“Geschäftsmodell Deutschland“ und außenwirtschaftliche Ungleichgewichte in der EU
Renate Ohr, Götz Zeddies
List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik,
2010
Abstract
Die vergangenen Jahrzehnte waren weltweit durch eine Zunahme der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte gekennzeichnet. Den Leistungsbilanzüberschussländern, insbesondere Deutschland, wird in diesem Zusammenhang zunehmend vorgeworfen, durch zu moderate Lohnsteigerungen wesentlich zum Aufbau der Ungleichgewichte beigetragen zu haben. Vor diesem Hintergrund werden im vorliegenden Beitrag auf Basis einer Paneldatenanalyse die Determinanten der Leistungsbilanzungleichgewichte in der Europäischen Union ermittelt. Die Ergebnisse zeigen, dass die internationale preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Länder nur eine von vielen erklärenden Variablen darstellt. Vielmehr gehen die Ungleichgewichte wesentlich auf unterschiedliche Sparneigungen, sowohl der öffentlichen Hand als auch des privaten Sektors, zurück. Folglich wären die an Deutschland gerichteten Forderungen, zum Abbau der Ungleichgewichte die moderate Lohnpolitik zu beenden, allein nicht zielführend. Stattdessen müssen andere Wege gefunden werden, die Binnennachfrage in den Leistungsbilanzüberschussländern zu stärken und die Ausschöpfung bestehender Sparpotenziale in den Leistungsbilanzdefizitländern zu erhöhen.
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For a Sustainable Contribution Rate of the Statutory Unemployment Insurance
Ingmar Kumpmann
Wirtschaft im Wandel,
No. 11,
2007
Abstract
Angesichts der aktuellen Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit (BA) plant die Bundesregierung eine neue Senkung des Beitragssatzes der Arbeitslosenversicherung von 4,2% auf 3,3% des Bruttolohns. Diskutiert wird auch ein noch weitergehender Schritt. Allerdings sind kurzfristig entstehende Budgetüberschüsse der BA kein hinreichender Grund für eine Beitragssenkung. Vielmehr würde durch eine stärkere Beitragssenkung im jetzigen Aufschwung die Gefahr einer neuen Beitragserhöhung in der nächsten Krise entstehen.
Die Arbeitslosenversicherung federt den Einkommensausfall bei Arbeitsplatzverlust ab und stabilisiert so in Phasen wirtschaftlichen Abschwungs die Kaufkraft. Um diesen konjunkturell antizyklischen Effekt zu erhalten und die Planungssicherheit der Unternehmen zu verbessern, ist ein zyklusübergreifend stabiler Beitragssatz anzustreben. Die Kombination aus zyklisch schwankenden Ausgaben und konstantem Beitragssatz führt dazu, daß die Arbeitslosenversicherung im Aufschwung Überschüsse erzielt, die sie zur Finanzierung von Defiziten im Abschwung benötigt und die deshalb weder durch Beitragssenkungen noch Ausgabensteigerungen zunichte gemacht werden dürfen. Zu fragen wäre allerdings, ob z. B. durch die zurückhaltende Lohnpolitik oder die Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre die Arbeitslosigkeit nicht nur konjunkturell, sondern zyklusübergreifend gesunken und dadurch eine Beitragssenkung zu rechtfertigen ist. Dies ist derzeit noch schwer zu beurteilen und in der arbeitsmarktpolitischen Debatte umstritten. Deshalb sollte eine stärkere Beitragssenkung erst vorgenommen werden, wenn sich im nächsten konjunkturellen Abschwung zeigt, daß diese nachhaltig finanzierbar ist. Eine Beitragssenkung zu dem Zweck, versicherungsfremde Leistungen nicht mehr von den Beitragszahlern finanzieren zu lassen, ist grundsätzlich erstrebenswert, müßte aber zur Gegenfinanzierung mit einer entsprechenden Steuererhöhung kombiniert werden. Aufgrund dieser Überlegungen ist eine Beitragssenkung unter einen Satz von etwa 3,9% derzeit als problematisch einzustufen.
