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Wirtschaft in Deutschland

In Deutschland stand das erste Jahr der Corona-Pandemie im Zeichen extremer Schwankungen der ökonomischen Aktivität und einer massiven Lähmung der Binnenwirtschaft. Besonders ausgeprägt war das Ab und Auf im industriellen Exportgeschäft. Anders als in früheren Krisen ist der private Konsum diesmal kein stabilisierender Faktor, sondern seinerseits mitursächlich für die starken Schwankungen. Maßgeblich hierfür ist, dass Infektionsschutzmaßnahmen zahlreiche kontaktintensive Geschäftsmodelle vor allem in den konsumbezogenen Dienstleistungsbranchen behindern, so dass die privaten Haushalte ihre Ausgaben nicht wie gewohnt tätigen können.

Der kräftige Erholungsprozess kam über das zurückliegende Winterhalbjahr im Zuge der zweiten Infektionswelle insgesamt zum Erliegen, wobei der Konjunkturverlauf zwischen Industrie und Dienstleistern gespalten ist. Die Industriekonjunktur war vor allem dank eines steigenden Auslandsgeschäfts bis zuletzt weiter aufwärtsgerichtet. Demgegenüber gab die Aktivität in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen mit dem Eintritt in die zweite Shutdown-Phase abermals deutlich nach. Diese begann im November 2020 mit neuerlichen kontaktbeschränkenden Maßnahmen, die bis Jahresende sukzessive verschärft wurden und dann im März 2021 allmählich gelockert wurden. Per Saldo verzeichnete die Wirtschaftsleistung im Schlussquartal nur noch ein kleines Plus (0,3%), dem im ersten Quartal ein deutliches Minus gefolgt sein dürfte, das die Institute auf -1,8% veranschlagen. Neben dem Pandemiegeschehen prägt auch die am 1. Januar erfolgte Rückkehr zu den vormaligen Mehrwertsteuersätzen die wirtschaftliche Dynamik um den Jahreswechsel, da Käufe von langlebigen Konsumgütern und Bauleistungen in das alte Jahr vorgezogen wurden. Zudem ist die Bauproduktion witterungsbedingt zu Jahresbeginn kräftig gesunken.

Trotz des immer wieder verlängerten zweiten Shutdowns haben sich eine Reihe von Indikatoren zuletzt wieder deutlich verbessert. Dabei ist bemerkenswert, dass sich die ifo Geschäftserwartungen im Dienstleistungssektor und im Handel aufgehellt haben. Darin dürfte vor allem die Erwartung zum Ausdruck kommen, dass die zunehmende Immunisierung der Bevölkerung die Infektionsschutzmaßnahmen in absehbarer Zeit entbehrlich macht. Dies wird auch für diese Prognose angenommen. Konkret gehen die Institute angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens davon aus, dass der derzeitige Shutdown zunächst fortgesetzt wird und dabei auch die im März erfolgten Lockerungen wieder weitgehend zurückgenommen werden. Erst ab Mitte des zweiten Quartals setzen Lockerungsschritte ein, die es den im Shutdown befindlichen Unternehmen erlauben, ihre Aktivitäten nach und nach wieder aufzunehmen. Bis zum Ende des dritten Quartals sollten dann alle Beschränkungen aufgehoben worden sein, weil bis dahin insbesondere mit einem weitreichenden Impffortschritt zu rechnen ist.

Unter dieser Voraussetzung wird es in den Dienstleistungsbereichen zu einer kräftigen Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivität im Sommerhalbjahr kommen. Aufgrund der schrittweisen Aufhebung der Beschränkungen dürfte die Aktivität im dritten Quartal stärker zunehmen als im zweiten. Verwendungsseitig spielt dabei der private Konsum die Hauptrolle. Die Erfahrungen aus dem vergangenen Frühjahr legen nahe, dass sich das wirtschaftliche Geschehen in vielen Bereichen so rasch normalisiert, dass der Aufhol- prozess im Verlauf dieses Jahres weitgehend abgeschlossen wird. In der Folge fallen dort die Produktionszuwächse im kommenden Jahr wieder weitgehend normal aus.

