IWH-Insolvenztrend: Überdurchschnittlich viele Jobs von Firmenpleiten betroffen

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften ist im Februar gestiegen, zeigt die aktuelle Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Außerdem liegt die Zahl der betroffenen Jobs erneut über dem Durchschnitt der Vorkrisenjahre.

Autoren Steffen Müller

Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut IWH-Insolvenztrend im Februar bei 833 (vgl. Abbildung 1). Das sind etwa 7% mehr als im Januar und 19% mehr als im Februar vorigen Jahres. Trotz des Anstiegs liegt die Zahl der Insolvenzen weiterhin unter dem Februar-Durchschnitt der Vorkrisenjahre von 930.

Die Analyse des IWH zeigt, dass in den größten 10% der Unternehmen, deren Insolvenz im Februar gemeldet wurde,
11 600 Arbeitsplätze betroffen waren (vgl. Abbildung 2). Die Zahl der betroffenen Beschäftigten liegt damit weit über dem Vorjahreswert. Sie ist fast doppelt so hoch wie im Februar-Durchschnitt der Vorkrisenjahre und so hoch wie seit Juni 2021 nicht mehr. Anders als in den Vormonaten betrafen Firmenpleiten im Februar nicht überwiegend Industriearbeitsplätze. Auch Beschäftigte im Einzelhandel, bei Büro- und Personaldienstleistern sowie im Gesundheitsbereich waren von größeren Insolvenzen betroffen.

Die Zahl der betroffenen Jobs liegt zudem den vierten Monat in Folge über dem Durchschnitt der Vorkrisenjahre. Waren im Mittel der Jahre 2016 bis 2019 zwischen November und Februar monatlich etwa
7 000 Arbeitsplätze von Insolvenz betroffen, waren es in den vergangenen vier Monaten durchschnittlich knapp 10 000 Jobs. Vor diesem Hintergrund erklärt Steffen Müller, Leiter der IWH-Abteilung Strukturwandel und Produktivität und der dort angesiedelten Insolvenzforschung, dass für die volkswirtschaftliche Bewertung des Insolvenzgeschehens nicht in erster Linie die Anzahl der Insolvenzen, sondern vielmehr die Größe der betroffenen Unternehmen relevant ist. Denn die meisten Insolvenzen betreffen sehr kleine Unternehmen ohne große volkswirtschaftliche Relevanz.

„Die volkswirtschaftliche Relevanz des Insolvenzgeschehens war in den letzten Monaten vergleichsweise hoch“, resümiert Müller. Trotz gestiegener Jobverluste ist der Marktaustritt nicht wettbewerbsfähiger Unternehmen wichtig für die fortlaufende Erneuerung der Wirtschaft. „Für den März erwarten wir weiter steigende Insolvenzzahlen“, sagt Steffen Müller.

Deutlich schneller als die amtliche Statistik liefert der IWH-Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jeden Monat einen belastbaren Befund zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Ergebnisse weisen nur geringfügige Abweichungen von den amtlichen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben (vgl. Abbildung 3). Der IWH-Insolvenztrend ist deshalb ein verlässlicher Frühindikator. Für seine Analysen wertet das IWH die aktuellen Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus und verknüpft sie mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen. Dank seiner langjährigen Expertise, gebündelt in der IWH-Insolvenzforschungsstelle, gehört das Institut bundesweit zu den führenden Einrichtungen auf diesem Themengebiet.

Die im IWH-Insolvenztrend gemeldeten Insolvenzen für Kapital- und Personengesellschaften umfassen in der Regel mehr als 90% der von Unternehmensinsolvenz betroffenen Arbeitsplätze und 95% der Forderungen. Damit bilden diese Zahlen verlässlich die direkten volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Insolvenzgeschehens ab. Auch die amtliche Statistik weist monatlich vorläufige Insolvenzzahlen aus. Diese beziehen sich jedoch auf alle Regelinsolvenzen. Regelinsolvenzen umfassen neben den im IWH-Insolvenztrend erfassten Personen- und Kapitalgesellschaften auch die gesamtwirtschaftlich wenig relevante Gruppe der Kleinstunternehmen. Zudem werden auch bestimmte natürliche Personen wie Selbstständige oder ehemals selbstständig Tätige mit unüberschaubaren Vermögensverhältnissen sowie privat haftende Gesellschafter und Einzelunternehmer gemeldet. Die Zahl der Personen- und Kapitalgesellschaften macht weniger als die Hälfte der Regelinsolvenzen aus. Die monatliche Zahl der Regelinsolvenzen schwankt sehr viel stärker als die Zahlen des IWH-Insolvenztrends.

Alle zugrundeliegenden Daten als Excel-Download finden Sie unter diesem Link.

Mehr zur IWH-Insolvenzforschung und zur Methodik hinter dem IWH-Insolvenztrend: www.iwh-halle.de/insolvenzforschung.

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