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Institutionelle Defizite und wachsende Spannungen in der Euro-Zone
Hubert Gabrisch
Wirtschaft im Wandel,
No. 7,
2007
Abstract
Hinter dem Erfolg der Einführung des Euro verbergen sich erste Zeichen für zunehmende Asymmetrien und Ungleichgewichte in der Euro-Zone, die langfristig die Stabilität der gemeinsamen Währung unterminieren können. Spannungen zeichnen sich angesichts der Lähmung der Fiskalpolitik, der Divergenz der Pro-Kopf-Einkommen, extremer Schwankungen der Immobilienpreise und divergierender Lohnstückkostenentwicklungen ab. Die bestehenden Formen der makroökonomischen Koordination sind offensichtlich nicht ausreichend, diese zu verhindern. Offenbar können Länder nach dem Wegfall der Wechselkurse und der Einschränkung der fiskalpolitischen Instrumente nur noch über die Lohnpolitik in Wettbewerb miteinander treten. Insbesondere Deutschland und Österreich waren hier erfolgreich, im Gegensatz zu Ländern wie Spanien, Griechenland, Portugal, Italien und mittlerweile auch Frankreich. Für Deutschland kann auch konstatiert werden, daß die Wirtschaftspolitik erfolgreich war, durch Arbeitsmarktreformen und durch indirekte Steuern die Arbeitskosten stärker als andere Länder zu senken. Der erworbene Vorteil ist jedoch trügerisch, denn Länder mit hohen Lohnstückkosten und steigenden Handelsdefiziten sind früher oder später gezwungen, im Lohnwettbewerb nachzuziehen. Bei einer Euro-Inflationsrate von ca. 2% kann Lohnkostenwettbewerb Deflation und Arbeitslosigkeit zur Folge haben. Soll die Stabilität des Euro nicht auf längere Frist gefährdet werden, ist auch über neue und effektivere Formen der Koordination nachzudenken. Zu diesen gehören nicht nur die Einführung eines anti-zyklisch wirkenden zentralen EU-Haushalts, sondern auch Formen der direkten und indirekten Koordination der Lohnpolitik. Wie die Fiskalpolitik sollte die nationale Lohnpolitik an das gemeinschaftliche Interesse gebunden werden.
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Currency boards of acceding Baltic countries stable and compatible to EU exchange rate mechanism
Hubert Gabrisch, Thomas Linne
Wirtschaft im Wandel,
No. 11,
2002
Abstract
Das Wechselkurssystem der meisten Beitrittskandidaten entspricht zur Zeit nicht dem Wechselkursmechanismus der EU (WKM II). Die EU sieht auch die Currency boards (Estland, Litauen und Bulgarien) als nicht akzeptable Substitute an. Gleichwohl ist die Aufrechterhaltung dieser Systeme auch nach Beitritt zum WKM II unter bestimmten formalen Voraussetzungen möglich. Dann hängt eine Prüfung ihrer Stabilität nur von ökonomischen Kriterien ab. Dazu gehört insbesondere die Frage, ob bei einem Fixkurssystem ohne Band die nur sehr beschränkte geldpolitische Manövrierfähigkeit der Zentralbanken dieser Länder ausreicht, unerwünschte Devisenzuflüsse zu sterilisieren oder gar spekulativen Attacken erfolgreich zu begegnen. Die bisher erfolgreiche Funktionsfähigkeit der Currency boards und die ihr zugrunde liegenden Faktoren wecken wenig Zweifel an der zukünftigen Stabilität im WKM II zumindest im Falle der baltischen Länder. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass vom EU-Beitritt negative Anreizwirkungen auf die Fiskal- und Lohnpolitik ausgehen.
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Economic Development 2002 and 2003: Investments – The Achilles Heel of the Economy
Wirtschaft im Wandel,
No. 10,
2002
Abstract
Der Aufsatz analysiert und prognostiziert die konjunkturelle Entwicklung in der Weltwirtschaft und im speziellen in Deutschland in ausführlicher Form für das laufende Jahr 2002 und das Folgejahr 2003. Die Weltwirtschaft hat im Winterhalbjahr 2001/2002 ihr Tief überwunden. Allerdings ist der konjunkturelle Aufschwung an der Investitionstätigkeit vorbeigegangen und wurde in den USA vom Konsum und in den restlichen großen Wirtschaftsregionen vom Export voran getrieben. Im weiteren Verlauf dieses und des nächsten Jahres werden die Investoren, in Deutschland und Europa aber auch die Konsumenten, allmählich ihr Vertrauen wieder gewinnen. Ein moderater Aufschwung auf breitere Basis, der im Verlauf des Jahres 2003 nachlassen wird, ist die Folge. In Deutschland hat die Lohnpolitik ihren moderaten Kurs verlassen, sodass zwar aufgrund der sich verbessernden Konjunkturlage gegen Ende des Jahres 2002 der Abbau der Beschäftigung nach lässt und im kommenden Jahr ein Aufbau zu verzeichnen ist, allerdings wird sich der Arbeitsmarkt nicht in gleichem Maße verbessern wie noch im Aufschwung 1999/2000. Die Finanzpolitik wird während des gesamten Prognosezeitraums wegen der Konsolidierungsbemühungen weiterhin restriktiv wirken. Da sich die konjunkturelle Situation deutlich verbessert hat wird die EZB, trotz der geringen Inflationsgefahren, den wichtigsten Refinanzierungssatz noch in 2002 um 1/2 Prozentpunkt anheben. Allerdings ist von der Geldpolitik im ganzen, aufgrund der weiterhin niedrigen Realzinsen, nicht mit einer restriktiven Wirkung zu rechnen. Die wichtigsten Daten der Weltwirtschaft und Deutschlands sind in detaillierten Tabellen enthalten.
