Wie stark beeinflussen menschliche Entscheidungen im Forschungsprozess die Qualität der empirischen Ergebnisse?
Michael Koetter, Shuo Xia
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 4,
2022
Abstract
Wie bedeutend ist das menschliche Element für die Genauigkeit empirischer Erkenntnisse in den Wirtschaftswissenschaften? Die Unsicherheit empirischer Schätzungen wird üblicherweise als ein statistisches Phänomen betrachtet. Unbekannte Parameter einer Grundgesamtheit werden anhand einer Stichprobe geschätzt, deren Erzeugung zu so genannten Standardfehlern führt. Forschende treffen jedoch viele unbeobachtete Entscheidungen, die nicht per se richtig oder falsch sind, sich aber auf das Ergebnis der Schätzung auswirken. Beispiele hierfür sind die Wahl der Software, die Art der Datenbereinigung oder die Spezifikation der Kontrollvariablen, um nur einige zu nennen. Wir haben an einem großen crowd-basierten Feldexperiment teilgenommen, bei dem sich herausstellte, dass dieser evidenzgenerierende Prozess von Forscher zu Forscher stark variiert, wodurch eine neue Art von Unsicherheit entsteht: so genannte Nicht-Standardfehler (NSE). 164 Teams von Finanzökonominnen und Finanzökonomen testeten sechs Hypothesen an einer identischen Stichprobe von Finanzmarktdaten. Das wichtigste Ergebnis ist, dass die Nicht-Standardfehler beträchtlich sind und die gleiche Größenordnung haben wie die Standardfehler, dass sie aber nach einem anonymen Begutachtungsprozess deutlich abnehmen. Wer sich von Wirtschaftsforschern beraten lässt, sollte sich daher darüber im Klaren sein, dass die Entscheidungen der einzelnen Forschenden die empirische Evidenz mit einer nicht unerheblichen Unsicherheit behaften. Gleichzeitig scheint eine der Veröffentlichung vorausgehende Begutachtung der Ergebnisse durch wissenschaftliche Kollegen (peer-review) die Anfälligkeit für diese Art von Unsicherheit zu verringern.
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15.12.2021 • 30/2021
Gutachten bescheinigt Projektionen der Bundesregierung insgesamt gute Qualität
Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose hat untersucht, wie treffsicher die ökonomischen Vorhersagen der Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren waren. Demnach schätzte der Bund die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im Durchschnitt zu optimistisch ein, die der Staatseinnahmen zu vorsichtig. Allerdings haben die Prognosen laut Gutachten keine systematische Schwäche. Der Hauptgrund für Fehler liegt in der Corona-Pandemie.
Oliver Holtemöller
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Warum Boni im Bankenbereich scheitern (müssen)
Reint E. Gropp, Andre Guettler
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 3,
2021
Abstract
In der Finanzkrise sind Boni für Bankmanager in die Kritik geraten. Bonussysteme stehen im Verdacht, Anreize für eine zu riskante Kreditvergabe zu setzen. Der vorliegende Beitrag untersucht am Beispiel einer großen internationalen Geschäftsbank, wie sich ein Bonussystem, das ein hohes Volumen neu vergebener Kredite belohnt und den Ausfall von Krediten bestraft, auf das Verhalten von Kreditsachbearbeitern auswirkt. Die Ergebnisse zeigen, dass Kreditsachbearbeiter die Anbahnung neuer und die Überwachung bestehender Kredite verstärken, wenn sie ihren monatlichen Bonus zu verlieren drohen. Eine genauere Prüfung von Kreditanträgen findet dagegen nicht statt. Kreditsachbearbeiter passen ihr Verhalten besonders gegen Monatsende an, wenn die Bonuszahlung herannaht. Langjährige Mitarbeiter reagieren stärker auf das System als jüngere Kollegen. Komplexe Produktivitätsaspekte wie die Teamfähigkeit können mit Bonussystemen nicht erfasst werden.
