Der Kampf der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen gegen Betriebsräte

Deutschland wählt. Dieses Mal aber geht es nicht um Politiker, sondern um die Betriebsräte. Das lohnt sich: Viele Untersuchungen zeigen, dass Betriebsräte insgesamt positive Effekte auf Produktivität, Löhne und Gewinne haben. Trotzdem leisten Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen zum Teil großen Widerstand gegen die betriebliche Mitbestimmung. Eine häufig benutzte Begründung ist, dass Mitbestimmung die unternehmerische Freiheit einschränkt und dass Arbeitgeber bereit sind, positive Effekte der Mitbestimmung im Gegenzug für größere Handlungsspielräume zu opfern. Steffen Müller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) liefert jetzt eine alternative ökonomische Begründung für die ablehnende Haltung: Arbeitgeberverbände werden von mittelständischen Unternehmen dominiert, und in diesen hat der Betriebsrat – im Gegensatz zu großen Betrieben – oft keine positiven ökonomischen Folgen.

Autoren Steffen Müller

Der Betriebsrat hat viele Informations-, Konsultations- und Mitbestimmungsrechte, die sich mit zunehmender Betriebsgröße erweitern. Allerdings: Weniger als 10% aller betriebsratsfähigen Betriebe in Deutschland haben einen Betriebsrat. Zwar stehen hinter diesen knapp 10% immerhin mehr als 40% der Beschäftigten. Gleichzeitig gibt es jedoch sehr viele Betriebe, in denen die betriebliche Mitbestimmung zwar möglich wäre, aber nicht umgesetzt wird. Arbeitgeber argumentieren hier zum Teil mit ökonomischen Nachteilen, dabei haben Betriebsräte zunächst einige produktionssteigernde Vorteile:

Durch die Informations- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats haben Mitarbeitende die Möglichkeit, ihre Kritik indirekt an die Geschäftsleitung zu kommunizieren. „Das ist sowohl für die Geschäftsleitung eine wertvolle Informationsquelle als auch ein Motivationsmotor für die Belegschaft“, erklärt Autor Steffen Müller, Leiter der Abteilung Strukturwandel und Produktivität am IWH. Mitbestimmung führt damit zu geringerer Fluktuation des Personals und gesteigerter Arbeitszufriedenheit – was sich am Ende in einer Steigerung der Produktivität äußert. Zentral für die Frage des Arbeitgeberwiderstands sind aber die Effekte auf Löhne und Gewinne. Zwar sind die Löhne in mitbestimmten Betrieben höher, Untersuchungen haben jedoch auch gezeigt, dass höhere Löhne zwar einen Teil der gesteigerten Produktivität abschöpfen, mitbestimmte Arbeitgeber aber am Ende dennoch höhere Gewinne erzielen, zumindest wenn sie gleichzeitig tarifgebunden sind.

Was ist dann nun aber der Grund für den Widerstand? „Viele kleine und mittlere Unternehmen bis 100 Beschäftigte profitieren ökonomisch tatsächlich nicht von betrieblicher Mitbestimmung. Gleichzeitig stellen diese aber in den meisten Arbeitgeberverbänden die Mehrheit. Bei Gesamtmetall machen sie beispielsweise 70% der Mitglieder aus“, so Müller. Da in den meisten Verbänden jedes Mitglied dasselbe Stimmrecht hat, können kleine und mittlere Unternehmen damit auch bei Abstimmungen die Mehrheit bilden. Das kann erklären, was zunächst paradox erscheint: Arbeitgeberverbände sprechen sich aus ökonomischen Gründen gegen eine insgesamt effizienzsteigernde Arbeitsmarktinstitution aus.

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Die IWH-Expertenliste bietet eine Übersicht der IWH-Forschungsthemen und der auf diesen Gebieten forschenden Wissenschaftler/innen. Die jeweiligen Experten für die dort aufgelisteten Themengebiete erreichen Sie für Anfragen wie gewohnt über die Pressestelle des IWH.

Zugehörige Publikationen

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Why is there Resistance to Works Councils in Germany? An Economic Perspective

Steffen Müller Jens Stegmaier

in: IWH Discussion Papers, 23, 2017
publiziert in: Economic and Industrial Democracy

Abstract

Recent empirical research generally finds evidence of positive economic effects of works councils, for example with regard to productivity and – with some limitations – to profits. This makes it necessary to explain why employers’ associations have reservations against works councils. On the basis of an in-depth literature analysis, we show that beyond the generally positive findings, there are important heterogeneities in the impact of works councils. We argue that those groups of employers that tend to benefit little from employee participation in terms of productivity and profits may well be important enough to shape the agenda of their employers’ organisation and even gained in importance within their organisations in recent years. We also discuss the role of deviations from profit-maximising behaviour like risk aversion, short-term profit maximisation, and other non-pecuniary motives, as possible reasons for employer resistance.

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Warum gibt es Widerstand gegen Betriebsräte?

Steffen Müller

in: Wirtschaft im Wandel, 2, 2018

Abstract

Die jüngere ökonomische Forschung stellt der betrieblichen Mitbestimmung z. B. im Hinblick auf ihre Effekte auf Produktivität, Löhne und Gewinne insgesamt ein positives Zeugnis aus. Dies macht den Widerstand von Arbeitgebern gegen Betriebsräte erklärungsbedürftig. Da Mitbestimmung die unternehmerische Freiheit einschränkt, wird vielfach vermutet, dass Arbeitgeber bereit sein könnten, positive Effekte der Mitbestimmung im Gegenzug für größere Handlungsspielräume zu opfern. Unser Beitrag zeigt auf Basis einer Literaturauswertung, dass, jenseits der durchschnittlich positiven Beurteilung durch die Forschung, Mitbestimmung in vielen Betrieben keine positiven ökonomischen Folgen hat. Da das Gewicht solcher Betriebe in den Arbeitgeberverbänden stark ist, kann die ablehnende Haltung der Arbeitgeberverbände auch aus profit­maximierendem Kalkül seiner Mitglieder erklärt werden.

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