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Ehrenamtliches Engagement von Flüchtlingen zur Förderung sozialer Integration

Die soziale Integration von Flüchtlingen kann einen substanziellen Beitrag zu deren ökonomischer Integration leisten, häufig sind negative Einstellungen der Bevölkerung gegenüber ethnischen Minderheiten aber ein Schlüsselfaktor für Integrationsprobleme. Die Förderung ehrenamtlichen Engagements von Flüchtlingen könnte eine Lösung darstellen und
den Integrationsprozess positiv beeinflussen. Basierend auf den Daten dreier unterschiedlicher Experimente zeigt dieser Beitrag, dass Einheimische in höherem Maße bereit sind, die Integration von Flüchtlingen persönlich oder finanziell zu unterstützen, wenn sich Flüchtlinge an ihrem neuen Wohnort gesellschaftlich engagieren. Natürlich findet sich eine gewisse Heterogenität hinsichtlich der Neigung, eher persönlich oder eher finanziell zu unterstützen. Für die unterschiedlichsten Personengruppen gilt aber, dass ehrenamtliches Flüchtlingsengagement zumindest auf eine dieser beiden Optionen einen positiven Effekt ausübt.

03. Dezember 2020

Autoren Sabrina Jeworrek

Inhalt
Seite 1
Die soziale Integration von Flüchtlingen
Seite 2
Spendenverhalten in einem Laborexperiment
Seite 3
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Die soziale Integration von Flüchtlingen

Die soziale Integration von Flüchtlingen ist sowohl für diese selbst wie auch für deren Aufnahmeländer wichtig. Zum einen gilt es, zunehmende Konflikte und eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern, zum anderen trägt soziale Integration signifikant zu ökonomischer Integration bei.1 Somit werden nicht nur öffentliche Haushalte entlastet, auch der Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt könnte zumindest abgemildert werden. Öffentliche Dienstleistungen wie das Angebot von Sprachkursen zählen zwar zu den Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Integration,
die einheimische Bevölkerung muss zu diesem Prozess aber ebenso beitragen, da negative Einstellungen gegenüber ethnischen Minderheiten Schlüsselfaktoren für deren Integrationsprobleme darstellen.2 Im Rahmen der im Jahr 2015 beginnenden europäischen Flüchtlingskrise zeigte sich nur eine Minderheit bereit, sich aktiv für die Neuankommenden zu engagieren.3 Studien belegen zwar, dass die Bereitstellung von Information, z. B. über das tatsächliche Bildungsniveau der Flüchtlinge, die Einstellungen der Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen zum Besseren wenden kann.4 Da das Bildungsniveau in der kurzen Frist aber nicht maßgeblich beeinflusst werden kann, bedarf es anderer Interventionen, um die Einstellung der einheimischen Bevölkerung und deren Hilfsbereitschaft im Rahmen des Integrationsprozesses positiv zu beeinflussen.

In der diesem Beitrag zugrunde liegenden Studie5 wurde untersucht, ob die Förderung des ehrenamtlichen Engagements von Flüchtlingen eine solche aktive Interventionsmöglichkeit darstellt. Diese Idee greift auf das weit verbreitete Verhaltensmuster der positiven Reziprozität zurück, welche das Bedürfnis beschreibt, Menschen zu belohnen, die sich entweder einem persönlich (direkte Reziprozität) oder anderen gegenüber (indirekte Reziprozität) hilfsbereit gezeigt haben. Mittels ehrenamtlichen Engagements könnten Flüchtlinge somit nicht nur erste persönliche Kontakte knüpfen und Spracherfahrung sammeln, ihre eigene Hilfsbereitschaft könnte ebenso die Hilfsbereitschaft der einheimischen Bevölkerung aktivieren. Dabei würde eine das ehrenamtliche Engagement von Flüchtlingen fördernde Politik keine von oben auferlegte Intervention darstellen, sondern vielmehr eine Reaktion auf den Wunsch der Flüchtlinge, sich in ihrer neuen Gesellschaft nützlich machen zu können.6 Dies ist wichtig, da nur eine freiwillige und keine erzwungene gute Tat zu reziprokem Verhalten führen würde.

Deutschlandweites Umfrageexperiment

In einem ersten Schritt wurde der mögliche positive Effekt des ehrenamtlichen Engagements von Flüchtlingen in einem deutschlandweiten Umfrageexperiment untersucht. Um eine möglichst repräsentative Stichprobe der deutschen Bevölkerung zu erhalten, wurde die weit- verbreitete und anerkannte Gabler-Häder-Methode7 verwendet, welche pseudorandomisierte Telefonnummern generiert, über die potenzielle Umfrageteilnehmende anschließend kontaktiert wurden. Insgesamt wurden 1637 Personen zu ihren Einstellungen und den durch die Flüchtlingskrise entstehenden Sorgen interviewt. Vorab wurden die Teilnehmenden aber schon per Zufall einer von drei Gruppen zugeteilt.

