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Der Welthandel mit Waren hat nach einer Phase der Stagnation im Sommer zu Jahresende 2021 wieder deutlich zugenommen, gegenüber dem Vorquartal um 2,5%. Die seit dem Einbruch vom Frühjahr 2020 insgesamt kräftige Dynamik ist auch darauf zurückzuführen, dass sich die Nachfrage wegen der Pandemie von personennahen Dienstleistungen auf handelbare Güter verlagert hat. Besonders stark ist die Nachfrage nach importierten Waren vonseiten der privaten Haushalte in den USA. Sie hat zusammen mit pandemiebedingten Ausfällen von Produktionskapazitäten wesentlich zu den Engpässen bei internationalen Lieferketten beigetragen. Das gilt besonders für den Seeverkehr – sei es für die Verfügbarkeit von Schiffen oder Containern, oder für die Abfertigung in den Häfen.

Vor dem Hintergrund der in weiten Teilen der Welt expansiven Geld- und Finanzpolitik haben die Nachfrage nach Konsum- und Vorleistungsgütern sowie nach Rohstoffen, aber auch Knappheiten auf den Arbeitsmärkten in einem Großteil der fortgeschrittenen Volkswirtschaften erheblich zugenommen. In der Folge sind die Inflationsraten schon seit Frühjahr 2021 stark gestiegen. Die steigenden Energiepreise sind Teil eines grundlegenden Preisauftriebs. Ein rascher Rückgang der Inflation ist nicht zu erwarten; vielmehr ist im Laufe des Frühjahrs mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Denn die Invasion Russlands in der Ukraine hat viele Preise für Rohstoffe und Landwirtschaftsprodukte nochmals stark steigen lassen. Erdöl der Sorte Brent verteuerte sich von etwa 80 US-Dollar pro Barrel zu Jahresbeginn auf über 120 US-Dollar Anfang März; Anfang April kostete Erdöl etwa 110 US-Dollar. Die Erdgaspreise auf dem europäischen Spotmarkt legten im selben Zeitraum um ein Drittel zu, nachdem sie im Lauf des Vorjahrs bereits um den Faktor vier gestiegen waren. Deutlich gestiegen sind auch die Preise für Industrierohstoffe und Nahrungsmittel. Russland und die Ukraine sind bedeutende Anbauländer für Getreide. Daher hat sich die Unsicherheit über die mögliche Erntemenge massiv erhöht. Zudem dürften kriegsbedingte Ausfälle bei der ukrainischen Industrieproduktion das Lieferkettenproblem wieder verschärfen, nachdem es hier um die Jahreswende Anzeichen für eine allmähliche Entspannung gegeben hatte. Neuer Stress für die internationalen Lieferketten rührt zudem von neuen Corona-Ausbrüchen in China her.

Die hohe Inflationsdynamik bei zunächst noch recht günstigen Wirtschaftsaussichten hatte im Winter dazu geführt, dass viele Zentralbanken, in Europa etwa die Großbritanniens, Norwegens sowie der mittel- und osteuropäischen Länder, ihre Leitzinsen erhöhten. Mit Kriegsausbruch haben sich jedoch die wirtschaftlichen Aussichten eingetrübt und der inflationäre Druck spürbar erhöht. Damit steht die Geldpolitik vor einem Zielkonflikt zwischen Preis- und Produktionsstabilisierung, wie er in ähnlicher Weise im Zuge der beiden Ölpreisschocks 1973 und 1979 aufgetreten war. In den USA überwiegen die Inflationsgefahren, und so hat die US-Notenbank im März 2022 zum ersten Mal seit dem Dezember 2018 ihren Leitzins erhöht und zudem angekündigt, dass sie ab dem Sommer mit dem Prozess der allmählichen Bilanzverkürzung beginnen wird. Die Europäische Zentralbank strafft ihre Geldpolitik zaghafter: Sie hat ihre Wertpapierkäufe im Rahmen des zu Pandemiebeginn gestarteten Notfallkaufprogramms im März beendet und in Aussicht gestellt, ihr allgemeines Wertpapierkaufprogramm nach vorübergehender Erhöhung im kommenden Sommer auslaufen zu lassen. Mit einer Anhebung der Leitzinsen im Euroraum ist für das vierte Quartal des laufenden Jahres zu rechnen. Dagegen ist in China und in Japan der Inflationsdruck trotz auch dort höherer Energiepreise weiterhin gering, und mit geldpolitischen Straffungen ist vorläufig kaum zu rechnen. In einigen Schwellenländern, wie etwa Brasilien, sind die Inflationsraten wiederum in die Höhe geschossen, und die Leitzinsen wurden bereits deutlich erhöht.

