Deutschland und die Europäische Union als optimale Währungsräume – Krönungsthese versus Endogenitätstheorie
Jens Hölscher
Beitrag in IWH-Sammelwerk,
aus "20 Jahre Deutsche Einheit: Von der Transformation zur europäischen Integration - Tagungsband"
2010
Abstract
Beitrag aus"20 Jahre Deutsche Einheit: Von der Transformation zur europäischen Integration - Tagungsband". Die Einführung der Deutschen Mark als Währung im vereinigten Deutschland – irreführend als Währungsunion bezeichnet – war für die ostdeutsche Wirtschaft ein Schock, von dem sie sich bis heute nicht erholt hat. Der Umtauschsatz von 1:1 bedeutete die Überbewertung des Kapitalbestands, mit der die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einherging. Der Schwarzmarktkurs zwischen DDR-Mark und D-Mark betrug 1990 7:1.1 Während man zunächst von einem phasenweisen Übergang wirtschaftlicher Integration ausging, an dessen Ende als Krönung die gemeinsame Währung stehen sollte, wurde die D-Mark in Ostdeutschland quasi über Nacht eingeführt. Die Frage, ob das vereinigte Deutschland überhaupt den Kriterien eines optimalen Währungsraums entspricht, wurde nicht gestellt. Die Antwort wäre sicher negativ ausgefallen. Es ist zu vermuten, dass die Konversionsrate 1:1 politischen Motiven folgte, insbesondere im Hinblick auf die Stromgrößen wie die Löhne und Gehälter, aber auch die Ersparnisse. Von der Möglichkeit einer Entschuldung wie etwa bei der der westdeutschen Währungsreform 1948 wurde kein Gebrauch gemacht. Langfristig hat sich die Vorstellung, dass sich der wirtschaftliche Integrationsprozess auf der Grundlage einer gemeinsamen Währung endogen vollziehen würde, als grober Irrtum erwiesen. Dies sollte bei der Einführung des Euro in den neuen Mitgliedsländern der Europäischen Union eine Lehre sein.
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Bevölkerungsentwicklung in Deutschland: Uneinheitliches Bild in den Neuen Ländern
Alexander Kubis, Lutz Schneider
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 10,
2010
Abstract
Die Bevölkerungsentwicklung ist in vielen Regionen Deutschlands durch zwei Phänomene gekennzeichnet: Schrumpfung und Alterung. Der Rückgang der Bevölkerung und die Zunahme des Anteils älterer Personen weisen dabei in Ausmaß und Geschwindigkeit eine sehr starke regionale Heterogenität auf. Ganz generell treten die Prozesse der Bevölkerungsveränderungen im Osten der Republik erstens früher, massiver und abrupter auf als im westlichen Teil des Landes. Dies ist vor allem den mit der politischen, sozialen und ökonomischen Transformation einhergehenden demographischen Verwerfungen mit Blick auf Fertilität und Wanderungsbewegungen geschuldet. Zweitens konnte in der vorstehenden Analyse aber auch eine hohe Variation der Bevölkerungsveränderungen innerhalb von Ostdeutschland nachgewiesen werden. Demgegenüber stellt sich die Lage in den Alten Bundesländern erheblich homogener dar. In der Heterogenität der Bevölkerungsentwicklung in Ostdeutschland spiegelt sich vornehmlich der ähnlich disparate ökonomische Aufholprozess der post-sozialistischen Regionen. Dass die demographischen Problemlagen häufig mit einer bestimmten Siedlungsstruktur assoziiert sind, dass vornehmlich der ländliche Raum von starken Schrumpfungserscheinungen betroffen ist – für diese Hypothese fanden sich in der Unterschung zwar Belege. Indes ist die Evidenz nicht so stark, dass ein notwendiger Zusammenhang von Siedlungsstruktur und Bevölkerungsentwicklung konstruiert werden kann. So weisen auch Regionen im verdichteten und im ländlichen Umland entsprechend ungünstige demographische Charakteristika auf, und wichtiger noch eine Vielzahl von Regionen im ländlichen Raum fällt eben nicht in die Gruppe der Kreise mit besonders schwieriger Bevölkerungsentwicklung. Derart positive Perspektiven in einigen Regionen dürfen jedoch nicht den Blick auf die Kreise im ländlichen Raum verstellen, in denen die Gefahr einer demographischen Abwärtsspirale aus Abwanderung und Geburtenrückgang ganz real ist und eine Abkopplung von gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsprozessen droht.