  • In der so genannten Third-Party-Support-Gruppe erhielten die Umfrageteilnehmenden die Information, dass sich mancherorts Flüchtlinge bereits ehrenamtlich engagieren. Diese Gruppe diente der Untersuchung indirekter Reziprozität.
  • Die Teilnehmenden der so genannten Mutual-Support-Gruppe wurden zusätzlich darauf aufmerksam gemacht, dass auch direkte Unterstützungsbeziehungen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen bestehen, z. B. Unterstützung bei der Gartenarbeit im Austausch gegen Hilfe bei Behördengängen. Mit dieser Gruppe sollte untersucht werden, ob es einen (Zusatz-)Effekt durch direkte Reziprozität gibt.
  • Die dritte Gruppe diente als Vergleichsgruppe (Kontrollgruppe), um die Einstellung der Bevölkerung ohne Intervention zu erfassen, d. h., diese Umfrageteilnehmenden erhielten keine der vorab beschriebenen Informationen.

Im Anschluss an die allgemeinen Fragen zur Flüchtlingskrise und den Erhalt der Informationen in Abhängigkeit der zugeteilten Gruppe sollten die Teilnehmenden (auf einer Skala von 0 bis 7) angeben, inwiefern sie bereit wären, (a) eine Flüchtlingsfamilie in ihrer Region persönlich kennenzulernen und zu unterstützen und (b) finanzielle Hilfe für die Integration von Flüchtlingen ganz im Allgemeinen zu leisten. In der Kontrollgruppe liegt die durchschnittliche persönliche Unterstützungsbereitschaft bei 4,29, die finanzielle Unterstützungsbereitschaft dagegen nur bei 3,20.

Die Abbildung fasst die aus dem Experiment gewonnenen Erkenntnisse zusammen. Die Information über ehrenamtliches Engagement von Flüchtlingen erhöht die Bereitschaft der persönlichen wie auch finanziellen Unterstützung. Hervorzuheben ist, dass offensichtlich nicht nur die sowieso schon eher positiv eingestellten Teilnehmenden eine noch höhere Bereitschaft angeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Umfrageteilnehmer nach dieser Information unter keinen Umständen persönlich bereit wäre zu helfen (also 0 auf der Skala), sinkt um fast 40% im Vergleich zur Kontrollgruppe. Der Effekt auf die Bereitschaft, finanziell zu helfen, ist mit gut 15% kleiner, aber stimmig mit der Beobachtung, dass die Bereitschaft, finanziell zu helfen, insgesamt geringer ausfällt. Eine weitere Erkenntnis kann aus dem Vergleich der beiden Gruppen (third-party support vs. mutual support) gezogen werden. Die Abbildung zeigt, dass es bei der persönlichen Unterstützungsbereitschaft keinen Unterschied gibt; sie steigt unabhängig von der Aussicht an, im Gegenzug selbst Hilfe zu erhalten. Bei der finanziellen Unterstützungsbereitschaft ist dies jedoch nicht der Fall. Die Aussicht auf solch eine gegenseitige Unterstützungsbeziehung führt sogar dazu, dass der auf der indirekten Reziprozität basierende positive Effekt im Vergleich zur Kontrollgruppe gänzlich verschwindet. Eine mögliche Erklärung für diese Beobachtung könnte sein, dass Teilnehmende, die sich eine gegenseitige Unterstützungsbeziehung vorstellen könnten, ihre finanzielle Unterstützung dann auch lieber gezielt diesen Personen zukommen lassen würden. Denkbar wäre auch, dass schlicht keine Notwendigkeit gesehen wird, wenn es eine Vielzahl eben solch privater Beziehungen gibt.

Zwar erlaubte das deutschlandweite Umfrageexperiment die Generierung einer möglichst repräsentativen Stichprobe, tatsächliche Hilfsbereitschaft infolge der Interventionen konnte allerdings nicht beobachtet werden. Die Kooperation mit einer digitalen Nachbarschaftsplattform bot die Möglichkeit, die Interventionen sowohl in einem weiteren Labor- wie auch einem Feldexperiment erneut zu testen und tatsächliches Verhalten zu beobachten.