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Implications of the monetary union for macroeconomic models
Rüdiger Pohl, Heinz P. Hrsg. Galler
Schriften des IWH,
No. 8,
2001
Abstract
Mit der Einführung der Europäischen Währungsunion haben sich strukturelle und institutionelle Veränderungen ergeben, die bei der Evaluation wirtschaftspolitischer Maßnahmen auf der Basis makroökonometrischer Modelle in Rechnung gestellt werden müssen. So wird die Geldpolitik nur noch einheitlich für den Raum der Währungsunion durchgeführt und ist daher nicht länger Instrument der nationalen Wirtschaftspolitik. Dagegen dürfte die Lohnpolitik eine stärkere Rolle für die Entwicklung der Beschäftigung einnehmen. Bei einer gegebenen Inflationsrate in der Währungsunion schlagen sich regionale Erhöhungen der Nominallöhne in gleichgerichteten Reallohnsteigerungen nieder. Sofern diese nicht durch die im Zeitpunkt der Lohnverhandlungen erwartete nationale Produktivitätsentwicklung gedeckt ist, ergeben sich unmittelbar Wettbewerbsnachteile für die inländischen Unternehmen, die nicht mehr über eine Änderung der Währungsparitäten kompensiert werden können.
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Germany 2000: On the upward path again
Wirtschaft im Wandel,
No. 1,
2000
Abstract
Mit dem Jahresausblick für 2000 wird die ausführliche Konjunkturprognose von Mitte 1999 für das Jahr 2000 aktualisiert. Nach einer leichten Tempoverlangsamung Anfang des Jahres 2000 wird sich der konjunkturelle Auftrieb in Deutschland im Sommerhalbjahr wieder verstärken. Dafür sprechen vor allem der sich kräftigende Aufschwung in der Weltwirtschaft, das günstige monetäre Umfeld und die dieser Prognose zugrunde gelegte Rückkehr der Lohnpolitik auf einen moderaten Pfad. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Abbau der Arbeitslosigkeit verbessern sich deutlich. Der Aufschwung verläuft spannungsfrei und geldpolitischer Handlungsbedarf ist nicht angezeigt.
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Capital equipment and productivity gap in East German corporate sector
Vera Dietrich
Wirtschaft im Wandel,
No. 7,
1997
Abstract
Die realisierte Arbeitsproduktivität wird wesentlich von der Kapitalausstattung der Unternehmen
sowie der Auslastung der Kapazitäten bestimmt. Eine zentrale Ursache für die Produktivitätsdifferenz zu westdeutschen Unternehmen ist in dem Umstand zu suchen, daß in Ostdeutschland weniger kapitalintensiv produziert wird. Das Anlagevermögen ist dabei im Durchschnitt moderner als das der westdeutschen Unternehmen und durch eine hohe Auslastung der Ausrüstungen gekennzeichnet. Die geringere Kapitalintensität der Produktion ist primär als Folge transformationsbedingt unterschiedlicher Wirtschaftsstrukturen einzuordnen und läßt zunächst keine Schlussfolgerungen im Hinblick auf die technische Effizienz der Produktion zu. Eine weitere Angleichung der Faktoreinsatzrelationen an westdeutsche Verhältnisse ist dennoch zu erwarten. Sie muß von einer entsprechenden Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten und einer realistischen Lohnpolitik begleitet werden, um negative Auswirkungen auf die Beschäftigung auszuschließen. Der Spielraum für beschäftigungsneutrale Einkommenssteigerungen wird dabei immer von der erzielten Arbeitsproduktivität vorgegeben.
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