Was die Bankenunion blockiert

Die Europäische Kommission will den Europäischen Bankensektor besser regulieren und überwachen. In vielen EU-Mitgliedstaaten werden die dafür notwendigen Richtlinien aber nur sehr zögerlich umgesetzt. Die Hintergründe liegen überraschenderweise kaum im Bereich der Politik und Bankenstruktur, sondern bei den institutionellen Rahmenbedingungen und den schon existierenden Regulierungen in den Mitgliedstaaten, wie Michael Koetter, Thomas Krause und Lena Tonzer vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) herausfanden.

Autoren Michael Koetter

Die Europäische Bankenunion hat sich zum Ziel gesetzt, die Bankenregulierung über Ländergrenzen hinweg zu harmonisieren, um die Finanzstabilität in der Europäischen Union (EU) zu stärken. Ziel ist es, dass Steuerzahler zukünftig nicht mehr für die Rettung insolventer Banken aufkommen müssen. Um das zu erreichen, baut die Bankenunion auf drei Säulen auf: Erstens eine gemeinsame Bankenaufsicht, welche die wichtigsten Banken im Euroraum überwachen soll. Zweitens ein einheitlicher Mechanismus, um insolvente Geldhäuser abzuwickeln und Regeln für die Übernahme von Verlusten durch die Gläubiger der Bank aufzustellen. Und drittens einheitliche Vorgaben für die Einlagensicherung.

Die meisten Mitgliedsländer der EU haben es versäumt, die Richtlinien innerhalb der von der Europäischen Kommission gesetzten Frist umzusetzen. Insbesondere Belgien, Litauen, Polen und Slowenien haben viel Zeit verstreichen lassen, bis sie die Richtlinien in nationale Gesetzgebung überführt haben. Am schnellsten waren hingegen Deutschland und Österreich.

Diese Verzögerung kann verschiedene Gründe haben: „Regierungen möchten unter Umständen ihren nationalen Bankensektor vor schärferen Regulierungen schützen oder sind prinzipiell abgeneigt, weitere Kompetenzen an die EU abzugeben. Möglich sind aber auch technische Hürden, wenn das nationale Bankensystem, auf das die neuen Richtlinien anzuwenden sind, sehr komplex ist“, so Ökonom Koetter, Leiter der Abteilung Finanzmärkte am IWH. Die Forschergruppe zog aber auch noch weitere Möglichkeiten in Betracht: „Existierende Regulierungen oder auch politische und institutionelle Rahmenbedingungen könnten ebenfalls für die Verzögerungen verantwortlich sein, beispielsweise wenn der fiskalische Handlungsrahmen eines Mitgliedstaates eingeschränkt ist oder wenn besonders viele Parteien und Instanzen an der Entscheidungsfindung beteiligt sind. Möglich sind auch Unterschiede in der Effizienz der Rechtssysteme in den Mitgliedstaaten. Daher haben wir eine ganze Reihe von Optionen untersucht“, so Koetter.

Unter den vielen möglichen Erklärungen waren es vor allem die nationalen Regulierungen, die einer schnellen Umsetzung im Weg standen. Die Forschenden fanden heraus, dass sich der Prozess stärker verzögert, je strikter der Finanzmarkt reguliert ist – möglicherweise, weil sich ein bereits stark reguliertes Bankensystem stärker anpassen muss. Wenn hingegen bereits bestehende Regelungen kompatibel mit den neuen Richtlinien sind, die entsprechende Säule der Bankenunion sozusagen auf bestehenden Regularien aufbaut, wird der Prozess begünstigt. Auch politische Faktoren erklärten die Verzögerung, allerdings nicht so stark wie der Grad an Regulierung. „Insbesondere die Anzahl der politischen Parteien in einem Land spielen eine Rolle. Scheinbar verlangsamt sich die Umsetzung der Bankenunion dann, wenn viele Parteien am Entscheidungsprozess beteiligt sind“, erläutert Koetter.

Die Bankenunion wird nur dann erfolgreich werden, wenn trotz nationaler Unterschiede die Richtlinien ohne größere weitere Verzögerungen einheitlich umgesetzt werden und die Bankenunion damit effektiv arbeiten kann. Nur so werden die Marktakteure die Bankenunion als Institution anerkennen und ihr Risikoverhalten entsprechend anpassen.

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Zugehörige Publikationen

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Welche Faktoren verzögern die Umsetzung der Bankenunion?

Michael Koetter Thomas Krause Lena Tonzer

in: Wirtschaft im Wandel, 1, 2018

Abstract

Die Europäische Kommission hat weitreichende Reformen zur Regulierung und Überwachung des europäischen Bankensektors beschlossen, um die Stabilität europäischer Banken zu gewährleisten. In den meisten Mitgliedsländern verzögert sich allerdings die Umsetzung der zugrunde liegenden Richtlinien der Europäischen Kommission. Dieser Beitrag geht den Gründen für diese Verzögerung nach. Es zeigt sich, dass insbesondere bereits existierende Regulierungen und institutionelle Rahmenbedingungen das Tempo der Umsetzung entscheidend bestimmen. Entgegen populären Meinungsäußerungen sind die Struktur der Bankensektoren in den Mitgliedstaaten und politische Faktoren hingegen von nachrangiger Bedeutung.

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Delay Determinants of European Banking Union Implementation

Michael Koetter Thomas Krause Lena Tonzer

in: IWH Discussion Papers, 24, 2017
publiziert in: European Journal of Political Economy

Abstract

To safeguard financial stability and harmonise regulation, the European Commission substantially reformed banking supervision, resolution, and deposit insurance via EU directives. But most countries delay the transposition of these directives. We ask if transposition delays result from strategic considerations of governments conditional on the state of their financial, regulatory, and political systems? Supervisors might try to protect national banking systems and local politicians maybe reluctant to surrender national sovereignty to deal with failed banks. Alternatively, intricate financial regulation might require more implementation time in large and complex financial and political systems. We therefore collect data on the transposition delays of the three Banking Union directives and investigate observed delay variation across member states. Our correlation analyses suggest that existing regulatory and institutional frameworks, rather than banking market structure or political factors, matter for transposition delays.

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