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Spendenverhalten in einem Laborexperiment

Empfohlene Publikationen

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Gift-exchange in Society and the Social Integration of Refugees: Evidence from a Field, a Laboratory, and a Survey Experiment

Sabrina Jeworrek Vanessa Mertins Bernd Josef Leisen

in: IWH Discussion Papers, Nr. 17, 2019
publiziert in: Journal of Economic Behavior and Organization

Abstract

Refugee integration requires broad support from the host society, but only a minority of the host population is actively engaged. Given that most individuals reciprocate kind behaviour, we examine the idea that the proportion of supporters will increase as a reciprocal response to refugees’ contributions to society through volunteering. Our nationwide survey experiment shows that citizens’ intentions to contribute time and money rise significantly when they learn about refugees’ pro-social activities. Importantly, this result holds for individuals who have not been in contact with refugees. We complement this investigation with experiments in the lab and the field that confirm our findings for actual behaviour.

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Außerdem in diesem Heft

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Kommentar: Finanzstabilität in Zeiten von Corona

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2020

Abstract

Die Corona-bedingte Wirtschaftskrise könnte den deutschen Bankensektor massiv in Mitleidenschaft ziehen, wenn die nationale und europäische Aufsicht nicht in den nächsten Monaten gegensteuert. Das ist die Aussage einer IWH-Studie, in der wir die Jahresabschlüsse von mehr als einer halben Million deutscher Unternehmen mit den Bilanzdaten von über 1 000 hiesigen Banken verknüpft haben. Die Stichprobe umfasst rund 90% der Bilanzsumme aller Banken und schließt alle großen systemrelevanten Geldhäuser mit ein. Wir benutzen dabei sektorspezifische Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung: Wir beziehen also die Tatsache mit ein, dass die Tourismusbranche besonders und die Baubranche relativ wenig von der Krise betroffen ist. Wir simulieren mehrere Szenarien: eines mit einer schnellen Erholung (V-förmig), eines mit einer relativ langsamen Erholung (U) und ein Szenario, in dem die Krise noch eine längere Zeit anhält (L).

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Aktuelle Trends: Spiegelt sich die Mehrwertsteuersenkung in den Verbraucherpreisen wider?

Birgit Schultz

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2020

Abstract

Die Bundesregierung hat im Rahmen der Corona-Soforthilfemaßnahmen eine temporäre Mehrwertsteuer senkung von Juli 2020 bis Ende des Jahres beschlossen. Unter der Annahme, dass die Unternehmen die Mehrwertsteuersenkung über die Güterpreise vollständig an die Verbraucher weitergeben, würde die Mehrwertsteuersenkung von 19% auf 16% für sich genommen zu 2,5% niedrigeren Preisen und beim ermäßigten Steuersatz (von 7% auf 5%) für sich genommen zu 1,9% geringeren Preisen führen. Gaststätten dürfen die Mehrwertsteuer für Speisen ab Juli 2020 sogar von 19% auf 5% senken. 

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Protest! Die Rolle kultureller Prägung im Volkswagenskandal

Felix Noth Lena Tonzer

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2020

Abstract

Die Aufdeckung manipulierter Abgaswerte bei Dieselautos des Herstellers Volkswagen (VW) durch die amerikanischen Behörden im Jahr 2015 brachte einen der größten Unternehmensskandale Deutschlands zutage. Dieser Skandal blieb nicht ohne Konsequenzen. Martin Winterkorn trat von seinem Amt als Vorstandsvorsitzender und Michael Horn als Chef von Volkswagen in den USA zurück. Viele VW-Kunden klagten gegen den Konzern, und in deutschen Großstädten wurde über Dieselfahrverbote diskutiert. Doch gab es auch eine Reaktion auf Konsumentenseite, also seitens der Autokäufer? Und wenn ja, spielen hier gesellschaftskulturelle Unterschiede wie zum Beispiel religiöse Prägung eine Rolle? Diesen Fragen geht ein im letzten Jahr erschienenes Arbeitspapier des IWH nach. Die empirische Analyse beschäftigt sich mit der Frage, ob Konsumenten nach dem VW-Skandal ihr Kaufverhalten stärker anpassen, wenn das gesellschaftliche Umfeld protestantisch geprägt ist. In der wissenschaftlichen Literatur zeigt sich, dass Protestanten mehr Wert auf eine Überwachung und Durchsetzung von Regeln legen, weshalb die Autoren von dieser Religionsgruppe eine ausgeprägtere Reaktion auf den VW-Skandal erwarten. Das Hauptergebnis der Studie legt dann genau diesen Schluss nahe: In den deutschen Regionen, in denen die Mehrheit der Bevölkerung dem protestantischen Glauben angehört, kam es zu signifikant höheren Rückgängen bei VW-Neuzulassungen infolge des VW-Skandals. Der Effekt ist umso stärker, je länger die Region durch protestantische Werte geprägt ist. Offenbar können bestimmte gesellschaftskulturelle Ausprägungen wie Religion und deren Normen ein Korrektiv für Verfehlungen von Unternehmen darstellen und somit verzögerte oder ausbleibende Maßnahmen von Politikern und Regulierern zum Teil ersetzen. 

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