Umfangreiche expansive finanzpolitische Maßnahmen haben in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften – und in geringerem Umfang auch in vielen Schwellenländern – in den Jahren 2020 und 2021 die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie gemildert. Diese Maßnahmen laufen nun im Großen und Ganzen aus. An ihre Stelle treten in der EU und in Japan Ausgabenprogramme in allerdings geringerer Größenordnung, während es unsicher ist, wieviel die US-Regierung von ihrem geplanten Programm im Kongress wird durchsetzen können. Darüber hinaus werden angesichts der höheren Energie- und Lebensmittelpreise in manchen Ländern Maßnahmen ergriffen, um die Folgen etwa für Haushalte mit geringem oder mittlerem Einkommen zu mildern. Auch dürfte es in mehreren Ländern mittelfristig zu höheren Ausgaben für die Verteidigung und zu einem beschleunigten Umbau der Energieversorgung kommen. Die Neuverschuldung wird in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften hoch bleiben. In den Schwellenländern werden die seit Ausbruch der Pandemie stark gestiegenen Budgetdefizite trotz der allmählichen wirtschaftlichen Erholung nur langsam reduziert, wobei häufig – wie in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften – längerfristige Ausgabenprogramme aufgesetzt worden sind, die vor allem auf eine Stärkung der Infrastruktur zielen.

Der Krieg in der Ukraine und die umfangreichen Sanktionen gegen Russland haben den weltwirtschaftlichen Ausblick spürbar eingetrübt. Während die Kaufkraft der Konsumenten durch die hohen Energiepreise verringert wird, belasten die geopolitischen Risiken die Investitionsneigung der Unternehmen. Zudem können die Probleme bei den Lieferketten immer wieder zu stockender Industrieproduktion führen. Die Institute gehen davon aus, dass die meisten noch bestehenden pandemiebedingten Einschränkungen bis zum Beginn des zweiten Quartals aufgehoben oder durch weniger weitreichende Auflagen ersetzt werden. Auch die individuellen Verhaltensanpassungen zur Vermeidung von Infektionen werden deutlich nachlassen. In vielen Schwellenländern, wo die Impfkampagnen bisher zum Teil mit weniger wirksamen Impfstoffen durchgeführt wurden, kommt die Pandemiebekämpfung langsamer voran. Aber auch dort dürften die verbleibenden Einschränkungen die wirtschaftliche Aktivität nur noch geringfügig belasten. China hingegen wird wohl weiter an seiner besonders strikten Eindämmungspolitik festhalten, welche immer wieder zur Abriegelung ganzer Städte und Schließungen von Fabriken oder Hafenanlagen führt. Dies trägt dazu bei, dass die Probleme bei internationalen Lieferketten mindestens im ersten Halbjahr 2022 bestehen bleiben.

Unter diesen Umständen werden die pandemiebedingten Produktionshemmnisse in China und vor allem der Krieg in der Ukraine die weltwirtschaftliche Erholung im Jahr 2022 verlangsamen, aber nicht zum Stehen bringen. Für die zweite Jahreshälfte rechnen die Institute mit einem Abflauen der Corona-Krise auch in China und mit einem allmählichen Rückgang der Energie- und Rohstoffpreise. Aus diesem Grund und auch wegen der schwächeren Konjunktur verringert sich der Inflationsdruck dann allmählich. Alles in allem haben die Institute ihre Erwartung für den Zuwachs der Weltproduktion in diesem Jahr deutlich von 4,2% auf 3,5% reduziert. Die Prognose für das Jahr 2023 fällt um mit 3,0% um 0,1 Prozentpunkte geringer aus. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften insgesamt wird die gesamtwirtschaftliche Produktion in diesem Jahr trotz der mit dem Krieg verbundenen Belastungen mit einer Rate von 3,3% deutlich zulegen; im nächsten Jahr dürfte sie mit 2,3% kaum schneller expandieren als im mittelfristigen Trend. Der weltweite Warenhandel dürfte dieses Jahr trotz der nur schwachen Zunahme im Verlauf um rund 3,3 % zulegen. Für das kommende Jahr erwarten die Institute bei etwas höherer Dynamik im Verlauf einen Anstieg um 3,1%.

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