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Neue Basel-Regeln: Mehr Stabilität, weniger Kredite?

Ein Kernpunkt des geplanten Basel-III-Regelwerks sind die gestiegenen Eigenkapitalanforderungen. Umsetzungsprobleme könnten die gewünschten Effekte der Reformen jedoch konterkarieren. Zum einen könnten Banken ihre Eigenkapitalquote erhöhen, indem sie weniger Kredite an risikoreiche Kreditnehmer vergeben, statt ihr Eigenkapital
aufzustocken. Hiervon wären vor allem mittelständische Unternehmen ohne Kreditrating betroffen. Zum anderen lassen auch die neuen, strengeren Regeln den nationalen Bankenaufsehern Bewertungsspielräume, die von den Banken – politisch geduldet – zu einer Inflationierung ihres Eigenkapitals genutzt werden könnten.

22. Dezember 2021

Autoren Reint E. Gropp

Inhalt
Seite 1
Verbesserung der Eigenkapitalquote durch Kreditverknappung
Seite 2
Strengere Regeln für Risikokalkulation verstärken den Effekt
Seite 3
Spielräume bei der Bankenaufsicht erlauben Manipulation des Eigenkapitals
Seite 4
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Verbesserung der Eigenkapitalquote durch Kreditverknappung

Ein Kernpunkt der kürzlich vorgestellten Pläne für das Basel-III-Regelwerk sind die gestiegenen Eigenkapitalanforderungen. Die Erhöhung des Eigenkapitals ist grundsätzlich gut geeignet, das Bankensystem stabiler zu machen. Dadurch können Banken Risiken besser absorbieren. Zudem haben Bankeigentümer nun schlichtweg mehr zu verlieren. Deswegen sinken für sie die Anreize, Risiken überhaupt einzugehen. Zwei Studien am IWH haben jedoch gezeigt, dass bei der Umsetzung der schärferen Regeln mindestens zwei Probleme auftauchen können, die die gewünschten Effekte der Reformen konterkarieren könnten.

Das erste Problem besteht darin, dass die Eigenkapitalanforderungen als Relation zwischen dem regulatorischen Eigenkapital1 und den risikogewichteten Vermögenswerten berechnet werden.

Die Idee der Reformen ist es, den Zähler dieser Relation zu erhöhen. Die Forschung zeigt jedoch, dass Banken es oft vorziehen, den Nenner zu reduzieren. Dies steigert ebenfalls die Eigenkapitalrelation. Die Bank erfüllt die Kapitalanforderungen so auch. Den Nenner der Relation zu reduzieren heißt allerdings, das Kreditangebot zu verringern – insbesondere das Kreditangebot an risikoreichere Kreditnehmer. Diese Darlehen müssen generell mit mehr Eigenkapital unterlegt werden.

In diesem Zusammenhang spielt auch der Umgang mit Krediten an Unternehmen, die sich nicht von einer Rating-Agentur bewerten lassen, eine große Rolle. Basel III sieht für Kredite an Unternehmen ohne externes Rating einen Risikoaufschlag vor. Das betrifft mehr als 90% der Unternehmen in Deutschland und damit über 60% der Arbeitsplätze. Es ist zu erwarten, dass die Banken die verschärften Eigenkapitalanforderungen zumindest zum Teil über eine Verringerung des Kreditangebots an kleinere und mittlere Unternehmen erfüllen werden.

Schätzungen, die auf einer früheren Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen beruhen,2 ergeben Folgendes: Bei einer Erhöhung der Kapitalanforderungen von 1,9 Prozentpunkten haben die Banken ihre Kredite um 16% zurückgefahren, was zu weniger Beschäftigung, Investitionen und Wachstum bei den betroffenen Unternehmen geführt hat. Zudem zeigte sich, dass andere Banken das gesunkene Kreditangebot nicht auffangen. Insofern sind die Befürchtungen der Finanzbranche, dass durch die Reformen der dringend benötigte Finanzierungsrahmen für die digitale und nachhaltige Transformation der Wirtschaft und den europäischen Green Deal erheblich eingeschränkt werden könnte, berechtigt.

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Strengere Regeln für Risikokalkulation verstärken den Effekt

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