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Neo-liberalism, the Changing German Labor Market, and Income Distribution: An Institutionalist and Post Keynesian Analysis
John B. Hall, Udo Ludwig
Journal of Economic Issues,
2010
Abstract
This inquiry relies on an Institutionalist and Post Keynesian analysis to explore Germany's neo-liberal project, noting cumulative effects emerging as measurable economic and societal outcomes. Investments in technologies generate rising output-to-capital ratios. Increasing exports offset the Domar problem, but give rise to capital surpluses. National income redistributes in favor of capital. Novel labor market institutions emerge. Following Minsky, good times lead to bad: as seeming successes of neo-liberal policies are accompanied by financial instability, growing disparities in household incomes, and sharp declines in German exports on world markets, resulting in one of the deepest, recent contractions in the industrialized world.
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Determinanten der Vernetzung von Unternehmen der deutschen Photovoltaik-Industrie
Christoph Hornych, Matthias Brachert
IWH Discussion Papers,
Nr. 20,
2010
Abstract
Wenn gleich die positiven Effekte von Kooperationen bereits in einer Vielzahl von Untersuchungen nachgewiesen werden konnten, erfährt die Frage nach den Determinanten der Neigung von Unternehmen, Kooperationsbeziehungen einzugehen, in der Forschung zu Unternehmenskooperationen bisher nur geringe Aufmerksamkeit. Dabei könnte die Kenntnis der relevanten Einflussfaktoren Aufschluss darüber geben, inwieweit sich unterschiedliche Kooperationsintensitäten in Regionen auf Unterschiede im Unternehmensbesatz zurückführen lassen. Vor diesem Hintergrund untersucht das Diskussionspapier, welche Einflussfaktoren die Anzahl der Kooperationspartner von Unternehmen in der Photovoltaik-Industrie bestimmen. Ausgehend von einem Überblick über die möglichen Effekte der Kooperation von Unternehmen mit Partnern innerhalb und außerhalb der eigenen Region werden Hypothesen über die Zusammenhänge zwischen sowohl unternehmensspezifischen als auch regionsspezifischen Variablen und der Kooperationsneigung von Unternehmen aufgestellt. Diese werden im Rahmen von Regressionsmodellen anhand eines Datensatzes zu 178 deutschen Photovoltaikunternehmen getestet. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere große Unternehmen sowie Unternehmen mit hohen absorptiven Fähigkeiten eine Vielzahl an Kooperationsbeziehungen unterhalten. Kooperationen innerhalb der eigenen Region gehen die Unternehmen vor allem dann ein, wenn eine Vielzahl potenzieller Partner am Standort vorhanden ist. Zudem kooperieren Niederlassungen ausländischer Unternehmen besonders häufig mit Partnern aus der Region, in der sie angesiedelt sind.
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Energieeffizienz im Altbau: Werden die Sanierungs-
potenziale überschätzt? Ergebnisse auf Grundlage des ista-IWH-Energieeffizienzindex
Claus Michelsen, S. Müller-Michelsen
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 9,
2010
Abstract
Ein zentrales Element der europäischen Klimaschutzpolitik ist die Reduktion des Energieverbrauchs privater Haushalte. Im Fokus stehen dabei Wohnimmobilien, insbesondere im Mehrfamilienhausbestand. Die Energieeinsparverordnung
(EnEV 2009) fordert deshalb eine deutliche Reduktion des Energiebedarfs bei Sanierungen bzw. beim Neubau von Wohnimmobilien. Allerdings sind diese Vorgaben weitgehend undifferenziert, was Alter und Art einer Immobilie sowie die
Marktbedingungen betrifft, unter denen errichtet oder saniert wird. Der vorliegende Artikel zeigt auf Grundlage eines umfangreichen Datensatzes des Energiedienstleisters ista Deutschland GmbH, dass die Energiekennwerte von Mehrfamilienhäusern abhängig vom Jahr ihrer Errichtung sowohl im sanierten
als auch im unsanierten Zustand deutlich variieren. Die Daten zeigen zudem, dass die allgemein angenommenen Einsparpotenziale, die sich vor allem am technisch Machbaren orientieren, die Realität erheblich überschätzen. So sind die tatsächlichen Verbräuche in unsanierten Immobilien und die unter Marktbedingungen realisierten Energieeinsparungen nach einer Sanierung teilweise
deutlich geringer als bisher angenommen. Eine bautechnische und architektonische Betrachtung legt die Vermutung nahe, dass unterschiedliche
Sanierungskostenverläufe und die Bestandseigenschaften des Altbaus zu den beobachtbaren Differenzen beitragen. Im Ergebnis sprechen die hier präsentierten Zahlen für eine differenziertere Strategie, die sowohl die Belange der Wirtschaftlichkeit von Sanierungen, als auch die Belange des Klimaschutzes und Städtebaus berücksichtigt. Konkret bedeutet dies, dass sich die spezifischen
Eigenschaften von Immobilien auch in den rechtlichen Vorgaben und der Förderpolitik niederschlagen sollten, um Investitionsanreize auch tatsächlich
zu setzen.
