cover_wiwa_2023-01.jpg

Kommentar: Subventionen für Halbleiter?

Mit dem „European Chips Act“ will die EU mehr als 40 Mrd. Euro ausgeben, um bei systemwichtigen Technologien unabhängiger von China zu werden und im Subventionswettlauf mit den USA nicht zurückzufallen. Doch sowohl das geostrategische Argument als auch die Effizienz und Nachhaltigkeit der Subventionen sind fragwürdig.

10. März 2023

Autoren Reint E. Gropp

Hochtechnologien gelten als die Branchen der Zukunft. Europa will hier nicht den Anschluss verlieren. Auch gegen Lieferengpässe und Produktionsengpässe durch gestörte Lieferketten will sich Europa besser wappnen. Mit dem „European Chips Act“ will die EU-Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten mehr als 40 Mrd. Euro ausgeben, um die europäische Halbleiter-Produktion von gegenwärtig 10% auf dann 20% der globalen Produktion zu steigern. Halbleiter sind nicht nur in Gebrauchsgegenständen wie Handys, Laptops oder Autos, sie sind auch unverzichtbar, wenn die grüne und digitale Wende gelingen soll. Photovoltaikanlagen, nachhaltige Produktion, E-Mobilität – all das braucht Computerchips. Der „European Chips Act“ ist auch eine Antwort der EU auf den U.S.-Chips-Act, der mehr als 50 Mrd. US-Dollar Subventionen für Halbleiter vorsieht, um die Produktion zu sichern, zu modernisieren und auszubauen.

Sind diese Subventionen gerechtfertigt? Das Hauptargument der Politik für diese Subventionen ist geostrategisch. Deutschland und die EU, wie auch die USA, wollen bei systemisch wichtigen Produkten nicht von Importen, insbesondere aus China bzw. Taiwan, abhängig sein. Um diese Unabhängigkeit zu erreichen, reicht es allerdings nicht, Halbleiterfabriken zu subventionieren. Man müsste die gesamte Lieferkette für Halbleiter in die strategische Planung einbeziehen. Viele der Vorprodukte und Rohstoffe für Halbleiter würden weiterhin nicht in Europa produziert, auch wenn die Endfertigung im Lande wäre. Fallen Vorprodukte aus, stehen Fabriken in Deutschland still.

Darüber hinaus kann man argumentieren, dass Halbleiter für die Automobil- oder die Maschinenbauindustrie in Deutschland strategisch wichtig sind, Halbleiter für Computer oder Handys (wie sie jetzt beim Intel-Werk in Magdeburg subventioniert werden sollen) dagegen nicht, da Computer und Handys in Deutschland nicht hergestellt werden. Gleichzeitig ist fraglich, ob das Ausmaß der Subventionen (in Magdeburg bei Intel zum Beispiel mehr als 700 000 Euro pro Arbeitsplatz, ähnlich bei Infineon in Dresden) zu rechtfertigen ist oder ob man nicht lieber in Forschung und Entwicklung, sowohl an Universitäten als auch bei Privatunternehmen, investieren sollte. Empirisch ist jeder Euro, der in Forschung und Entwicklung investiert wird, stark korreliert mit zukünftigem Wirtschaftswachstum und einem Anstieg der Einkommen.

Theoretisch können Subventionen Fehlallokationen in der Wirtschaft verschlimmern oder verbessern. Das hängt davon ab, ob die Subventionen bestehende Friktionen eliminieren oder selbst Verzerrungen in der Allokation von Ressourcen hervorrufen. Die „Friktion“, auf die man mit Subventionen reagiert, ist – neben den geostrategischen Argumenten – die Subventionierung von Halbleiter-Produktion anderswo, besonders in den USA. Es ist aber fraglich, ob selbst zu subventionieren die beste strategische Antwort auf Subventionen in anderen Ländern ist. Vor dem Hintergrund eines akuten Mangels an hochqualifizierten Arbeitskräften in Deutschland wäre es wahrscheinlich besser, billige, subventionierte Chips aus anderen Ländern zu importieren. Zudem greifen die geostrategischen Argumente bei Importen aus den USA nicht. Wenn die Beziehungen zu den USA so weit erodieren, dass die USA deutschen Unternehmen keine Halbleiter mehr verkaufen wollen, wird die Nachfrage nach Halbleitern in Deutschland fallen, da dann auch keine Autos oder Maschinen mehr in die USA exportiert werden könnten. Im Übrigen würde Intel dann wohl seine Fabrik in Magdeburg auch schließen. In Summe sollten wir den Fehler der USA nicht mit einem eigenen Fehler beantworten.

