Expansive Finanzpolitik kaschiert Wachstumsschwäche
Deutschland befand sich in den vergangenen zwei Jahren in der Rezession. Die jüngst stark revidierten Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zeigen, dass die Krise deutlich ausgeprägter war als bislang ausgewiesen. Mit einer Stagnation in der ersten Hälfte dieses Jahres dürfte die deutsche Wirtschaft die konjunkturelle Talsohle erreicht haben. Eine breit angelegte Erholung ist allerdings nicht zu erwarten, denn grundlegende strukturelle Schwächen dauern an.
Die Konjunktur dürfte in den kommenden zwei Jahren durch die Finanzpolitik expansive Impulse erfahren. Während die Dienstleistungsbereiche, insbesondere im öffentlichen Sektor, weiterhin kräftig zulegen, wird die Erholung im Produzierenden Gewerbe wohl nur verhalten ausfallen. Vor allem dürfte sich die Auslandsnachfrage nach deutschen Waren nicht zuletzt infolge der US-Zollpolitik weiterhin nur schleppend entwickeln. Die geplanten öffentlichen Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur können dies nur begrenzt abfedern, denn ein erheblicher Teil der Mittel fließt in gesamtwirtschaftlich kleine Bereiche, in denen die bestehenden Kapazitäten bereits gut ausgelastet sind. Insgesamt dürfte es in den kommenden beiden Jahren zu Kapazitätsausweitungen und entsprechenden privaten Investitionen kommen.
Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr mit einem Anstieg um 0,2 % kaum mehr als stagnieren. Im weiteren Prognosezeitraum dürfte eine expansive Finanzpolitik die Konjunktur anschieben. Im kommenden Jahr steigt das Bruttoinlandsprodukt um 1,3 % und im Jahr 2027 um 1,4 %. Damit lassen die Institute ihre Prognose für das laufende und kommende Jahr im Vergleich zum Frühjahr in etwa unverändert.
25. September 2025
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Zwölf-Punkte-Kompass zur Überwindung der deutschen Wachstumsschwäche Auf einer Seite lesen
Die Weltwirtschaft steht im Herbst 2025 weiterhin stark unter dem Einfluss der US-Zollpolitik. Neue Handelsvereinbarungen, auch mit der EU, haben zwar etwas Planungssicherheit geschaffen, zugleich aber das deutlich höhere Zollniveau dauerhaft verankert. Trotz dieser Belastung und der anhaltend großen Unsicherheit zeigte sich die Weltkonjunktur bislang erstaunlich robust, gestützt vor allem durch erhebliche Vorziehimporte. Doch diese Sondereffekte dürften bald an Wirkung verlieren, sodass die Zölle Handel und Produktion in den kommenden Monaten immer deutlicher belasten.
Nach einer Phase gemeinsamer Zinssenkungen haben sich die Leitzinsen der großen Notenbanken seit Ende 2024 deutlich auseinanderentwickelt. Die EZB hat ihren Einlagensatz schrittweise auf 2,0 % gesenkt, womit ihre Geldpolitik nun als weitgehend neutral gilt. In den USA dagegen liegt das Zinsniveau trotz einer jüngsten Senkung um 25 Basispunkte mit nun 4,0 % bis 4,25 % weiterhin deutlich höher. Dort zieht die Inflation zugleich wieder an, nicht zuletzt infolge der Zölle, während sie im Euroraum weitgehend im Einklang mit dem 2 %-Ziel der Notenbank verläuft.
Die internationale Finanzpolitik dürfte im Prognosezeitraum insgesamt leicht dämpfend wirken. In den USA bleibt das Haushaltsdefizit voraussichtlich hoch; zusätzliche Zolleinnahmen dürften es nur geringfügig verringern. Im Euroraum ergibt sich insgesamt wohl eine neutrale Wirkung, auch weil gelockerte Fiskalregeln mehr Spielraum für Verteidigungsausgaben eröffnen. Deutschland hingegen setzt einen klar expansiven Impuls und unterscheidet sich damit deutlich von den übrigen Mitgliedstaaten.
Die Weltproduktion wird im Prognosezeitraum voraussichtlich an Tempo verlieren. Für 2025 rechnen die Institute mit Zuwachsraten von 2,6 % und für 2026 von 2,3 %, bevor 2027 eine leichte Erholung auf 2,5 % erwartet wird. Die fortgeschrittenen Volkswirtschaften dürften dabei mit 1,5 % bis 1,7 % nur moderat expandieren, während die Schwellenländer voraussichtlich mit über 4 % deutlich dynamischer bleiben. Im Euroraum stützen steigende Realeinkommen und günstigere Finanzierungsbedingungen die Konjunktur, zugleich dämpfen aber Zölle und der starke Euro die Exportwirtschaft. In den USA werden die hohen Zölle wohl Produktivität, Konsum und Wachstum belasten, sodass die Konjunktur in diesem Jahr spürbar schwächer ausfällt. Ab dem kommenden Jahr dürfte sie jedoch wieder etwas anziehen, gestützt durch Zinssenkungen und weiterhin starke Investitionen in Künstliche Intelligenz. In China dürfte sich die robuste Expansion abschwächen, gebremst durch die anhaltende Immobilienkrise und die Belastungen der US-Zölle für den Außenhandel.
Die Risiken für die Weltwirtschaft bleiben hoch. Neben geopolitischen Konflikten stehen handelspolitische Unsicherheiten im Vordergrund, da das Abkommen zwischen der EU und den USA noch nicht umgesetzt ist und mit China weiterhin keine Einigung erzielt wurde. Darüber hinaus könnten die drastisch erhöhten US-Zölle preistreibender wirken als angenommen. Zugleich verändert die neue Rolle Chinas die globalen Produktionsmuster, und die unzureichende Budgetkonsolidierung in einigen Europäischen Ländern wirft Zweifel an der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen auf.