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IWH-Flash-Indikator III. Quartal und IV. Quartal 2020

Die Corona-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft im Frühjahr 2020 in eine tiefe Rezession gerissen. Das Bruttoinlandsprodukt sank im zwei­ten Quartal 2020 um 10,1%, nach einem Rückgang von 2,0% im Quartal zuvor. Dieser massive Wirtschaftseinbruch war insbesondere den Lockdown-Maßnahmen geschuldet, die das öffentliche und wirtschaft­liche Leben zeitweise auf ein Minimum reduzierten. Seit Anfang Mai wurden die Restriktionen zur Eindämmung der Pandemie gelockert, und die wirtschaftlichen Aktivitäten haben wieder deutlich zugenom­men. Der Tiefpunkt der Rezession ist also durchschritten, allerdings dürfte die Rückkehr zum Vorkrisenniveau auch aufgrund der wieder höheren Fallzahlen und der damit verbundenen Unsicherheit noch länger auf sich warten lassen. Die Wirtschaft dürfte im dritten Quartal 2020 um 4,6% und im vierten Quartal dann um 4,0% expandieren. (vgl. Abbildung).

18. August 2020

Autoren Katja Heinisch Oliver Holtemöller Axel Lindner Birgit Schultz

Die Industrie hat ihre Tätigkeiten nach den drastischen Produktionsausfällen infolge des Lockdown, die ihren Höhepunkt im April 2020 hatten, wieder deutlich ausgeweitet. Im Juni wurden 87% des Produktionsniveaus vom 4. Quartal 2019 erreicht. Das Baugewerbe, das kaum von den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie betroffen war, expandierte zuletzt nur wenig. Die Einzelhandelsumsätze waren in Mai und Juni 2020 sogar höher als vor dem Lockdown. Das Gastgewerbe konnte hingegen bis Juni, auch aufgrund fehlender ausländischer Gäste, noch nicht wieder aufschließen. „Der Tiefpunkt der Rezession dürfte damit erst einmal überwunden sein und eine konjunkturelle Erholungsphase beginnen“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Dafür spricht auch, dass in der besonders betroffenen Automobilindustrie, in der noch im April 2020 laut Verband der Automobilindustrie (VDA) die Produktion und der Export von Personenkraftwagen fast völlig zum Stillstand gekommen waren, im Juli die Produktion bereits fast auf Vorjahresstand (–6%) wieder hochgefahren werden konnte. Auch die Exporte von PKW haben seitdem wieder kräftig zugelegt. Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe stiegen sowohl bei den inländischen als auch bei ausländischen Orders in allen Teilbereichen. Insbesondere die Inlandsnachfrage nach Investitionsgütern schoss im Juni 2020 um 66% nach oben.  

Das Ende der Rezession spiegelt sich auch in den ifo-Geschäftserwartungen wider.  Die Unternehmen gingen im Juli mehrheitlich von einer Verbesserung aus. Auch der IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) stieg im Juli über die Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Vor allem die deutlich gestiegenen Auftragseingänge und eine daraus folgende höhere Produktion schlugen hier positiv zu Buche. Auch der Early-Bird-Indi-kator der Commerzbank stieg im Juli und August kräftig an, vor allem wegen eines verbesserten weltwirtschaftlichen Umfelds. Dabei war im zweiten Quartal die Produktion in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften wie erwartet drastisch eingebrochen (USA –9,5%, Euroraum –12,1%, Großbritannien gar –20,4%). Die Einkaufsmanagerindizes vom Juli deuten aber vielerorts für die zweite Jahreshälfte auf einen steilen Wiederanstieg hin, wie er in China im Frühsommer schon beobachtet werden konnte.

In Deutschland dürfte die Binnenwirtschaft auch vom privaten Konsum einen kleinen Schub erhalten, weil aufgrund geringerer Einschränkungen Konsumwünsche wieder leichter erfüllt werden können. Auch die befristete Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020 dürfte den Konsum etwas stimulieren, weil sie einen Anreiz bietet, größere Anschaffungen vorzuziehen. Dies zeigt auch der GfK-Konsumklimaindikator im Juli. Insbesondere die Anschaffungsneigung verbesserte sich ausgesprochen kräftig, obwohl die Einkommensaussichten aufgrund der Unsicherheiten am Arbeitsmarkt nur wenig zulegten. „Durch die temporäre Mehrwertsteuersenkung dürfte es Vorzieheffekte beim privaten Konsum geben, die sich dann zu Beginn des nächsten Jahres negativ bemerkbar machen“, sagt Oliver Holtemöller. 

Der IWH-Flash-Indikator ergibt sich als gewichtetes Mittel einer Fülle von Einzelprognosen, die jeweils mithilfe eines bestimmten Indikators hergeleitet werden, der in der Vergangenheit Prognosekraft besessen hat. Allerdings führen viele dieser Einzelprognosen derzeit aufgrund der Besonderheiten der Corona-Rezession in die Irre. Beispielsweise ist die Prognose mithilfe des schwachen Einzelhandelsvolumens für das dritte Quartal negativ, obwohl sich schon abzeichnet, dass die Rücknahme der Restriktionen für den Einzelhandel dem Bruttoinlandsprodukt einen Schub geben wird. Deshalb wird diesmal abweichend von der üblichen Vorgehensweise der IWH-Flash-Indikator für das dritte Quartal 2020 als Median aller BIP-Einzelprognosen mit einer positiven Wachstumsrate berechnet, während Indikatoren, die eine negative BIP-Wachstumsrate für das dritte Quartal implizieren, nicht berücksichtigt werden. Für den IWH-Flash-Indikator im vierten Quartal 2020 fließen dann wieder alle BIP-Einzelprognosen in die Medianberechnung ein. Daraus ergibt sich für das dritte Quartal 2020 ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 4,6% und für das vierte Quartal 2020 eine weitere Zunahme um 4,0%. Auf einen solchen Konjunkturverlauf lassen auch Informationen schließen, die aus einer Quantifizierung der wirtschaftlichen Restriktionen zur Eindämmung der Corona-Pandemie (mithilfe des Oxford COVID-19 Government Response Trackers) gewonnen werden können. Für das Jahr 2020 impliziert dies eine jahresdurchschnittliche BIP-Veränderungsrate von –6,1%; das BIP befindet sich demnach im vierten Quartal auf 96% des Vorjahresniveaus. Allerdings ist das von der Pandemie ausgehende Konjunkturrisiko zuletzt eher wieder gestiegen. Das massive Infektionsgeschehen in den USA und in vielen Schwellenländern sowie der jüngste Wiederanstieg der Infektionszahlen in Europa könnten Unternehmen, Haushalte und die Politik dazu zwingen, die wirtschaftlichen Aktivitäten bald wieder einzuschränken.  

[Die Zeitreihe mit den historischen Daten des Flash-Indikators finden Sie im Download-Bereich.]

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