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Schuldenbremse: Bisherige Beschlüsse stellen Gelingen auf Länderebene infrage
Kristina vanDeuverden, Sabine Freye
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 9,
2010
Abstract
Zu Beginn des Jahres 2011 wird in Deutschland eine neue Regel zur Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte in Kraft treten – die Schuldenbremse. Wie bei jeder Fiskalregel setzt ihr Gelingen notwendig eine zeitnahe Beobachtung der Haushaltsentwicklung voraus, denn nur so kann Fehlentwicklungen rechtzeitig gegengesteuert werden. Die Evaluierung der öffentlichen Haushalte on Bund und Ländern wurde dem eigens geschaffenen Stabilitätsrat übertragen. Dazu wird er
auf vier Kennzahlen zurückgreifen. Überschreiten diese mehrheitlich in zwei von drei aufeinanderfolgenden Jahren die festgelegten Schwellenwerte, wird der Stabilitätsrat prüfen, ob eine Haushaltsnotlage droht. Zwar erscheinen die Kennziffern grundsätzlich geeignet, ein umfassendes Bild der Staatsfinanzen zu zeichnen, allerdings geben die gewählten Schwellenwerte Anlass, am Gelingen der Schuldenbremse zu zweifeln. Jeder der Schwellenwerte orientiert sich an der durchschnittlichen Entwicklung aller Länderhaushalte. Aus diesem Grund müssen die Kennziffern schon extreme Werte annehmen, um als „auffällig“ ausgewiesen zu werden. Die Zielgröße der Schuldenbremse an sich ist der strukturelle Finanzierungssaldo. Dies ist der Haushaltssaldo, der sich ergeben würde, wenn die
Einnahmen und Ausgaben des Staates um konjunkturelle Einflüsse korrigiert werden. Es hätte erwartet werden können, dass diese Zielgröße eine der herangezogenen Kennziffern sein würde. Dem ist nicht so; stattdessen wird der Rat den nominalen Finanzierungssaldo verwenden – bereinigt um bestimmte finanzielle Transaktionen. Letztlich ist dies nur eine Notlösung, denn zur Schätzung des strukturellen Finanzierungssaldos gibt es mehrere Verfahren, und Bund und Länder haben sich bisher auf keine gemeinsame Vorgehensweise geeinigt. Dies ist mehr als bedenklich. Nicht nur, dass der strukturelle Finanzierungssaldo ein wichtiges Kriterium für die Nachhaltigkeit von Finanzpolitik ist. Die Schuldenbremse
kann nicht wirklich in Kraft treten ohne die konzeptionelle Einigung auf eine Schätzmethode. Aus diesem Grund schlägt das IWH ein praktikables Verfahren vor, mit dem die strukturellen Finanzierungssalden der Länder berechnet werden können. Das vorgeschlagene Verfahren trägt dabei sowohl den wissenschaftlich-methodischen Anforderungen bei der Konjunkturbereinigung Rechnung als auch
der notwendigen Transparenz, die im politischen und administrativen Prozess unabdingbar ist. Die nach diesem Verfahren geschätzten strukturellen Finanzierungssalden signalisieren vor allem eines: die Finanzpolitik war in den Jahren 1995 bis 2009 nicht nachhaltig und die Ländergesamtheit verschuldete sich in jedem Jahr strukturell. Nach den Kennziffern des Stabilitätsrates ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Eine drohende Haushaltsnotlage wäre nur in wenigen Ländern signalisiert worden. Dies zeigt: Soll die Schuldenbremse gelingen, so besteht dringender Handlungsbedarf.
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22.09.2010 • 52/2010
Energieeffizienz im Altbau: Werden die Sanierungspotenziale überschätzt?
