20 Jahre nach Hurrikan Katrina: Kirchenzugehörigkeit trug deutlich zur wirtschaftlichen Erholung bei
In Krisenzeiten wirken sich gesellschaftliche Bindekräfte auch wirtschaftlich positiv aus. Das belegt eine Untersuchung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) anhand einer der schwersten Naturkatastrophen in der Geschichte der USA. Während der Sturmsaison vor 20 Jahren verursachte allein der Hurrikan Katrina im Südosten der Vereinigten Staaten mehr als 1 800 Tote, 400 000 Obdachlose und einen Sachschaden von geschätzt 100 bis 150 Milliarden US-Dollar. Nach der Katastrophe ging die Produktivität der Betriebe in den betroffenen Gebieten zurück. Doch wie die Studie zeigt, konnten sich Betriebsstätten in Gegenden mit einem hohen Anteil an christlichen Kirchenmitgliedern wirtschaftlich deutlich besser erholen: Sie erzielten in den Jahren 2005 bis 2010 eine höhere Produktivität als Betriebe in Kreisen mit einer schwach ausgeprägten Kirchenbindung. Wo die Kirchenzugehörigkeit 10 Prozentpunkte über dem Durchschnitt lag, wurde der wirtschaftlich negative Effekt der Katastrophe um die Hälfte abgeschwächt.
Für den positiven Zusammenhang zwischen Religionszugehörigkeit und Wirtschaftskraft gibt es mehrere Gründe. Gläubige treffen in Kirchen Freunde und Bekannte, sie bekommen Essen und Informationen. Das Zugehörigkeitsgefühl stärkt die Hoffnung auf einen Neubeginn nach der Katastrophe. Zumal bei Gläubigen das Vertrauen in Institutionen und die Verbundenheit zur eigenen Region überdurchschnittlich stark ausgeprägt sind.
Wie die IWH-Studie nachweist, blieben Menschen in Kreisen mit hoher Zugehörigkeit zum Christentum öfter als andere in ihren Heimatregionen, nachdem diese von Katrina und weiteren Wirbelstürmen getroffen worden waren. Somit waren dort mehr Menschen verfügbar, um den Wiederaufbau zu stemmen, und zwar sehr talentierte Menschen: Gläubige sind nachweislich besonders wirtschaftsaffin, sie gründen öfter, neigen zu Sparsamkeit und zeigen eine hohe Kooperationsbereitschaft. Bei Protestanten wirken diese Faktoren stärker als bei Katholiken.
Die IWH-Studie zeigt, dass Religion sowie weitere kulturelle Faktoren ökonomische Entwicklungsprozesse mitprägen und Menschen in Ausnahmesituationen stützen. „In Zeiten, in denen wir gleichzeitig mit unterschiedlichen Krisen umgehen müssen, sind gesellschaftliche Bindekräfte besonders hilfreich. Gerade große und komplexe Probleme lassen sich oft nur gemeinsam lösen. Ein hoher Zusammenhalt stärkt die Menschen vor Ort und hilft dabei, Krisen schneller zu überwinden“, sagt Felix Noth, stellvertretender Leiter der IWH-Abteilung Finanzmärkte. Er hat die Studie zusammen mit Iftekhar Hasan und Stefano Manfredonia verfasst.
Die drei Ökonomen untersuchten zunächst anhand statistisch erfasster Windstärken, wie stark einzelne Gebiete im Südosten der USA von den Wirbelstürmen 2005 betroffen waren. Dabei schauten sie auf die Ebene der Counties, in etwa vergleichbar mit den deutschen Landkreisen. Diese Informationen setzten sie ins Verhältnis zu Wirtschaftsdaten von 4,7 Millionen Betriebsstätten. Gemessen an Umsatz und Zahl der Beschäftigten fanden sie heraus, wie sich die Produktivität in den Jahren 2000 bis 2010, also vor und nach der Katastrophe, entwickelt hatte. Die Forscher unterschieden zwischen Betriebsstätten in Gebieten mit einer hohen und mit einer niedrigen Zugehörigkeit zu christlichen Kirchgemeinden. Mit Hilfe des Differenz-von-Differenzen-Ansatzes ermittelten sie den Einfluss der Religion auf die Leistungskraft der Betriebe.
Nach mehreren Überprüfungen konnten die Forscher eine Scheinkorrelation weitgehend ausschließen: Die höhere Produktivität lässt sich unmittelbar auf den Faktor Religion in bestimmten Kreisen zurückführen. Denn weder hatten die Menschen dort bessere Verbindungen in die Politik, noch erhielten sie mehr Hilfsgelder als andere.
Veröffentlichungen:
Iftekhar Hasan, Stefano Manfredonia, Felix Noth: Church Membership and Economic Recovery: Evidence from the 2005 Hurricane Season, in: The Economic Journal, Vol. 134 (664), November 2024, 3306–3332.
Felix Noth: Gottvertrauen hilft. Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 16.06.2025, 16.
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