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Untersuchungsdesign Auf einer Seite lesen

Die Untersuchung wurde am Beispiel von 104 Gründungen durch Absolventen und wissenschaftliche Mitarbeiter der Natur- und Ingenieurwissenschaften an Hochschulen in vier Regionen mit jeweils mehreren Hochschulen durchgeführt (vgl. Tabelle).

Um die Bedeutung sozialer bzw. persönlicher Beziehungen identifizieren zu können, wurden das personengebundene, nicht kodifizierte Wissen an der Heimatfakultät der Gründer (gemessen durch die Anzahl der Professoren) und das entsprechende Wissen an fachlich vergleichbaren Fakultäten an anderen Hochschulen der Region hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Entscheidung der Gründer verglichen, sich in der Region der Heimathochschule niederzulassen (statt außerhalb dieser Region). Dies geschah mittels eines multivariaten Regressionsansatzes unter Berücksichtigung weiterer potenzieller Standortfaktoren. Unterschiede in der gemessenen Bedeutung der Heimathochschule gegenüber anderen regionalen Hochschulen können auf die Rolle sozialer bzw. persönlicher Beziehungen für den Zugang zu und den Transfer von akademischem Wissen und Ressourcen zurückgeführt werden: In dem Ausmaß, in dem – bei sonst gleichen Kompetenzen – soziale bzw. persönliche Beziehungen wichtig sind, müssten die Heimathochschulen eine höhere Bedeutung haben.

Diese Vorgehensweise erlaubt es außerdem, neben dem Einfluss beobachtbarer bzw. messbarer regionaler Faktoren auch den Einfluss all derjenigen regionalspezifischen, zeitinvarianten Faktoren zu berücksichtigen, die nicht (immer) beobachtet bzw. gemessen werden, die jedoch eine Rolle bei der Standortentscheidung spielen können. Beispielsweise kann die Nähe zu anderen forschungsintensiven Unternehmen derselben Branche sowie zu Zulieferern und Abnehmern den informellen und formellen Austausch (Kooperation) fördern, arbeitsteilige FuE-Aktivitäten begünstigen oder zu Spezialisierungsvorteilen führen. Zudem wird das lokale Vorhandensein anderer forschungsintensiver Unternehmen mit der Verfügbarkeit geeigneter Arbeitskräfte assoziiert. Auch wird argumentiert, dass existierende Kontakte in der Region – Bekanntschaften, Verwandtschaften, Freundschaften, Vereinsmitgliedschaften, soziale Engagements etc. – den Zugang zu weiteren Ressourcen und Informationen über Geschäftsmöglichkeiten und Geschäftsrisiken ermöglichen können.  Darüber hinaus können so genannte weiche Faktoren (Kultur- und Freizeitangebote, Erholungsgebiete, Klima etc.) die Standortpräferenzen beeinflussen.

Vorhandensein von Hochschulen allein ist nicht zwingend ein Standortvorteil; persönliche Beziehungen sind zusätzlich nötig für den Zugang zu akademischem Wissen

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Heimathochschulen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung von akademischen Gründern spielen, in der Region der Heimathochschule zu bleiben. Insbesondere ist die Wahrscheinlichkeit, dass akademische Gründungen in der Region bleiben, umso höher, je größer der Wissenspool an der Heimatfakultät der Gründer – gemessen an der Anzahl der dort tätigen Professoren – ist. Gleichzeitig zeigt die empirische Untersuchung, dass der Wissenspool an vergleichbaren Fakultäten an anderen, gleichweit entfernten, lokalen Hochschulen keine messbare Bedeutung für die Bleibeentscheidung hat. Die Ergebnisse sind robust hinsichtlich beobachtbarer und nicht beobachtbarer regionaler Faktoren.

Implikationen für die regionale Wirtschaftspolitik

Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben wichtige Implikationen für eine Politik, die auf Hochschulen als Instrument der regionalen Wirtschaftsförderung setzt. Insbesondere in strukturschwachen Gebieten richten sich große Hoffnungen auf die Hochschulen als Instrument der regionalen Wirtschaftsförderung, beispielsweise als Kerne innovativer und forschungsintensiver Cluster.