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Protest! Die Rolle kultureller Prägung im Volkswagenskandal
Felix Noth, Lena Tonzer
Wirtschaft im Wandel,
Nr. 3,
2020
Abstract
Die Aufdeckung manipulierter Abgaswerte bei Dieselautos des Herstellers Volkswagen (VW) durch die amerikanischen Behörden im Jahr 2015 brachte einen der größten Unternehmensskandale Deutschlands zutage. Dieser Skandal blieb nicht ohne Konsequenzen. Martin Winterkorn trat von seinem Amt als Vorstandsvorsitzender und Michael Horn als Chef von Volkswagen in den USA zurück. Viele VW-Kunden klagten gegen den Konzern, und in deutschen Großstädten wurde über Dieselfahrverbote diskutiert. Doch gab es auch eine Reaktion auf Konsumentenseite, also seitens der Autokäufer? Und wenn ja, spielen hier gesellschaftskulturelle Unterschiede wie zum Beispiel religiöse Prägung eine Rolle? Diesen Fragen geht ein im letzten Jahr erschienenes Arbeitspapier des IWH nach. Die empirische Analyse beschäftigt sich mit der Frage, ob Konsumenten nach dem VW-Skandal ihr Kaufverhalten stärker anpassen, wenn das gesellschaftliche Umfeld protestantisch geprägt ist. In der wissenschaftlichen Literatur zeigt sich, dass Protestanten mehr Wert auf eine Überwachung und Durchsetzung von Regeln legen, weshalb die Autoren von dieser Religionsgruppe eine ausgeprägtere Reaktion auf den VW-Skandal erwarten. Das Hauptergebnis der Studie legt dann genau diesen Schluss nahe: In den deutschen Regionen, in denen die Mehrheit der Bevölkerung dem protestantischen Glauben angehört, kam es zu signifikant höheren Rückgängen bei VW-Neuzulassungen infolge des VW-Skandals. Der Effekt ist umso stärker, je länger die Region durch protestantische Werte geprägt ist. Offenbar können bestimmte gesellschaftskulturelle Ausprägungen wie Religion und deren Normen ein Korrektiv für Verfehlungen von Unternehmen darstellen und somit verzögerte oder ausbleibende Maßnahmen von Politikern und Regulierern zum Teil ersetzen.
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19.09.2019 • 19/2019
Spätfolgen der Treuhand: Preisgekrönter US-Ökonom startet Forschungsprojekt am IWH
Es ist eine der wichtigsten Auszeichnungen des deutschen Wissenschaftsbetriebs: Der mit 1,5 Millionen Euro dotierte Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis geht in diesem Jahr an den Volkswirt Ufuk Akcigit von der Universität Chicago. Am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) will Akcigit mit innovativen Methoden untersuchen, warum die Wirtschaft in Ostdeutschland bis heute hinter der westdeutschen zurückbleibt – und welche Rolle die Treuhandanstalt dabei spielt.
Reint E. Gropp
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How Forecast Accuracy Depends on Conditioning Assumptions
Carola Engelke, Katja Heinisch, Christoph Schult
IWH Discussion Papers,
Nr. 18,
2019
Abstract
This paper examines the extent to which errors in economic forecasts are driven by initial assumptions that prove to be incorrect ex post. Therefore, we construct a new data set comprising an unbalanced panel of annual forecasts from different institutions forecasting German GDP and the underlying assumptions. We explicitly control for different forecast horizons to proxy the information available at the release date. Over 75% of squared errors of the GDP forecast comove with the squared errors in their underlying assumptions. The root mean squared forecast error for GDP in our regression sample of 1.52% could be reduced to 1.13% by setting all assumption errors to zero. This implies that the accuracy of the assumptions is of great importance and that forecasters should reveal the framework of their assumptions in order to obtain useful policy recommendations based on economic forecasts.
