Konjunktur aktuell: Belebung in Dienstleistungsbranchen, aber zunächst weiter schwache Industriekonjunktur

Die deutsche Wirtschaft wird nach der Winterrezession und trotz gestiegener Zinsen in den kommenden Quartalen in mäßigem Tempo expandieren, denn mit sinkender Inflation und erhöhter Lohndynamik wird der private Konsum wieder zulegen. Nach der Sommerprognose des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) dürfte das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2023 um 0,3% zurückgehen, für das kommende Jahr ist ein Zuwachs von 1,7% prognostiziert.

Autoren Oliver Holtemöller

Im Sommer 2023 deuten Stimmungsindikatoren auf einen weltweiten Aufschwung in den Dienstleistungsbranchen, die Konjunktur im Verarbeitenden Gewerbe bleibt aber schwach. In Europa belasten auch im langjährigen Vergleich hohe Energiepreise. Hohe Inflation und gestiegene Leitzinsen dämpfen die Konjunktur in den meisten Weltregionen. Allerdings gehen die Inflationsraten nach und nach zurück, und die Leitzinsen werden nur noch wenig steigen. Für das zweite Halbjahr 2023 ist damit zu rechnen, dass die US-Produktion lediglich in etwa stagniert. Im Euroraum dürften die Reallöhne bei noch steigender Lohndynamik ab der zweiten Jahreshälfte nicht mehr sinken, und die Rezession wird zu einem Ende kommen. In China setzt sich die Erholung mit mäßiger Dynamik fort. Insgesamt bleibt die Dynamik der Weltwirtschaft im Jahr 2023 verhalten.

Die deutsche Wirtschaft war im Winter in der Rezession. Ausschlaggebend war die Schwäche des privaten Konsums aufgrund der inflationsbedingt rückläufigen real verfügbaren Einkommen. Zudem sank der Staatskonsum im ersten Quartal außergewöhnlich deutlich. Anders als das Bruttoinlandsprodukt hat die Bruttowertschöpfung allerdings zu Jahresbeginn zugenommen. Die Diskrepanz erklärt sich zum Teil aus der Schwäche des privaten Konsums, welche über geringere Umsatzsteuern das Bruttoinlandsprodukt stärker dämpft als die Wertschöpfung. In den kommenden Quartalen dürfte der Konsum wieder zunehmen, auch weil die günstige Arbeitsmarktlage den Beschäftigten Arbeitsplatzsicherheit gibt. Bislang haben Arbeitskräftemangel und hohe Inflation zwar wenig auf die Tariflöhne durchgeschlagen, die Effektivverdienste steigen aber kräftiger. Zudem sind Tarifverträge derzeit für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer günstiger, als die Lohnerhöhungen nahelegen, weil diese häufig als Inflationsausgleichsprämien sozialversicherungs- und lohnsteuerbefreit sind. Da gleichzeitig die Preisdynamik langsam zurückgeht, werden die Realeinkommen wieder etwas zunehmen. Von den Exporten sind kaum Impulse zu erwarten, denn die Weltkonjunktur bleibt träge, und wichtige deutsche Exportbranchen haben Probleme mit ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Die Bruttoanlageinvestitionen, insbesondere in Bauten, werden von den gestiegenen Finanzierungskosten gedämpft. „Alles in allem wird die Produktion in Deutschland im weiteren Jahresverlauf wieder moderat zulegen“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. „Für das Jahr 2023 insgesamt ergibt sich allerdings ein Rückgang um 0,3%, für 2024 prognostizieren wir einen Zuwachs von 1,7%.“ Für das Jahr 2023 ist mit einer Inflationsrate von 6,1% und für 2024 mit 2,7% zu rechnen.

Ein Risiko für die Konjunktur liegt in der Unsicherheit über die Höhe des Potenzialwachstums in Deutschland. Nach vorliegender Prognose nimmt die Produktion ab Ende 2023 mit recht kräftigen Raten zu, sodass sich die Wirtschaft ihrer Normalauslastung nähert. Allerdings herrscht verbreitet Arbeitskräftemangel, und in wichtigen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes, etwa in der Chemieindustrie, dürfte Kapital obsolet geworden sein. Es ist also nicht sicher, dass für die prognostizierte Expansion ausreichende Kapazitäten vorhanden sind.

Die Langfassung der Prognose enthält drei Kästen:

Kasten 1: Rahmenbedingungen für die Prognose


Kasten 2: Zur Schätzung des Produktionspotenzials

Kasten 3: Der PRIMA-Indikator des IWH spricht für Schwäche der deutschen Konjunktur auch im Jahr 2024

Langfassung: Drygalla, Andrej; Exß, Franziska; Heinisch, Katja; Holtemöller, Oliver; Kämpfe, Martina; Kozyrev, Boris; Lindner, Axel; Mukherjee, Sukanya; Sardone, Alessandro; Schult, Christoph; Schultz, Birgit; Zeddies, Götz: Konjunktur aktuell: Belebung in Dienstleistungsbranchen, aber zunächst weiter schwache Industriekonjunktur. IWH, Konjunktur aktuell, Jg. 11 (2), 2023. Halle (Saale) 2023.

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Zugehörige Publikationen

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Konjunktur aktuell: Belebung in Dienstleistungsbranchen, aber zunächst weiter schwache Industriekonjunktur

Arbeitskreis Konjunktur des IWH

in: Konjunktur aktuell, 2, 2023

Abstract

Im Sommer 2023 deuten Stimmungsindikatoren auf einen weltweiten Aufschwung in den Dienstleistungsbranchen, die Konjunktur im Verarbeitenden Gewerbe bleibt aber schwach. Hohe Inflation und gestiegene Leitzinsen dämpfen die Konjunktur in den meisten Weltregionen. In Europa belasten auch im langjährigen Vergleich hohe Energiepreise. Insgesamt bleibt die Dynamik der Weltwirtschaft im Jahr 2023 verhalten. Die deutsche Wirtschaft wird in mäßigem Tempo expandieren, denn mit sinkender Inflation und erhöhter Lohndynamik wird der private Konsum wieder zulegen. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte 2023 um 0,3% zurückgehen, für das kommende Jahr ist ein Zuwachs von 1,7% prognostiziert. Für 2023 ist mit einer Inflationsrate von 6,1% und für 2024 mit 2,7% zu rechnen.

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