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Kommentar: Für mehr Ehrlichkeit in der Rentendebatte

Durch die steigende Lebenserwartung und die geringen Geburtenraten wird in Zukunft eine abnehmende Zahl von Erwerbstätigen in Deutschland die Rentenleistungen für eine steigende Zahl von Rentnern finanzieren müssen. Während im Jahr 2016 auf 100 Beschäftigte 53 Rentner kommen, werden es im Jahr 2050 mehr als 80 Rentner sein. Diese Entwicklung führt zu einer zunehmenden Verunsicherung in der Bevölkerung hinsichtlich der zukünftigen Leistungsfähigkeit der umlagefinanzierten Altersversorgung. Auf diese Verunsicherung antwortete die Politik kürzlich wieder mit der Formulierung einer so genannten doppelten Haltelinie. Diese beinhaltet eine untere Grenze für das Sicherungsniveau und eine obere Grenze für den Beitragssatz.

15. Dezember 2016

Autoren Martin Altemeyer-Bartscher Oliver Holtemöller

Möglich ist das nur, wenn die Bundeszuschüsse in Zukunft kräftig erhöht werden. Das ist ein ungedeckter Scheck, denn die Finanzierung dieser Bundeszuschüsse bleibt ungeklärt. Die aktuelle Situation mit niedrigen Zinsen und hohen Steuereinnahmen scheint für die Politik zu verlockend zu sein, nach der abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren die knappen Ressourcen weiter zu verbrauchen, ohne an die Zukunftsfähigkeit des Generationenvertrags zu denken. Zusätzliche Leistungen für die Älteren sollen durch Mehrbelastungen der Jüngeren finanziert werden. Generationengerechtigkeit sieht anders aus. Viel sinnvoller wäre es, mehr Ressourcen für Investitionen in die mancherorts bröckelnde Infrastruktur und vor allem in Bildung und Forschung aufzuwenden.

Die Bundeszuschüsse sind in der Vergangenheit bereits gestiegen, weil zahlreiche nicht beitragsgedeckte Leistungen in die gesetzliche Rentenversicherung inte griert wurden. Derartige Leistungen zielen meist darauf ab, die Gefahr von Altersarmut einzudämmen. Sie sind allerdings, wie beispielsweise die gegenwärtig viel diskutierte Lebensleistungsrente, oft ein stumpfes Politikinstrument. Da nicht jeder Haushalt, der geringe Rentenansprüche erwirbt, gleichzeitig auch arm ist, können finanzielle Hilfen zur Armutsbekämpfung zielgerechter in Verbindung mit entsprechenden Bedürftigkeitsprüfungen außerhalb des Rentensystems geleistet werden. Die Diskussion um die Anpassung der Renten zwischen Ost und West läuft ebenfalls auf eine weitere Umverteilung von Jung zu Alt hinaus. Ältere profitieren von der schnelleren Anpassung der Rentenwerte, während die Jüngeren aufgrund der wegfallenden Höherbewertung der Löhne schlechter gestellt werden. Mit Ost-West-Gerechtigkeit hingegen hat das wenig zu tun, denn die Ost-Renten fallen insgesamt gegenwärtig keineswegs niedriger aus als die West-Renten.

Solange die Politik vorgibt, dass bei der Rentenversicherung gleichzeitig Beiträge, Rentenniveau und Renteneintrittsalter mit Haltelinien stabil gehalten und auch noch Altersarmut von Menschen mit zu geringen Rentenansprüchen innerhalb des Rentensystems behoben werden kann, ist eine tragfähige Lösung noch weit entfernt. Denn auch die Lastenverschiebung über Bundeszuschüsse lässt sich nicht ewig fortsetzen.

Außerdem in diesem Heft

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Aktuelle Trends: Ungewöhnliche Zeiten in der Geldpolitik: Niedriges Zinsniveau begleitet von hohen Zentralbankreserven

Kirsten Schmidt Lena Tonzer

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 6, 2016

Abstract

Mit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 und der sich anschließenden Staatsschuldenkrise kam es zu zahlreichen Veränderungen in der Implementierung der Geldpolitik im Euroraum. Oberstes Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist dabei die Wahrung der Preisstabilität und ein funktionierender Geldtransmissionsmechanismus. 

