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Lohnquote in den letzten 40 Jahren gefallen
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Entwicklung der Lohnquote
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Politikimplikationen
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Abbildung 2 zeigt die Entwicklung dieser drei Maße im Vergleich zur Entwicklung der Lohnquote. Zeitgleich mit dem Fallen der Lohnquote ist ein deutliches Fallen der technologischen Wichtigkeit von Arbeit, ein starker Anstieg der Arbeitsmarktmacht von Firmen und ein moderater Anstieg der Produktmarktmacht von Firmen zu verzeichnen. Hierbei ist zu betonen, dass ein Marktmacht-Wert von 1 jeweils einem kompetitiven Produkt- bzw. Arbeitsmarkt entspricht. Ein Wert größer als 1 bedeutet, dass Firmen Marktmacht auf dem jeweiligen Markt besitzen. Die quantitativen Ergebnisse bedeuten also, dass die Produktmarktmacht von Firmen im Verarbeitenden Gewerbe zwar ansteigt, aber dennoch als insgesamt gering zu bewerten ist. Die Arbeitsmarktmacht von Firmen hingegen weist ein enorm hohes Niveau auf: Im Jahr 2014 erwirtschafteten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Wertgrenzprodukt, das um 42% über ihrem Lohn lag. Dies bedeutet, dass Firmen im deutschen Verarbeitenden Gewerbe ein erhebliches Potenzial für Lohnsteigerungen besitzen.

Die Abbildung zeigt allerdings auch, dass kein einzelner Faktor das Fallen der Lohnquote alleine erklären kann, da sich im Zeitverlauf sowohl die Technologie von Firmen als auch ihre Marktmacht verändert haben.

Quantifizierung des Einflusses von Marktmacht und Technologie

Auf einem kompetitiven Arbeitsmarkt entspricht die Lohnquote der technologischen Wichtigkeit von Arbeit. Dies ist ein Kernergebnis der volkswirtschaftlichen Theorie.8 Diese Tatsache kann ausgenutzt werden, um über die aus den Daten bekannte technologische Wichtigkeit von Arbeit (gemessen als Output-Elastizität von Arbeit) eine hypothetische Lohnquote abzuleiten, die sich bei vollkommenem Wettbewerb einstellen würde und deren Veränderung allein den technischen Fortschritt widerspiegelt. Abweichungen der tatsächlichen Lohnquote von dieser hypothetischen Lohnquote können dann als Einfluss von Marktmacht interpretiert werden. Das Ergebnis einer solchen Analyse ist in Abbildung 3 dargestellt.

Die blaue durchgezogene Linie gibt an, wie sehr die beobachtete Lohnquote von einer kontrafaktischen Lohnquote, welche die Produkt- und Arbeitsmarktmacht von Firmen auf dem Niveau von 1995 fixiert, abweicht (linke Skala).9 Setzt man diese Zahlen in Relation zum tatsächlichen Verlauf der Lohnquote zwischen 1995 und 2014, so kann berechnet werden, dass 50% des Fallens der Lohnquote durch einen Anstieg der Firmenmarktmacht auf Produkt- und Arbeitsmärkten erklärt werden kann. Die verbleibenden 50% sind auf technologischen Wandel, welcher Arbeit durch anderen Produktionsfaktoren ersetzt hat, zurückzuführen.

Ob der Beitrag von Marktmacht zum Fallen der Lohnquote auf eine steigende Produkt- oder eine steigende Arbeitsmarktmacht zurückzuführen ist, lässt sich anhand dieser Zerlegung schwer ermitteln. Da allerdings Produktmärkte im deutschen Verarbeitenden Gewerbe weitestgehend kompetitiv sind (vgl. Abbildung 2), ist davon auszugehen, dass ein Anstieg der Firmenmarktmacht auf dem Arbeitsmarkt den entscheidenden Einfluss auf die Lohnquote ausgeübt hat. Tatsächlich weist der zeitliche Verlauf der (inversen) Arbeitsmarktmacht (gestrichelte Linie in Abbildung 3, rechte Skala) auffallende Ähnlichkeiten zur Entwicklung des Beitrags von allgemeiner Firmenmarktmacht zum Fallen der Lohnquote (durchgezogene Linie) auf.

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Kommentar: Brauchen wir ein Öl- und Gasembargo?

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