gruppen weiterer Akteure miteinander verbindet, kann ebenfalls schnell andere Institutionen anstecken“, so Koetter, Leiter der Abteilung Finanzmärkte am IWH.

Der Grad der Vernetzung lässt sich aber oft nicht direkt beobachten und daher schlecht messen. Die Ökonomen leiteten deshalb die Vernetzung indirekt aus besonders star­ken gemeinsamen Preisbewegungen von Prämien für Kreditausfallversicherungen (CDS) und Aktienrenditen mit Hilfe von Extremwerttheorien ab. In einem zweiten Schritt werden sodann besonders zentrale Finanzintermediäre im globalen Finanz­­netzwerk mit Hilfe von Netzwerkmethoden als systemrelevante Akteure identifiziert.

Die Ergebnisse vergleichen die Ökonomen dann mit dem, was im Zuge der Krise tatsäch­lich geschah – konkret also, welche Banken die Regierungen mit öffentlichen Mitteln stützten. Die Ergebnisse zeigen einen eindeutigen Zusammenhang: Je vernetz­ter die Bank vor der Krise war, desto höher war auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie während der Krise von ihrem Staat gerettet wurde. Eine um 1% höhere Vernetzung der Banken erhöhte die Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Rettung um 5,4%. Ver­netzte Institutionen wurden also häufiger als „rettungsbedürftig“ bzw. „rettungs­würdig“ von der Regierung wahrgenommen.

Dabei ist wichtig zu erkennen, dass die Größe einer Bank ebenfalls ein deutlicher und eigenständiger Indikator ist: Steigt die Betriebsgröße um 1%, erhöht sich die Rettungwahr-scheinlichkeit um 9% bis 10%. Die Daten zeigen aber eben auch, dass der Vernetzungsgrad eigenständig viel zusätzliche Erklärungskraft bietet, wenn es um die Frage geht, welche Banken als „systemrelevant“ eingestuft werden.

„Ob die Rettungsmaßnahmen der Staaten aber grundsätzlich effektiv waren, um einen globalen Finanzkollaps zu vermeiden, lässt sich mithilfe dieser Analyse jedoch nicht sagen“, stellt Koetter klar. „Um das zu messen, bräuchten wir eine Situation, in der eine Bank nicht gerettet wird, die aber gerettet werden müsste. Eindeutig ist aber, dass Vernetzungen von Finanzinstitutionen über Landes- und insbesondere Sektorgrenzen hinweg – z. B. zwischen Banken, Versicherungen und Immobilieninvestmentfonds – existieren und von Politikern und Regulatoren im Krisenmodus in den Überlegungen zu Rettungsmaßnahmen berücksichtigt werden. Ich denke deshalb, dass es, so lange es größtenteils nationale legislative und exekutive Organe sind, welche die Finanzarchitektur bestimmen, einen noch stärker integrierten und abgestimmten Ansatz hin­sichtlich der Regulation und Aufsicht der Finanzsysteme unterschiedlicher Länder und Sektoren geben muss, um auch zukünftig Finanzstabilität zu gewährleisten. Die Bemü­hungen zur Einführungen der Europäischen Bankenunion sind dahingehend sicherlich als wichtiger Fortschritt zu werten. Aber meiner Ansicht nach ist noch weitere Finanz­markt – und somit vermutlich auch politische – Integration in Eu­ropa und der Welt bitter nötig“, sagt Koetter.

Die Studie greift auf CDS-Spreads für insgesamt 186 Finanzinstitutionen und Aktienkurs­daten für 164 Institutionen weltweit zurück. Die meisten der Institutionen sind Banken, gefolgt von Versicherungen, Treuhandgesellschaften und Finanz­inter­mediären anderer Sektoren.

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Zugehörige Publikationen

cover_journal-of-business-_-economic-statistics.png

Too Connected to Fail? Inferring Network Ties from Price Co-movements

Jakob Bosma Michael Koetter Michael Wedow

in: Journal of Business and Economic Statistics, 1, 2019

Abstract

We use extreme value theory methods to infer conventionally unobservable connections between financial institutions from joint extreme movements in credit default swap spreads and equity returns. Estimated pairwise co-crash probabilities identify significant connections among up to 186 financial institutions prior to the crisis of 2007/2008. Financial institutions that were very central prior to the crisis were more likely to be bailed out during the crisis or receive the status of systemically important institutions. This result remains intact also after controlling for indicators of too-big-to-fail concerns, systemic, systematic, and idiosyncratic risks. Both credit default swap (CDS)-based and equity-based connections are significant predictors of bailouts. Supplementary materials for this article are available online.

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