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26.06.2019 • 14/2019
Studie: Wie Finanzkrisen Menschen unzufriedener machen und wie sich das verhindern lässt
Finanzkrisen haben nicht nur starke Verwerfungen im ökonomischen System zur Folge: Sie beeinflussen auch direkt die Lebenszufriedenheit der Menschen. Am stärksten betroffen sind die Schwachen der Gesellschaft, auch wenn diese unter Umständen gar nicht selbst mit Aktien spekulieren. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Diese negativen Folgen könnten die Kauflust der Menschen schmälern und die Wirkung der Krise sogar noch verstärken. Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „The B.E. Journal of Economic Analysis & Policy“ veröffentlicht.
Lena Tonzer
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Die wirtschaftliche Entwicklung Sachsen-Anhalts seit 1990
Oliver Holtemöller, Axel Lindner
R. Stöcker, M. Reichel (Hrsg.), Sachsen-Anhalt – eine politische Landeskunde. Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag,
2019
Abstract
Sachsen-Anhalt ist als mittelalterliches Zentrum der Ottonen und als Ursprungsland der Reformation ein »Kernland deutscher Geschichte« und besitzt deutschlandweit die meisten Weltkulturerbestätten. Doch nicht nur historisch und kulturell hat das Land viel zu bieten, auch gesellschaftlich und politisch ist es einen genaueren Blick wert. Die Landeskunde soll diese Facetten des Bundeslandes beleuchten. In 16 aufschlussreichen Beiträgen erfährt der Leser, was Sachsen-Anhalt ausmacht, bewegt und prägt. Ein Anhang listet die Regierungen des Bundeslandes von 1990 bis 2017 auf.
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IWH-Subventionsdatenbank: Mikrodaten zu Programmen direkter Unternehmenssubventionen in Deutschland. Datendokumentation
Matthias Brachert, Alexander Giebler, Gerhard Heimpold, Mirko Titze, Dana Urban-Thielicke
IWH Technical Reports,
Nr. 2,
2018
Abstract
Nahezu alle entwickelten Volkswirtschaften haben Programme zur Förderung von Projekten in Unternehmen im Rahmen von Industriepolitik eingeführt. Allerdings ist sehr wenig darüber bekannt, welche Programme eigentlich genau zur Anwendung kommen, welche finanziellen Mittel dafür aufgebracht werden und ob die Programme in der Art und Weise wirken, wie sie ursprünglich intendiert waren. Evaluationsstudien, die auf kausalen Untersuchungsdesigns basieren, können einen wertvollen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, ob ein Programm tatsächlich Wirkungen entfaltet und welcher der verschiedenen Ansätze am erfolgversprechendsten ist. Dieser Datenreport stellt die vom Zentrum für evidenzbasierte Politikberatung am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH-CEP) entwickelte IWH-Subventionsdatenbank vor. Die Datenbank enthält (Stand November 2018) zehn Programme industriepolitischer Maßnahmen, die in Deutschland zur Anwendung kamen bzw. kommen. Der Report geht auf die Förderregeln dieser Programme ein und beschreibt die Prozeduren der Zusammenführung zu einer Masterdatei. Ferner diskutiert der Report Möglichkeiten der Verknüpfung der Förderdaten mit externen Unternehmensdatensätzen, die eine zwingende Voraussetzung für die Durchführung von Wirkungsanalysen darstellen, da die administrativen Förderdaten nicht alle Informationen enthalten, die für kausale Untersuchungsdesigns notwendig sind.
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22.06.2018 • 15/2018
Presseeinladung zum Workshop: „Abgehängte Regionen – Probleme und Gegenstrategien“ am 28. Juni 2018 in Halle (Saale)
Knapp drei Jahrzehnte nach der deutschen Vereinigung unterscheiden sich die Lebensverhältnisse innerhalb Deutschlands stark, auch zwischen Stadt und Land. Wie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft darauf reagieren sollten, diskutiert eine Veranstaltung der Expertenplattform „Demographischer Wandel in Sachsen-Anhalt“ in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).
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