Inhalt
Seite 1
Der Zweck von Umfragen unter ökonomischen Laien
Seite 2
Vertrauensindikatoren der Europäischen Kommission
Seite 3
Der PRIMA-Indikator
Seite 4
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Der PRIMA-Indikator

Allgemein formuliert kann die Differenz zwischen dem Indikator der Frage 1 und dem der Frage 2 als Indikator für das Aggregat an privater Information bezüglich der makroökonomischen Entwicklung verwendet werden. Er wird im Folgenden als PRIMA- Indikator bezeichnet (Private Information Macroeconomic Indicator). Während sich die beiden Einzelindikatoren nur zur Einschätzung der gegenwärtigen Wirtschaftslage eignen (siehe Abbildung 2a und 2b), weist der PRIMA-Indikator einen recht hohen Gleichlauf mit dem Zuwachs des deutschen Bruttoinlandsprodukts in den – vom Zeitpunkt der Umfrage aus gesehen – kommenden eineinhalb Jahren auf (Abbildung 2c und 3). Für einen so langen Zeithorizont besitzen geläufige Indikatoren wie die ifo-Geschäftserwartungen keine Prognosekraft mehr.

Im Rahmen eines formalen Modells wird gezeigt, dass der Indikator die in den Umfragen eingefangenen privaten Informationen unter bestimmten Annahmen sogar vollständig widerspiegelt und dass eine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung, die auf Basis öffentlicher Information (etwa des ifo-Geschäftsklimas) vorgenommen wird, durch die zusätzliche Berücksichtigung des PRIMA-Indikators verbessert werden kann.6

Eine wichtige Annahme dabei ist, dass die Befragten mit ihrer finanziellen Lage ihr Haushaltseinkommen verbinden, denn die Summe aller Haushaltseinkommen ist mit dem Bruttoinlandsprodukt eng korreliert. Wenn allerdings auch Erwartungen über das eigene Vermögen die Antworten bestimmen, dürfte der PRIMA-Indikator an Prognosekraft verlieren. Das ist etwa dort der Fall, wo ein erheblicher Anteil der Haushalte Eigentümer von hypothekenbelasteten Häusern ist, etwa in den Niederlanden und den skandinavischen Ländern. Dort spielen Zinsen und Häuserpreise eine erhebliche Rolle für die Einschätzung der eigenen finanziellen Lage. Dies sind aber Größen, die viel weniger mit dem Bruttoinlandsprodukt korrelieren als die Haushaltseinkommen.

Was sagt der PRIMA-Indikator zur aktuellen Konjunktur? In Abbildung 3 ist der Verlauf des PRIMA- Indikators um eineinhalb Jahre in die Zukunft verschoben. Deutlich zu sehen ist seine positive Korrelation mit dem Zuwachs der Produktion bis zu deren unerwartetem Einbruch aufgrund der Corona-Pandemie in der ersten Jahreshälfte 2020. Die Erholung bis zum ersten Halbjahr 2022 hat der Indikator wieder recht gut vorweggenommen. Für die kommenden Quartale stürzt er stark ab. Die Haushalte haben ihre Erwartungen bezüglich der eigenen finanziellen Lage deutlich stärker gesenkt als für die Gesamtwirtschaft, wohl, weil sie sich von Inflation und Energie- krise unmittelbar betroffen sehen. Der PRIMA- Indikator verheißt im Herbst 2022 für die deutsche Konjunktur im Jahr 2023 nichts Gutes. 

Außerdem in diesem Heft

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Kommentar: Alter Wein in neuen Schläuchen: Das Bürgergeld

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2022

Abstract

Am 1. Januar 2023 wird Hartz IV durch das Bürgergeld ersetzt. Der neue Name reduziert das Stigma, Grundsicherung zu erhalten. Aber nach wie vor fehlen Anreize, eine Arbeit aufzunehmen, weil Hinzuverdienst angerechnet wird. Auch das unwürdige Sanktionsregime bleibt im Kern bestehen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre die bessere Alternative.

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Aktuelle Trends: Hohe Umsätze in gasintensiven Industrien – aber niedrige Produktion

Oliver Holtemöller

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2022

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Die gasintensiven Wirtschaftszweige wie die Chemie oder die Herstellung von Holz- und Papierwaren konnten ihre Umsätze im Jahr 2022 deutlich ausweiten. Zugleich haben sie aber die Produktion erheblich reduziert.

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Wie stark beeinflussen menschliche Entscheidungen im Forschungsprozess die Qualität der empirischen Ergebnisse?

Michael Koetter Shuo Xia

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 4, 2022

Abstract

Wie bedeutend ist das menschliche Element für die Genauigkeit empirischer Erkenntnisse in den Wirtschaftswissenschaften? Die Unsicherheit empirischer Schätzungen wird üblicherweise als ein statistisches Phänomen betrachtet. Unbekannte Parameter einer Grundgesamtheit werden anhand einer Stichprobe geschätzt, deren Erzeugung zu so genannten Standardfehlern führt. Forschende treffen jedoch viele unbeobachtete Entscheidungen, die nicht per se richtig oder falsch sind, sich aber auf das Ergebnis der Schätzung auswirken. Beispiele hierfür sind die Wahl der Software, die Art der Datenbereinigung oder die Spezifikation der Kontrollvariablen, um nur einige zu nennen. Wir haben an einem großen crowd-basierten Feldexperiment teilgenommen, bei dem sich herausstellte, dass dieser evidenzgenerierende Prozess von Forscher zu Forscher stark variiert, wodurch eine neue Art von Unsicherheit entsteht: so genannte Nicht-Standardfehler (NSE). 164 Teams von Finanzökonominnen und Finanzökonomen testeten sechs Hypothesen an einer identischen Stichprobe von Finanzmarktdaten. Das wichtigste Ergebnis ist, dass die Nicht-Standardfehler beträchtlich sind und die gleiche Größenordnung haben wie die Standardfehler, dass sie aber nach einem anonymen Begutachtungsprozess deutlich abnehmen. Wer sich von Wirtschaftsforschern beraten lässt, sollte sich daher darüber im Klaren sein, dass die Entscheidungen der einzelnen Forschenden die empirische Evidenz mit einer nicht unerheblichen Unsicherheit behaften. Gleichzeitig scheint eine der Veröffentlichung vorausgehende Begutachtung der Ergebnisse durch wissenschaftliche Kollegen (peer-review) die Anfälligkeit für diese Art von Unsicherheit zu verringern.

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