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IWH-Flash-Indikator I. Quartal und II. Quartal 2022

Nach der wirtschaftlichen Erholung im Sommerhalbjahr kam es im vierten Quartal 2021 wieder zu einem kräftigen Rückschlag. Das Bruttoinlandsprodukt sank um 0,7%, nachdem es im Vorquartal trotz der Probleme durch Lieferengpässe noch um 1,7% zugelegt hatte. Der Aufschwung wird wohl auch im ersten Quartal 2022 gedämpft sein, da die Infektionszahlen in Deutschland anders als in einigen anderen europäischen Ländern derzeit kräftig steigen und noch starke Pandemierestriktionen gelten. Auch die anhaltend kräftige Inflation dürfte Bremsspuren bei den wirtschaftlichen Aktivitäten hinterlassen. Insgesamt wird die Wirtschaft in Deutschland laut IWH-Flash-Indikator im ersten Quartal 2022 um 0,7% zurückgehen und im zweiten Quartal 2022 um 2,0% zulegen (vgl. Abbildung 1).

08. Februar 2022

Autoren Katja Heinisch Oliver Holtemöller Axel Lindner Birgit Schultz

Im vierten Quartal 2021 gingen die privaten Konsumausgaben zurück, da die Kauflust der privaten Haushalte durch strengere Pandemierestriktionen gedämpft wurde. So wurden durch die 2G/2G+Maßnahmen nicht nur Ungeimpfte von bestimmten Aktivitäten ausgeschlossen, sondern auch ein Teil der Geimpften verzichtete aufgrund der verpflichtenden Zugangskontrollen und der gestiegenen Ansteckungsgefahr auf einen Teil der Aktivitäten. Es zeichnet sich ab, dass die derzeit vorherrschende Omikron-Variante zwar selbst für Geimpfte hoch ansteckend ist, zumeist aber nur milde Krankheitsverläufe zur Folge hat. Daher werden in mehreren Ländern Europas die bisherigen Corona-Schutzmaßnahmen fast vollständig aufgehoben bzw. stark gelockert. „Bislang gibt es wenig Anzeichen dafür, dass man dem in Deutschland folgt, sodass die privaten Haushalte wohl noch eine Weile Konsumzurückhaltung üben werden müssen“, meint Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Dies zeigt sich auch in der von der GfK erhobenen Verbraucherstimmung zu Beginn des Jahres 2022, die deutlich rückläufig ist. Ebenso dürfte die derzeit kräftige Inflation die Kauflaune der Konsumenten dämpfen. Allerdings gibt es laut ifo Konjunkturumfrage im Handel eine Stimmungsaufhellung der Geschäftserwartungen.

Auch im Bauhauptgewerbe scheinen sich die Aussichten wieder leicht aufzuhellen. Diese hatten sich durch Materialengpässe, stark steigende Preise und Rückgänge bei den Auftragseingängen im vierten Quartal 2021 deutlich verschlechtert. Im Verarbeitenden Gewerbe verbesserte sich die Stimmung bereits seit Ende 2021. So stiegen die Auftragseingänge im Dezember 2021 vor allem bei den Investitionsgütern an und könnten auf einen beginnenden Aufschwung hindeuten. Auch der IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) zeigt für Januar 2022 einen Aufwärtstrend bei der Produktion, dem Auftragseingang und der Beschäftigung. Diesen Optimismus teilen auch die vom ZEW befragten Finanzmarktexperten und -expertinnen. „Mit dem langsamen Auflösen der Lieferengpässe und dem Anziehen der Weltwirtschaft kann auch die deutsche Industrie wieder an Fahrt gewinnen. Das Potenzial für einen kräftigen Produktionsanstieg ist da, allerdings gibt es derzeit noch viele Risikofaktoren, sei es die Verknappung von Energie oder nochmalige Unterbrechungen der Lieferketten“, sagt Oliver Holtemöller.

Das außenwirtschaftliche Umfeld hat sich zuletzt wieder eingetrübt. Zwar belebten sich Welthandel und Industrieproduktion im Herbst, und sowohl in den USA als auch in China expandierte die Produktion im Schlussquartal recht kräftig. Im Januar sind die Stimmungsindikatoren aber in wichtigen Partnerländern deutlich zurückgegangen. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die Rekordzahl an Corona-Infektionszahlen führt trotz häufig milder Verläufe weltweit zu einem vorübergehenden Ausfall von Arbeitskräften und erhöht das Risiko von harten Lockdown-Maßnahmen in China. Die hohe Inflationsdynamik vor allem in den USA und in Europa senkt die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern und wird bald die US-Notenbank, in absehbarer Zeit aber auch die Europäische Zentralbank (EZB) zu restriktiven Maßnahmen veranlassen. Schon jetzt führt die Erwartung steigender Zinsen zu Turbulenzen auf den Finanzmärkten. Was die Inflation vor allem treibt, sind die starken Energiepreisanstiege, welche auch auf die Gefahr eines militärischen Konflikts zwischen Russland und der Ukraine zurückgehen. Es ist deshalb insgesamt mit einem weltwirtschaftlich schwachen ersten Quartal zu rechnen. Sollte sich der Russland-Ukraine-Konflikt nicht weiter verschärfen, und sollten die Infektionsraten im Frühjahr mit dem Temperaturanstieg in der nördlichen Hemisphäre deutlich zurückgehen, dürfte sich die Weltkonjunktur wieder beleben.

Der IWH-Flash-Indikator basiert auf über 150 Einzelindikatoren sowie verschiedener Transformationen. Für die zeitliche Verteilung der wirtschaftlichen Aktivität auf die Quartale werden zusätzlich Informationen aus den Mobilitätsdaten von Google (COVID-19 Community Mobility Reports) berücksichtigt. Abbildung 2 zeigt die Verteilung all dieser auf jeweils einem Indikator basierenden Prognosen für die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts im ersten und zweiten Quartal 2022. Alles in allem signalisiert der IWH-Flash-Indikator einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal 2022 um 0,7% und einen kräftigen Zuwachs im zweiten Quartal um 2,0%.

[Die Zeitreihe mit den historischen Daten des Flash-Indikators sowie eine Beschreibung der Methodik finden Sie im Download-Bereich.]

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