Am Beispiel der vorliegenden Untersuchung zeigt sich konkret, dass fehlende persönliche Kontakte zu einer Wissensquelle zu vergleichsweise geringeren Anreizen führen, sich in deren Nähe niederzulassen. Eine weitere Interpretation der Ergebnisse ist, dass wissens- bzw. technologieintensive Unternehmen selbst vom lokalen Vorhandensein großer Wissensquellen nicht zwingend profitieren, wenn persönliche Kontakte nicht vorhanden sind. Das Vorhandensein von Hochschulen allein ist somit kein hinreichender Standortvorteil für wissens- bzw. technologieintensive Unternehmen wie die akademischen Gründungen. Hochschulen können zwar eine wichtige Rolle spielen, jedoch ist die Nähe zu einer Hochschule allein keine Garantie für einen leichteren Zugang zu akademischem Wissen und für dessen Transfer. Soziale Nähe und persönliche Beziehungen zwischen Unternehmen und Hochschulen können helfen, institutionelle, organisatorische und kulturelle Unterschiede zu überwinden, gegenseitiges Misstrauen abzubauen und eine Basis für offene und flexible Interaktionen zwischen den Akteuren zu schaffen. Solche Interaktionen sind insbesondere für den Transfer von neuem, komplexem und nicht kodifiziertem Wissen und neuen Technologien wichtig. Eine stärkere Integration von Hochschulen und Privatwirtschaft, die auch soziale bzw. persönliche Kontakte fördert, kann dazu beitragen, dass die Hochschulen ihre volle Wirkung entfalten können.

Außerdem in diesem Heft

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Arbeitsmarktbilanz Ostdeutschland: Beschäftigung im Osten rückläufig

Hans-Ulrich Brautzsch

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 6, 2015

Abstract

Der seit dem vierten Quartal 2014 zu beobachtende Beschäftigungsrückgang hat sich fortgesetzt. Im zweiten Quartal 2015 nahm die Zahl der Erwerbstätigen saisonbereinigt mit 0,2% sogar noch etwas stärker ab als in den beiden Quartalen zuvor. Dabei lag im ersten Halbjahr 2015 das Bruttoinlandsprodukt um 1,1% über dem Vorjahresstand. In Westdeutschland, wo das Bruttoinlandsprodukt um 1,5% zunahm, legte die Beschäftigung weiter zu.

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Im Fokus: Industrielle Kerne in Ostdeutschland und wie es dort heute aussieht – Das Beispiel des Chemiestandorts Bitterfeld-Wolfen

Gerhard Heimpold

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 6, 2015

Abstract

Der Erhalt industrieller Kerne war eines der wirtschaftspolitischen Ziele beim Aufbau Ost. Einer dieser Kerne ist der Chemiestandort Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt. Der Beitrag untersucht, wie es nach 25 Jahren Deutscher Einheit um diesen industriellen Kern bestellt ist. In einem Satz: Der Kern ist nicht mehr der alte. Die Kombinate der Großchemie waren als Ganzes nicht privatisierbar. An ihre Stelle sind moderne mittelständische Chemiebetriebe getreten. Daneben haben sich neue Branchen, etwa die Glasindustrie, angesiedelt, und in Gestalt einer attraktiven Seenlandschaft ist aus den Braunkohlentagebauen etwas völlig Neues entstanden. Bei den Forschungsaktivitäten kann die Region aber mit westdeutschen Verhältnissen nicht mithalten. Die vielleicht größte künftige Herausforderung wird in einer demographisch bedingt rückläufigen Erwerbspersonenzahl liegen.

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Kommentar: Politische Kreditvergabe der Sparkassen

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 6, 2015

Abstract

Theorien politischer Konjunkturzyklen gehen davon aus, dass Politiker in Wahljahren einer expansiven Steuerpolitik zuneigen, weil sie ein Interesse daran haben, ihre Popularität zu steigern, indem sie die wirtschaftlichen Bedingungen möglichst günstig erscheinen lassen.

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Aktuelle Trends: Konvergenzvorsprung der ostdeutschen Wirtschaftsleistung ist dahin!

Udo Ludwig

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 6, 2015

Abstract

In der Wirtschaftsleistung je Einwohner haben die ostdeutschen Flächenländer laut amtlichen Angaben seit einigen Jahren kaum noch Fortschritte gegenüber dem Stand in den Ländern des früheren Bundesgebiets erzielt (gemessene Konvergenz). Damit ist der Konvergenzvorsprung der ostdeutschen Pro-Kopf-Produktion gegenüber dem „neoklassisch“ bestimmten Angleichungspfad nicht nur geschmolzen, sondern bereits verschwunden.

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Zu den Auswirkungen der Migration auf den ostdeutschen Arbeitsmarkt

Hans-Ulrich Brautzsch

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 6, 2015

Abstract

Die starken Migrationsprozesse beeinflussen zunehmend auch den ostdeutschen Arbeitsmarkt. Die Zuwachsraten bei der Zahl der Beschäftigten, den Arbeitslosen sowie den Leistungsbeziehern nach SGB II vor allem aus den mittel- und osteuropäischen Staaten mit Arbeitnehmerfreizügigkeit, den von der europäischen Schulden- und Vertrauenskrise besonders schwer betroffenen Ländern Griechenland, Italien, Portugal und Spanien sowie den Asylherkunftsländern sind gegenwärtig sehr hoch und liegen in der gleichen Größenordnung wie in Westdeutschland. Die Anteile von Migranten an der Bevölkerung und an relevanten Arbeitsmarktgrößen sind allerdings in Ostdeutschland erheblich niedriger als in Westdeutschland.

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