Die Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) und das neue Energiekonzept der Bundesregierung fordern eine deutliche Reduktion des Energiebedarfs bei Sanierungen bzw. beim Neubau von Wohnimmobilien. Allerdings unterscheiden diese Vorgaben nicht nach Alter und Art einer Immobilie und berücksichtigen auch nicht die Marktbedingungen, unter denen gebaut oder saniert wird. Eine neue Studie des IWH und der ista Deutschland GmbH zeigt auf Grundlage eines umfangreichen Datensatzes von rund 200 000 Gebäuden, dass diese Vorgaben der Situation nur bedingt gerecht werden: Erstens ist der Energieverbrauch unsanierter Gebäude weniger hoch als angenommen. Zweitens ist das technisch machbare Sanierungsniveau nicht das ökonomisch sinnvolle. Und drittens ist der Sanierungsaufwand abhängig davon, welches Alter und welchen Baustil ein Gebäude hat.
S. Müller-Michelsen
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“Geschäftsmodell Deutschland“ und außenwirtschaftliche Ungleichgewichte in der EU
Renate Ohr, Götz Zeddies
List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik,
2010
Abstract
Die vergangenen Jahrzehnte waren weltweit durch eine Zunahme der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte gekennzeichnet. Den Leistungsbilanzüberschussländern, insbesondere Deutschland, wird in diesem Zusammenhang zunehmend vorgeworfen, durch zu moderate Lohnsteigerungen wesentlich zum Aufbau der Ungleichgewichte beigetragen zu haben. Vor diesem Hintergrund werden im vorliegenden Beitrag auf Basis einer Paneldatenanalyse die Determinanten der Leistungsbilanzungleichgewichte in der Europäischen Union ermittelt. Die Ergebnisse zeigen, dass die internationale preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Länder nur eine von vielen erklärenden Variablen darstellt. Vielmehr gehen die Ungleichgewichte wesentlich auf unterschiedliche Sparneigungen, sowohl der öffentlichen Hand als auch des privaten Sektors, zurück. Folglich wären die an Deutschland gerichteten Forderungen, zum Abbau der Ungleichgewichte die moderate Lohnpolitik zu beenden, allein nicht zielführend. Stattdessen müssen andere Wege gefunden werden, die Binnennachfrage in den Leistungsbilanzüberschussländern zu stärken und die Ausschöpfung bestehender Sparpotenziale in den Leistungsbilanzdefizitländern zu erhöhen.
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Arbeitskosteneffekte des Vorleistungsbezugs der Industrie an Dienstleistungen in Deutschland im Vergleich mit Frankreich und den Niederlanden – Eine Untersuchung mit der Input-Output-Methode. Gutachten im Auftrag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)
Udo Ludwig, Hans-Ulrich Brautzsch
IMK Studies Nr. 4/2010, Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf,
2010
Abstract
Im Zuge des Outsourcing beziehen Industrieunternehmen zur Fertigung ihrer Produkte Dienstleistungen, die sie früher selbst erstellt haben. Infolge der Lohnunterschiede zwischen Industrie und Dienstleistungssektor ändert sich damit aus volkswirtschaftlicher Sicht die Belastung der Industriegüter mit Arbeitskosten. Die Studie geht der Frage nach, wie bedeutsam dieser Effekt ist. Dazu werden mit dem offenen statischen Input-Output-Modell der Verflechtungsgrad der Industrie mit ihren Zulieferzweigen, die Beschäftigungsintensitäten der Produktion und das Arbeitskostengefälle zwischen den Produktionsbereichen für Deutschland und im Vergleich mit Frankreich und den Niederlanden analysiert. Im Ergebnis zeigt die Erweiterung der Arbeitskostenanalyse der Industrieproduktion um die Beschäftigungs- und Lohnintensitäten in den Zulieferbereichen eine - gesamtwirtschaftlich betrachtet - geringere Belastung der Industriegüter mit Lohnkosten in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden an als es die sektoralen Größen in der Industrie signalisieren. Dabei ist der Unterschied in Deutschland quantitativ besonders stark ausgeprägt. Diese “Lohnersparnis“ hat sich nach dem Jahr 2000 etwas verstärkt. Der Entlastungseffekt wird ganz entscheidend über die unmittelbaren Vorleistungsinputs, d. h. die erste Verflechtungsstufe der Industrieproduktion erreicht.
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