Interessant ist, dass die Halbleiter-Subventionen inzwischen auch in der Bundesregierung nicht mehr unumstritten sind. So hat Bundesfinanzminister Christian Lindner die Höhe der Förderung des US-Konzerns Intel in Magdeburg infrage gestellt und dabei betont, dass der Staat sich von internationalen Unternehmen nicht erpressen lassen sollte. Es ist nicht klar, ob Deutschland und Europa an diesem Subventionswettbewerb teilnehmen sollten. Steuergelder wären anderswo besser angelegt. 

Außerdem in diesem Heft

cover_wiwa_2023-01.jpg

Aktuelle Trends: Wirtschaftswachstum und sinkende CO2-Emissionen schließen sich nicht aus

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 1, 2023

Abstract

Erneuerbare Energiequellen und energiesparender technischer Fortschritt ermöglichen es, den CO2-Ausstoß einer Volkswirtschaft bei steigendem Bruttoinlandsprodukt zu senken. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen diese Anstrengungen aber noch deutlich verstärkt werden

Publikation lesen

cover_wiwa_2023-01.jpg

Die Schließung von Polizeiposten führt zu einem Anstieg der Diebstahlkriminalität

André Diegmann Sebastian Blesse

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 1, 2023

Abstract

Die Zusammenlegung von Polizeikräften durch die Schließung von Polizeiposten ist ein vielbeobachtetes Phänomen in entwickelten Volkswirtschaften. Polizeiposten stellen einen bedeutenden und sichtbaren Teil der öffentlichen Infrastruktur dar. Als Ergebnis der vorliegenden Studie zeigt sich, dass die Schließung von Polizeiposten zu einem Anstieg von Autodiebstählen und Wohnungseinbrüchen führt. Diese Resultate können nicht durch Verdrängungseffekte in andere Regionen, veränderte Einsatzstrategien der Polizeieinheiten oder eine geringere Inhaftierung von Kriminellen erklärt werden. Vielmehr sind sie konsistent mit einer veränderten Wahrnehmung der Aufklärungswahrscheinlichkeit. Somit zeigt sich, dass die Sichtbarkeit von lokalen Polizeiposten zur Abschreckung und demnach zur Kriminalitätsbekämpfung beiträgt.

Publikation lesen

cover_wiwa_2023-01.jpg

Wirtschaftliche Folgen des Gaspreisanstiegs für die deutsche Industrie

Steffen Müller

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 1, 2023

Abstract

Die Gaspreise haben sich in Deutschland infolge des Lieferstopps russischen Erdgases deutlich erhöht, mit möglichen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Wir berechnen den Gasverbrauch auf Produktebene für die Zeit vor der Energiekrise mit Hilfe der Mikrodaten der amtlichen Statistik, um zielgenau abschätzen zu können, bei welchen Produkten eine Drosselung der Produktion zur maximalen Gaseinsparung bei minimalen wirtschaftlichen Verlusten führen würde. Die Verwendung von Mikrodaten zeigt, dass die Folgen für Umsatz und Wertschöpfung in der Industrie bei Weitem nicht so negativ ausfallen werden wie von vielen befürchtet.

Publikation lesen

Ihr Kontakt

Für Wissenschaftler/innen

Für Journalistinnen/en

Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft LogoTotal-Equality-LogoGefördert durch das BMWK