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Lokaler Schock trifft lokale Bank: Die Folgen der Hochwasser des Jahres 2013 für das deutsche Finanzsystem

Welche Auswirkungen makroökonomische Schocks in Form von Naturkatastrophen auf Banken haben und welche realwirtschaftlichen Implikationen sich daraus ergeben können, wurde unter dem Titel „Katrina und die Folgen: Sicherere Banken und positive Produktionseffekte“ bereits an früherer Stelle in der „Wirtschaft im Wandel“ dargestellt. Daran anknüpfend stellt dieser Artikel einen Forschungsbeitrag vor, der die Folgen der Hochwasser des Jahres 2013 in Deutschland für die Sparkassen und Genossenschaftsbanken und deren Unternehmenskunden untersucht. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob lokale Banken die negativen Effekte des Hochwassers mildern, indem sie die Kreditvergabe an Unternehmen ausweiten. Der Befund ist erstens, dass Banken, die Beziehungen zu betroffenen Unternehmen haben, ihre Kreditvergabe um 3% relativ zu Banken ohne Beziehungen zu betroffenen Unternehmen ausweiten, und zweitens, dass bei Sparkassen mit Zugang zu nicht betroffenen regionalen Märkten keine signifikante Erhöhung des Kreditrisikos zu beobachten ist. Ein gegenüber regionalen Katastrophen widerstandsfähiges Finanzsystem sollte somit aus lokalen Banken bestehen, die gleichwohl überregional verbunden sind, damit ausreichende Möglichkeiten zur Diversifikation bestehen.

23. July 2020

Authors Benjamin Freudenstein Michael Koetter Felix Noth

Contents
Page 1
Lokale Banken und lokale Schocks
Page 2
Lokale Banken weiten Kreditvergabe aus
Page 3
Fazit
Page 4
Endnoten All on one page

Lokale Banken und lokale Schocks

Lokalen Banken werden – gerade in Deutschland – viele gute Eigenschaften zugeschrieben. Eine davon ist, dass lokale Banken viele „weiche“ Informationen aufgrund enger und langfristiger Kontakte zu lokalen Unternehmen und Haushalten erhalten. Dies kann zu besseren Entscheidungen, z. B. über die Kreditvergabe, führen. Solche Hausbankbeziehungen werden vor allem dann wichtig, wenn Unternehmen zufällig von Schocks getroffen werden und Finanzmittel benötigen, um liquide zu bleiben.1

Ob lokale Banken Schocks für Unternehmen absorbieren können, hängt jedoch auch von der Widerstandsfähigkeit der Banken ab. Dieser Frage kommt im Kontext des deutschen Finanzsystems eine besondere Rolle zu, weil lokale Banken – Sparkassen und Genossenschaftsbanken – per Statut oder freiwillig nur in ihrem Sitzkreis tätig sind. Das bringt auf der einen Seite die eingangs erwähnten Vorteile der Kundennähe, exponiert die Banken durch die lokale Verwurzelung aber auch sehr stark gegenüber den lokalen Risiken.

Der Frage, ob Banken Schocks für Unternehmen abfedern können und welche Rolle überregionale Bankennetzwerke dabei spielen, geht ein kürzlich im Journal of Financial Intermediation angenommener Artikel mit IWH-Beteiligung nach.2 Die Autoren verwenden dabei die Hochwasser des Jahres 2013 in Deutschland, um betroffene von nicht betroffenen Regionen zu unterscheiden und Effekte auf die Kreditvergabe von Banken nach 2013 messen zu können.

Rekordhochwasser 2013

Die Pegel der Elbe und ihrer Zuflüsse erreichten im Mai und Juni 2013 in Deutschland Höchstwerte; vielerorts traten die Flüsse über die Ufer. Insgesamt richteten die Überschwemmungen dabei einen ökonomischen Schaden in Höhe von rund sechs Mrd. Euro an – zum Vergleich: Der Schaden des „Jahrhunderthochwassers“ des Jahres 2002 belief sich auf knapp neun Mrd. Euro.

Stark betroffene Regionen im Jahr 2013 waren vor allem Landkreise in Bayern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Der Westen und Norden Deutschlands blieben hingegen weitestgehend verschont. Abbildung 1 zeigt, basierend auf Daten des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)3, den Anteil der versicherten Schäden aus dem Jahr 2013 pro Kreis. Die Flutschäden sind hierbei als Prozentanteil der aktivierten Hochwasserversicherungen ausgewiesen und sind in Abbildung 1 in neun Kategorien von 0% bis 15% unterteilt. Im Jahr 2013 wurden insgesamt 180 000 Versicherungsfälle mit einer Versicherungssumme von rund zwei Mrd. Euro in Anspruch genommen.

Daten und Methodik

Die für die Studie verwendeten Unternehmens- und Bankdaten stammen aus der Bureau-van-Dijk- und der Amadeus-Datenbank. Da es Ziel der Studie ist, die Wechselwirkung zwischen Unternehmen und Banken zu messen, werden außerdem Informationen der deutschen Kreditratingagentur Creditreform verwendet, welche für jedes Unternehmen in Deutschland die Banken aufführt, mit denen das Unternehmen eine Geschäftsbeziehung unterhält. Weiterhin werden die schon im vorhergehenden Abschnitt erwähnten Informationen des GDV zu den Flutschäden herangezogen. Die Daten werden durch die Autoren wie folgt zusammengeführt: Im ersten Schritt werden die Informationen, wie stark eine Region betroffen ist (vgl. Abbildung 1), jedem in einer bestimmten Region ansässigen Unternehmen zugerechnet. Im zweiten Schritt werden diese Informationen dann den Banken zugerechnet, wobei sich der zurechenbare Schaden pro Bank aus dem gewichteten Mittel aller Unternehmenskunden und deren Schäden (Schritt 1) ergibt. Wie stark eine einzelne Bank betroffen ist, ergibt sich also durch das Ausmaß, in dem „ihre“ Unternehmen betroffen sind.

Diese Information nutzen die Autoren, um zwei Gruppen von Banken zu unterscheiden:4 Betroffene Banken: solche, deren zurechenbarer Schaden durch die Hochwasser über dem Median aller Banken für das Jahr 2013 liegt. Nicht betroffene Banken: solche, deren zurechenbarer Schaden durch die Hochwasser unter dem Median aller Banken für 2013 liegt.

Die Analyse erfolgt im Rahmen einer einfachen Differenzen-in-Differenzen-Methode, bei der die Kreditvergabe betroffener und nicht betroffener Banken in den Jahren 2011 und 2012 mit der Kreditvergabe in den Jahren 2014 und 2015 vergleichen wird.

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Lokale Banken weiten Kreditvergabe aus

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