Inhalt
Seite 1
Weltwirtschaft
Seite 2
Konjunktur in Deutschland
Seite 3
Zur Wirtschaftspolitik Auf einer Seite lesen

Die Finanzpolitik setzt im Jahr 2019 einen recht kräftigen Impuls von 0,7% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. Dieser wirkt vor allem über Entlastungen bei der Einkommensteuer und durch Mehrleistungen der Rentenversicherung. Auch die Investitionsausgaben der öffentlichen Hand expandieren weiter, wenn auch nicht so kräftig wie im Jahr 2018, in dem die Budgets für Baumaßnahmen nominal um über 10% aufgestockt worden waren. Im Jahr 2020 fällt der finanzpolitische Impuls mit 0,4% deutlich geringer aus. Der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo sinkt in Relation zum Bruttoinlandsprodukt von 1,7% im vergangenen Jahr auf 1,2% (2019) und 1,0% (2020). Bereinigt um Konjunktur- und Einmaleffekte ergeben sich gemäß modifizierter EU-Methode Finanzierungssalden in Relation zum Produktionspotenzial von 1,1% (2019) und 0,8% (2020), nach 1,3% im Jahr 2018.

Die konjunkturelle Abkühlung wirft die Frage nach den finanzpolitischen Konsequenzen auf. In der öffentlichen Debatte steht bislang die „Schwarze Null“ für den Saldo des Bundeshaushalts im Vordergrund. Zudem wird die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erneut kontrovers diskutiert. Beide Konzepte sollten klar auseinandergehalten werden, weil bei der Schuldenbremse der strukturelle Finanzierungssaldo und nicht – wie bei der „Schwarzen Null“ – der nominale Finanzierungssaldo maßgeblich ist. Die Politik sollte die automatischen Stabilisatoren wirken lassen und nicht um der „Schwarzen Null“ willen der Konjunktur hinterhersparen. Konjunkturbedingte Defizite lassen die deutsche Schuldenbremse und das europäische fiskalpolitische Regelwerk ausdrücklich zu.

Zwar werden sich die Überschüsse der öffentlichen Haushalte konjunkturbedingt verringern, die strukturellen Überschüsse bleiben jedoch zunächst beträchtlich. Allerdings hat die Politik in den zurückliegenden „fetten“ Jahren rentenpolitische Leistungsausweitungen beschlossen, die die strukturellen Haushaltsüberschüsse bei geltendem Recht mittelfristig aufzehren werden. Damit schafft die deutsche Wirtschaftspolitik Risiken, indem sie die langfristige Stabilität der gesetzlichen Rentenversicherung durch Leistungsausweitungen erheblich belastet, die aus dem Beitragsaufkommen nicht zu finanzieren sein werden. Dies lässt Steuererhöhungen erwarten, die den Investitionsstandort Deutschland beeinträchtigen. Zugleich verringern die Leistungsausweitungen den Spielraum an anderer Stelle. So sind Investitionen in Forschung, Bildung und Infrastruktur angesichts des schärfer werdenden internationalen Standortwettbewerbs dringender denn je. Zudem erfordert der demographische Wandel umso mehr eine Politik, die bei sozialpolitischen Maßnahmen auch ihre Wirkung auf die Arbeitsanreize in den Blick nimmt.

Wesentliche Risiken für die deutsche Konjunktur kommen schon seit einiger Zeit aus dem internationalen Umfeld: Die von den USA ausgehenden Handelskonflikte könnten in nächster Zeit wieder eskalieren, und es könnte zu einem vertraglich nicht geregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union kommen. In beiden Fällen würden politische Entscheidungen die internationale wirtschaftliche Integration beschädigen. Die deutsche Wirtschaft wäre davon besonders betroffen, denn die USA und Großbritannien gehören zu ihren wichtigsten Partnerländern. Hinzu kommt, dass die Einschätzung der Konjunktur in China, dem nach den USA und Frankreich wichtigsten Abnehmerland für deutsche Warenexporte, gegenwärtig besonders unsicher ist.

Die internationalen Konjunkturrisiken treffen in besonderem Maß die Automobilwirtschaft. Zum einen träfen die angedrohten Zollerhöhungen der USA die deutschen Autoexporte erheblich. Zum anderen haben sowohl der britische als auch der chinesische Absatzmarkt eine große Bedeutung für die deutschen Hersteller. Es kommen aber noch weitere Risiken für den Wirtschaftszweig hinzu: Dass sich dessen Produktion nach dem Einbruch infolge der WLTP-Einführung nur schleppend erholt, könnte darauf hindeuten, dass die Automobilindustrie nicht nur mit kurzfristigen Absatzproblemen zu kämpfen hat. Hier mögen die Kontroversen um die Umweltfreundlichkeit konventioneller Fahrzeuge eine Rolle spielen. Sie könnten sich in einem Attentismus der Kunden niederschlagen und auch Umstellungen in Produktionsprozessen er¬zwingen, die nicht reibungslos verlaufen dürften. Aufgrund der Bedeutung des Automobilbaus für die deutsche Wirtschaft ist dieses Risiko nicht nur branchenspezifisch, sondern hat gesamtwirtschaftlich Gewicht.

Ein Aufwärtsrisiko für die Prognose ergibt sich daraus, dass die Institute das Ausmaß der Erholung im Verarbeitenden Gewerbe unterschätzen könnten, denn die Sonderfaktoren erschweren die Diagnose der konjunkturellen Grundtendenz. Sollten die Produktionseinbrüche rascher aufgeholt werden, so dürfte das Bruttoinlandsprodukt vorübergehend mit deutlich höheren Raten expandieren als von den Instituten erwartet.

Eine geringere wirtschaftliche Dynamik könnte sich ergeben, falls die Produktion aufgrund von Fachkräftemangel und Lieferengpässen stärker als von den Instituten erwartet behindert wird. Umfragen zufolge haben sich diese Produktionsbehinderungen seit Mitte des vergangenen Jahres zwar deutlich zurückgebildet. Allerdings ist der Anteil der Unternehmen, die von Fachkräftemangel und Lieferengpässen berichten, nach wie vor auf ungewöhnlich hohem Niveau.

Ihr Kontakt

Für Wissenschaftler/innen

Für Journalistinnen/en

Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft LogoTotal-Equality-LogoGefördert durch das BMWK