Die während der Pandemie beschränkten Konsummöglichkeiten gehen mit einer erheblichen Ersparnisbildung der  privaten Haushalte einher. Die Institute schätzen die so aufgestaute Kaufkraft für die Jahre 2020 und 2021 auf insgesamt über 200 Mrd. Euro. Es ist unklar, welcher Teil davon in den Konsum fließt, sobald die Infektionsschutzmaßnahmen aufgehoben werden. Die Institute nehmen hierzu an, dass es nicht zu nachholenden Konsumaktivitäten in großem Stil kommen wird. Freilich ziehen die privaten Konsumausgaben allein durch die Rückkehr zum gewohnten Sparverhalten aus der Zeit vor der Pandemie kräftig an.

Infolge der für das Sommerhalbjahr erwarteten kräftigen Erholung dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 3,7% zulegen. Die mit 3,9% sogar noch etwas höhere Rate im kommenden Jahr ist ganz überwiegend (3,1 Prozentpunkte) dem statistischen Überhang geschuldet (die Verlaufsrate beträgt 1,4%). Grund dafür ist im Wesentlichen das  veränderte Pandemiegeschehen. Etwa zur Mitte des Prognosezeitraums dürften die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten normal ausgelastet sein und dies bis zum  Prognosehorizont auch bleiben.

Die bisher niedrigen Zahlen bei den Unternehmensinsolvenzen dürften vor allem auf die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und das Aussetzen der Anmeldepflicht für Insolvenzen zurückzuführen sein, welches derzeit noch bis Ende April dieses Jahres vorgesehen ist. Durch  den Corona-Schock sind die Geschäftsmodelle der davon betroffenen Wirtschaftsbereiche für die Zeit nach der  Pandemie aber ganz überwiegend nicht obsolet geworden, sondern dürften dann weiterhin marktfähig sein. Allerdings zeigen die Erfahrungen aus der Finanzkrise, dass die Insolvenzanmeldungen erst mit einiger Verzögerung auf den Einbruch der Wirtschaftsaktivität erfolgen. Weil ein Teil der Anzeigen diesmal durch die wirtschaftspolitischen Maßnahmen verhindert wurde, wird es wohl vorübergehend zu einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen kommen, wenn die staatlichen Hilfsmaßnahmen auslaufen und die Pflicht zur Insolvenzanmeldung wieder vollumfänglich gilt.

Auf die Beschäftigung dürfte der Anstieg des Insolvenzgeschehens nur geringe Auswirkungen haben, da viele betroffene Betriebe, z.B. in der Gastronomie, relativ klein sind. Zudem hat sich die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen in den vergangenen Monaten stark verbessert, vor allem im Verarbeitenden Gewerbe. Dies spricht dafür, dass die Erholung der Erwerbstätigkeit im Sommerhalbjahr an Fahrt gewinnen dürfte. Im Jahresdurchschnitt ist für das Jahr 2021 ein Anstieg der Erwerbstätigkeit um 26 000 Personen zu erwarten. Im kommenden Jahr dürfte der Anstieg  539 000 Personen betragen, wobei das Vorkrisenniveau im ersten Halbjahr wieder erreicht wird. Im Zuge der Lockerungen der Infektionsschutzmaßnahmen ab Mai wird die Zahl der Arbeitslosen wohl verstärkt zurückgehen.

Die Verbraucherpreise unterliegen im laufenden Jahr mehreren Sondereffekten, die die Inflationsrate deutlich steigen lassen werden. Hierzu zählen preiswirksame politische Entscheidungen (Rückkehr zu höheren Mehrwertsteuersätzen, Einführung der CO2-Abgabe) und das kräftige Wiederanziehen wichtiger Rohstoffpreise. Die von den  Instituten prognostizierte Rate von 2,4% fällt so hoch aus wie seit 13 Jahren nicht mehr; in der zweiten Jahreshälfte dürfte auch die 3%-Marke erreicht werden. Im kommenden Jahr klingen die Sondereffekte jedoch ab, und die Verbraucherpreisinflation verlangsamt sich auf 1,7%.

Die öffentlichen Haushalte dürften im Jahr 2021 ein Defizit aufweisen, das mit 159 Mrd. Euro noch etwas höher ausfällt als im Jahr zuvor. Zwar nehmen konjunkturell die Steuereinnahmen bereits wieder zu. Die Ausgaben für Impfungen und Tests lassen jedoch die sozialen Sachleistungen kräftig steigen. Die Investitionstätigkeit des Staates dürfte weiter expandieren, insbesondre aufgrund der verfügbaren Mittel in Investitionsprogrammen. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt dürfte das gesamtstaatliche Budgetdefizit im Jahr 2021 mit 4,5% in etwa konstant bleiben und im Jahr 2022 auf 1,6% deutlich zurückgehen.

 

 

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