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Dienstleister bestimmen die Dynamik der Beschäftigung

Hans-Ulrich Brautzsch

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 6, 2016

Abstract

Der in Ostdeutschland deutlich geringere Beschäftigungsaufbau im Vergleich zu Westdeutschland ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die Impulse der Dienstleistungsbereiche für die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung beträchtlich geringer sind als in Westdeutschland. Allerdings nimmt Berlin unter den ostdeutschen Ländern eine Sonderstellung ein, da der dortige kräftige Beschäftigungsaufbau vollständig von den Dienstleistungsbereichen getragen wird. Auf der Kreisebene zeigt sich eine hohe Korrelation zwischen der Beschäftigungsentwicklung insgesamt und der Höhe der Expansionsbeiträge der Dienstleistungsbereiche. Die regional differierenden Expansionsbeiträge der Dienstleistungsbereiche stehen im Zusammenhang mit Unterschieden bei der Teilzeitbeschäftigung, der demographischen Entwicklung sowie der Siedlungs- und Produktionsstruktur.

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Einkommensverluste nach Arbeitsplatzverlusten: Kompensation vor allem durch staatliche Umverteilung

Daniel Fackler Eva Hank

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 6, 2016

Abstract

Zahlreiche Studien zeigen, dass unfreiwillige Arbeitsplatzverluste zu hohen und langfristigen Einkommensverlusten bei betroffenen Arbeitnehmern führen. Die vorliegende Studie verwendet Befragungsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), um erstmals umfassend zu untersuchen, ob und in welchem Ausmaß Verluste im individuellen Arbeitseinkommen durch alternative Einkommensquellen, Reaktionen anderer Haushaltsmitglieder und durch staatliche Umverteilung ausgeglichen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass Verdienstverluste vor allem durch staatliche Umverteilung kompensiert werden, wohingegen andere Kanäle nur eine untergeordnete Rolle spielen. Ein Vergleich internationaler empirischer Evidenz zu den Verdienstausfällen nach Arbeitsplatzverlusten spricht nicht dafür, dass staatliche Umverteilung den Anreiz, Verluste durch eigene Anstrengungen selbst auszugleichen, vermindert.

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Im Fokus: Industrielle Kerne in Ostdeutschland und wie es dort heute aussieht – Das Beispiel SKET Magdeburg

Gerhard Heimpold

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 6, 2016

Abstract

Die erste Privatisierung des Stammbetriebs des ehemaligen VEB Schwermaschinenbau-Kombinats „Ernst Thälmann“ (SKET) scheiterte nach zwei Jahren, und das Unternehmen ging 1996 in die Gesamtvollstreckung. Im Jahr 1998 wurden in einem zweiten Anlauf die fünf geschaffenen Auffanggesellschaften allesamt privatisiert, allerdings mit nur wenigen Beschäftigten. In einem Fall entstand eine völlig neue Produktion: die Herstellung von Komponenten für Windenergieanlagen. Der Aufschwung der erneuerbaren Energien hat den Magdeburger Schwermaschinenbauern in die Hände gespielt. Die Verfügbarkeit großer Industrieflächen war ebenfalls förderlich für diese Branche, ebenso die Kompetenzen in der Bearbeitung großer Maschinenteile. Auch andere Geschäftsfelder des früheren Schwermaschinenbau-Kombinats leben in Form mittelständischer Unternehmen fort: die Entwicklung und Herstellung von Maschinen zur Verarbeitung von Ölsaaten, Maschinen in den Bereichen Kabel- und Stahlseiltechnik, Walzwerksausrüstungen sowie EDV-Dienstleistungen.

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6th IWH/INFER-Workshop on Applied Economics and Economic Policy: “(Ending) Unconventional Monetary Policy

Birgit Schultz Gregor von Schweinitz

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 6, 2016

Abstract

Am 29. und 30. September 2016 fand am IWH in Zusammenarbeit mit dem International Network for Economic Research (INFER) der 6. Workshop in der Reihe „Applied Economics and Economic Policy“ statt. Im Rahmen des Workshops stellten Wissenschaftler europäischer Universitäten und internationaler Organisationen ihre neuesten Forschungsergebnisse zu aktuellen ökonomischen Fragen und Problemen vor und diskutierten diese intensiv. Insbesondere gab es einen regen Austausch über das Spezialthema „(Ending) Unconventional Monetary Policy“. Hier ging es vor allem um die geldpolitischen Maßnahmen und Instrumente, die neben dem Zentralbankzins seit der Finanzkrise eingesetzt werden.

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