Inhalt
Seite 1
Effekte der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns: Eine Fallstudie für das Handwerk in Sachsen-Anhalt
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Die Befragung der Handwerksbetriebe in Sachsen-Anhalt: Ausgewählte Ergebnisse
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Fazit
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Die Befragung der Handwerksbetriebe in Sachsen-Anhalt: Ausgewählte Ergebnisse

In 16,9% der Betriebe gab es Mitarbeiter, deren Stundenlohn unter 8,50 Euro lag und zum 1. Januar 2015 auf 8,50 Euro angehoben werden musste (vgl. Tabelle 1). Der Anteil der von der Mindestlohnregelung betroffenen Beschäftigten in den Handwerksbetrieben lag bei 7,7%. Der Anteil der betroffenen Betriebe nimmt tendenziell mit der Betriebsgröße zu. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Zahl der zu einer Größengruppe gehörenden Betriebe mit der Betriebsgröße abnimmt. Aufgrund der Mindestlohnregelung mussten 7,6% der Handwerksbetriebe Lohnerhöhungen von 1,00 bis 1,99 Euro pro Stunde vornehmen. Lohnsteigerungen von mehr als 2,00 Euro pro Stunde gab es nur in 2,6% der Betriebe.12 Bezüglich der Mindestlohnbetroffenheit bestehen auch zwischen den Gewerken erhebliche Unterschiede. So ist das Bauhauptgewerbe am wenigsten betroffen, während dies im Lebensmittelgewerbe fast drei Fünftel der Betriebe sind. Die Ursache dafür liegt darin, dass in einigen Gewerken bereits vor der Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns – teilweise deutlich – höhere branchenspezifische Mindestlöhne zur Anwendung kamen. Zu beachten ist auch, dass die Gewerke mit einer hohen Mindestlohnbetroffenheit ein relativ geringes Gewicht an der Zahl der Handwerksunternehmen bzw. den Beschäftigten hatten. So betrug der Anteil des Lebensmittelgewerbes an den Handwerksunternehmen insgesamt 3,5% und an den Beschäftigten 8,5%.13

Die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns kann neben Lohnerhöhungen auch andere Effekte haben. Von den Handwerksbetrieben in Sachsen- Anhalt gaben fast 19,6% an, dass ihre Lieferanten ihre Preise erhöht haben (vgl. Tabelle 2). Auch die Zunahme der Bürokratie und geringere Gewinne wurden an vorderer Stelle als negative Effekte genannt.

Auf die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns haben die betroffenen Betriebe mit verschiedenen Ausweichstrategien reagiert.14 Mehr als zwei Drittel der Handwerksbetriebe, die durch die Mindestlohneinführung direkt oder indirekt betroffen waren, gaben an, dass sie auf die mindestlohninduzierte Kostensteigerung mit Preiserhöhungen reagiert haben (vgl. Tabelle 3).

Welche Reaktionen gab es auf die Mindestlohneinführung?

Bei der Kausalanalyse zur Ermittlung der Beschäftigungseffekte wurde geprüft, ob die Beschäftigungsentwicklung in den Handwerksunternehmen, die vom Mindestlohn direkt betroffen waren, signifikant anders war als in den nicht bzw. weniger vom Mindestlohn betroffenen Betrieben. [15] Dabei wurde die Betroffenheit der Handwerksbetriebe mit drei verschiedenen Maßen getestet: Beim ersten Betroffenheitsmaß wurde nur unterschieden, ob der Betrieb überhaupt von Lohnerhöhungen durch die Mindestlohneinführung betroffen ist oder nicht. Beim zweiten Maß wurde der Anteil der Beschäftigten mit Mindestlohn an allen Beschäftigten des Betriebs gebildet, und beim dritten Maß wurde zusätzlich der Anteil der von der Mindestlohneinführung betroffenen Beschäftigten mit der durchschnittlichen Lohnerhöhung gewichtet. Insgesamt zeigten sich bei keinem der drei Betroffenheitsmaße signifikante Mindestlohneffekte auf die Beschäftigung. Das heißt, in den Betrieben, die aufgrund der Mindestlohneinführung ihre Löhne erhöhen mussten, hat sich die Zahl der Beschäftigten nach der Mindestlohneinführung nicht anders entwickelt als in den Betrieben, die ihre Löhne nicht erhöhen mussten.

Eine Erklärung dafür dürften die in Tabelle 3 aufgeführten Anpassungsreaktionen der Handwerksbetriebe sein. Um zu testen, ob die in der Befragung angegebenen Ausweichreaktionen tatsächlich in Zusammenhang mit der Mindestlohnbetroffenheit stehen, wurde jede betriebliche Reaktionsmöglichkeit auf die drei Mindestlohnvariablen regressiert.

Signifikante Zusammenhänge zeigten sich besonders bei der Erhöhung der Absatzpreise, außerdem bei der Streichung freiwilliger Lohnbestandteile und der Zurückhaltung bei Lohnerhöhungen oberhalb von 8,50 Euro. [16] Hingegen gibt es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Mindestlohnbetroffenheit und der Entlassung von Beschäftigten.

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