Analyse von Finanzmarkt-Gesprächen: Schwafelnde Manager schaden dem Unternehmen

Verweigert eine Top-Führungskraft gegenüber Profi-Investoren die Auskunft, sinkt danach der Börsenwert des Unternehmens. Das zeigt eine Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) nach Auswertung von 1,2 Millionen Antworten aus Telefonkonferenzen.

Autoren Fabian Wöbbeking

In regelmäßigen Telefonkonferenzen diskutiert das Management von börsennotierten Unternehmen Finanzkennzahlen mit Analysten, Investoren und Medien. Wie sich Führungskräfte in diesen Frage-Antwort-Runden verhalten, hat unmittelbare Folgen für den Unternehmenswert. Wenn sie Fragen ausweichen oder verschwurbelte Antworten geben, sinkt kurz darauf der Aktienkurs des Unternehmens. Außerdem müssen Investoren gestiegene Versicherungsprämien zahlen, um sich gegen einen weiteren Kursverfall abzusichern. Denn die Nicht-Antworten der Unternehmenslenker deuten professionelle Marktbeobachter als Unsicherheit. Das damit verbundene Risiko bewerten sie negativ. Der Ruf des Unternehmens leidet.

Dieses Ergebnis einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) belegt, wie ein Informationsgefälle das Wirtschaftsgeschehen belastet. Das Bestreben, die Informationsasymmetrie durch Fragen und Antworten abzubauen, wird mit unklaren Auskünften gestört.

„Schwafeln bringt den Unternehmen nichts.“

Die Analyse basiert auf rund 1,2 Millionen Antworten, die Manager von Unternehmen aus dem US-Aktienindex S&P 500 in den Jahren 2002 bis 2019 gegenüber Analysten gaben. IWH-Finanzmarktforscher Fabian Wöbbeking und seine beiden Co-Autoren Andreas Barth und Sasan Mansouri hatten zuvor ein Computerprogramm mittels maschinellem Lernen trainiert. Der Algorithmus war schließlich in der Lage, zu entscheiden, ob eine Frage beantwortet wurde oder nicht – unabhängig vom subjektiven Urteil eines Menschen.

Wie die Forscher feststellten, genügen Kombinationen aus drei Worten, um eine Nicht-Antwort zu entlarven. Sie stießen immer wieder auf dieselben Sprachmuster für Antwortverweigerungen wie „weiß ich nicht“, Floskeln wie „eine interessante Frage“ und Ausflüchte wie „Information später nachreichen“.

Manager antworten gerade dann ausweichend, wenn sie mit barschen Fragen konfrontiert werden oder wenn sie sich zur künftigen Unternehmensentwicklung äußern sollen, die zwangsläufig mit Unklarheiten behaftet ist. Unabhängig von Art und Grund haben Nicht-Antworten negative wirtschaftliche Folgen. Diese konnten die Wissenschaftler identifizieren, indem sie klar und unklar kommunizierende Unternehmen miteinander verglichen. Unter sonst gleichen Bedingungen schnitt der Aktienkurse der letztgenannten deutlich schlechter ab.

IWH-Forscher Wöbbeking kommt zu dem Schluss: „Schwafeln bringt den Unternehmen nichts.“ Führungskräfte, die Antworten vorenthielten, schadeten ihrem eigenen Unternehmen und behinderten darüber hinaus das Marktgeschehen. „Ein transparenter Markt ist wünschenswert, weil er zu einer effizienten Preisfindung führt“, sagt Wöbbeking. „Alles, was man tun kann, um den Markt etwas transparenter zu machen, ist sinnvoll, zum Beispiel indem sich Führungskräfte präzise ausdrücken.“

Veröffentlichung: Andreas Barth, Sasan Mansouri, Fabian Wöbbeking: "Let Me Get Back to You" — A Machine Learning Approach to Measuring NonAnswers, in: Management Science, im Erscheinen.

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Die IWH-Expertenliste bietet eine Übersicht der IWH-Forschungsthemen und der auf diesen Gebieten forschenden Wissenschaftler/innen. Die jeweiligen Experten für die dort aufgelisteten Themengebiete erreichen Sie für Anfragen wie gewohnt über die Pressestelle des IWH.

Zugehörige Publikationen

cover_management-science.jpg

"Let Me Get Back to You" — A Machine Learning Approach to Measuring NonAnswers

Andreas Barth Sasan Mansouri Fabian Wöbbeking

in: Management Science, 10, 2023

Abstract

Using a supervised machine learning framework on a large training set of questions and answers, we identify 1,364 trigrams that signal nonanswers in earnings call questions and answers (Q&A). We show that this glossary has economic relevance by applying it to contemporaneous stock market reactions after earnings calls. Our findings suggest that obstructing the flow of information leads to significantly lower cumulative abnormal stock returns and higher implied volatility. As both our method and glossary are free of financial context, we believe that the measure is applicable to other fields with a Q&A setup outside the contextual domain of financial earnings conference calls.

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