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Die deutsche Wirtschaft wird von der krisenhaften Zuspitzung auf den Gasmärkten schwer belastet. Die hochgeschnellten Gaspreise erhöhen die Energiekosten drastisch und gehen mit einem massiven gesamtwirtschaftlichen Kaufkraftentzug einher. Dies dämpft nicht nur die noch unvollständige Erholung von der Corona-Krise, sondern drückt die deutsche Wirtschaft in die Rezession.

Durch die reduzierten Gaslieferungen aus Russland ist ein erheblicher Teil des Angebots weggefallen und auch das Risiko gestiegen, dass die verbleibenden Liefer- und Speichermengen im Winter nicht ausreichen, um die Nachfrage zu decken. Dadurch sind die Gaspreise in den Sommermonaten in die Höhe geschossen. Die Unternehmen haben bereits damit begonnen, ihren Gasverbrauch spürbar einzuschränken. Auch wenn die Institute für den kommenden Winter bei normalen Witterungsbedingungen mit keiner Gasmangellage rechnen, bleibt die Versorgungslage äußerst angespannt.

Die gestiegenen Energiepreise verstärken den Preisauftrieb, der bereits in der Corona-Pandemie eingesetzt hat. Durch die Corona-Schutzmaßnahmen wurden die internationalen Lieferketten erheblich gestört, was mit steigenden Preisen für Rohstoffe und Vorprodukte einherging. Diese Preissteigerungen wurden an die Verbraucher weitergegeben. Die sehr expansive Geld- und Finanzpolitik hat den Preisauftrieb zusätzlich verstärkt. Dadurch steigen die Verbraucherpreise auf breiter Front. Inzwischen haben die Inflationsraten Werte erreicht, die sogar noch über die Hochinflationsphasen in den 1970er und frühen 1980er Jahren hinausgehen.

Die stark steigenden Verbraucherpreise schmälern die Kaufkraft der privaten Haushalte. Dass der private Konsum dennoch im ersten Halbjahr deutlich ausgeweitet wurde, liegt daran, dass die privaten Haushalte weniger sparen. Hierbei greifen einige wohl auch auf die während der Pandemie aufgestauten Mittel zurück, nicht zuletzt, um die während dieser Zeit entbehrten Dienstleistungen wieder vermehrt nachzufragen. Inzwischen haben sich die Konsumaussichten aber stark eingetrübt. Die durch die verzögerte Preisweitergabe bei Gas und Strom weiterhin hohe Inflation wird die real verfügbaren Einkommen bis in das kommende Jahr hinein deutlich sinken lassen. Der massive Kaufkraftentzug dürfte dazu führen, dass der private Konsum bis zum Sommer des kommenden Jahres zurückgeht und sich erst in der zweiten Hälfte des Prognosezeitraums wieder erholen wird.

Die Unternehmen sind von den stark steigenden Energiepreisen sehr unterschiedlich betroffen. Derzeit gelingt es vielen, die Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben. Deutlich stärker von der Krise am Gasmarkt betroffen sind die energieintensiven Unternehmen, allen voran in der chemischen Industrie. Um die Kosten zu senken, haben viele Unternehmen damit begonnen, ihren Gasverbrauch zu verringern. Dies ist zum einen durch Substitution von Gas durch andere Produktionsfaktoren geschehen. Zum anderen wurde vor allem in der chemischen Industrie die Produktion deutlich gedrosselt. Infolge rückläufiger Kaufkraft der privaten Haushalte kommen vermehrt auch die konsumnahen Wirtschaftsbereiche unter Druck.

Insgesamt dürfte die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal bereits leicht gesunken sein. Im Winterhalbjahr ist aufgrund der steigenden Kostenbelastung durch Energie, der nachlassenden Konsumnachfrage und der schwächelnden Weltwirtschaft mit einem deutlichen Rückgang zu rechnen. Dass dieser nicht noch kräftiger ausfällt, ist dem hohen Auftragspolster im Verarbeitenden Gewerbe zu verdanken. Mit den nachlassenden Lieferengpässen und der rückläufigen Teuerung dürfte die Wertschöpfung in den kommenden beiden Jahren wieder ausgeweitet werden.

Die Produktion in diesem Jahr dürfte trotz des Rückgangs in der zweiten Jahreshälfte um 1,4% ausgeweitet werden. Damit halbieren die Institute ihre Prognose vom Frühjahr für dieses Jahr annähernd. Für das kommende Jahr prognostizieren sie einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,4%. Im Frühjahr erwarteten die Institute für das Jahr 2022 noch einen Anstieg von 3,1%. In dieser Revision zeigt sich das Ausmaß der Energiekrise. So fällt die Wirtschaftsleistung im laufenden und kommenden Jahr insgesamt um 160 Mrd. Euro niedriger aus, als noch im Frühjahr erwartet worden war. Im Jahr 2024 legt das Bruttoinlandsprodukt um 1,9% zu. Die Inflationsrate dürfte sich in den kommenden Monaten weiter erhöhen. Jahresdurchschnittlich ergibt sich für das Jahr 2023 mit 8,8% eine Teuerungsrate, die leicht über dem Wert des laufenden Jahres (8,4%) liegt. Erst im Jahr 2024 wird die 2%-Marke allmählich wieder erreicht.

Vom Arbeitsmarkt geht eine stabilisierende Wirkung für die konjunkturelle Entwicklung aus. Zwar dürfte die Nachfrage nach neuen Arbeitskräften angesichts der krisenbedingten Schwächephase zurückgehen. Die Unternehmen werden aufgrund des Fachkräftemangels in vielen Bereichen aber bestrebt sein, den vorhandenen Personalbestand zu halten, so dass die Erwerbstätigkeit vorübergehend nur geringfügig sinken dürfte. Bei fortschreitender Erholung ist dann wieder mit einem Aufbau der Beschäftigung zu rechnen.

Die Bundesregierung hat im Laufe dieses Jahres bislang drei Entlastungspakete auf den Weg gebracht, um die Belastungen durch die steigenden Energiepreise für Unternehmen und private Haushalte abzufedern. Zu den Maßnahmen, die bereits in diesem Jahr wirken, gehören die Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gas sowie Direktzahlungen an private Haushalte und Unternehmen. Die Maßnahmen des dritten Entlastungspakets werden vor allem im kommenden Jahr wirken. So sind Anpassungen am Einkommensteuertarif zum Abbau der kalten Progression geplant. Zudem sollen mit der Einführung des Bürgergeldes Transfers erhöht und an weniger Bedingungen geknüpft werden.

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