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Die deutsche Investitionsschwäche: Warum gibt es sie, warum ist sie wichtig und was sollte die neue Bundesregierung dagegen tun

Deutschland befindet sich schon im zweiten Jahr in einer Rezession, und Wachstum ist laut den Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute auch 2025 kaum zu erwarten. Viel schlimmer ist allerdings, dass neue Prognosen des langfristigen Wachstums im Gleichgewicht (das so genannte Produktionspotenzial) dramatisch niedrigere Wachstumsraten für die nächsten 20 Jahre vorhersagen, wenn sich die Wirtschaftspolitik nicht deutlich ändert. Eine wesentliche Ursache für die Wachstumsschwäche ist die Investitionsschwäche. Um diese anzugehen, reicht das beschlossene Sondervermögen für Infrastruktur nicht aus. Die neue Bundesregierung muss die Bürokratie abbauen und Planungsverfahren verkürzen, eine rationale Klima- und Energiepolitik verfolgen, das Rentensystem mutig in Richtung Kapitaldeckungsverfahren umbauen und eine Einkommensteuerreform auf den Weg bringen, die mittlere Einkommen entlastet.

01. Juli 2025

Autoren Reint E. Gropp

Inhalt
Seite 1
Seite 2
Bürokratieabbau
Seite 3
Notwendige Einkommensteuerreform Auf einer Seite lesen

In den letzten 20 Jahren ist Deutschland real (also die Inflation herausgerechnet) um rund 1,5% pro Jahr gewachsen. Das ist etwas besser als viele europäische Länder, aber deutlich niedriger als die USA. Laut den Schätzungen der Wirtschaftsforschungs- institute würde sich das Gleichgewichtswachstum auf rund 0,7% pro Jahr in den nächsten 20 Jahren reduzieren (vgl. Abbildung 1). Auf den ersten Blick scheint das nur ein recht kleiner Unterschied zu sein, aber durch den Zinseszinseffekt sind die Einkommensunterschiede nach 20 Jahren erheblich: Bei einem Durchschnittswachstum von 0,7% pro Jahr würde ein durchschnittliches Einkommen von heute 50 000 Euro in 20 Jahren auf rund 57 500 Euro anwachsen, bei einem Wachstum von durchschnittlich 1,5% wie in der Vergangenheit auf rund 67 000 Euro, also ein deutlicher Unterschied. Noch einmal: Diese Berechnung ist völlig unabhängig von Preissteigerungen.

Warum haben die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen für das Gleichgewichtswachstum so dramatisch reduziert? Einer der wichtigsten Faktoren ist das Produktivitätswachstum, grob gesagt also der Output pro Arbeitnehmer. Ein höherer Output pro Arbeitnehmer führt zu höheren Löhnen und Gehältern. Wir erwarten hier deutlich geringere Steigerungen als in den vergangenen Jahren. Warum ist das so, und was könnte die neue Bundesregierung tun, um das Blatt noch zu wenden?

Investitionsschwäche belastet Wirtschaft

Eine der wichtigsten Beobachtungen, die die gegenwärtige Wirtschaftsschwäche, aber auch die reduzierten Erwartungen für die Zukunft erklären, ist die Investitionsschwäche der Wirtschaft, sowohl im Privatsektor als auch der öffentlichen Hand. Allein die Investitionslücke bei den öffentlichen Investitionen, gemessen als Abstand zum EU-Durchschnitt, beträgt seit zwei Jahrzehnten mindestens einen Prozentpunkt des Bruttoinlandsprodukts (vgl. Abbildung 2) bzw. 50 Mrd. Euro pro Jahr. Das im März 2025 von Bundestag und Bundesrat beschlossene Investitionspaket (Sondervermögen) von 500 Mrd. Euro über zwölf Jahre kann Deutschland nahe an den EU-Durchschnitt bringen, aber nicht mehr. Es wird jedoch nicht den Investitionsstau auflösen, der durch die langjährige Unterinvestition entstanden ist. Investitionen sind ein wichtiger Bestimmungsfaktor für das zukünftige Wachstum: Eine Wirtschaft, die heute nicht investiert, ist in der Zukunft weniger produktiv.

Wenn man Unternehmen fragt, warum sie nicht investieren, dann erwähnen sie zuallererst bürokratische Hemmnisse, Energiekosten, (zu erwartende) steigende Lohnnebenkosten und Arbeitskräftemangel. Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen an die Bundesregierung:

Außerdem in diesem Heft

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Bürokratieabbau: Brauchen wir einen Elon Musk in Deutschland?

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2025

Abstract

<p>Bürokratie und eine Verkleinerung des Staates sind schon seit Jahren in aller Munde. Bürokratieabbau war in den Wahlprogrammen aller deutschen Parteien zur letzten Bundestagswahl zu finden. Wenn Unternehmen gefragt werden, was sie davon abhält zu investieren, rangieren überbordende Bürokratie und Berichtspflichten zusammen mit Arbeitskräftemangel und hohen Energiekosten an erster Stelle.</p>

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Aktuelle Trends: Immobilienpreise geben nach

Michael Koetter Felix Noth Fabian Wöbbeking

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2025

Abstract

<p>In turbulenten Zeiten, die von anhaltenden geopolitischen Krisen, dem holprigen Regierungswechsel in Deutschland und volatilen Aktienmärkten geprägt sind, mögen die eine oder der andere Investor auf Betongold setzen. Ob dies eine gute Idee ist, zeigt ein Blick auf die Dynamik im europäischen Häusermarkt.</p>

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Die Verteilung und Struktur des deutschen Nationaleinkommens von 1992 bis 2019

Stefan Bach Charlotte Bartels Theresa Neef

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2025

Abstract

<p>Wie haben sich die Einkommen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in Deutschland seit der Wiedervereinigung entwickelt? Unsere Studie untersucht die Entwicklung und Zusammensetzung des Nationaleinkommens entlang der Verteilung im Zeitraum von 1992 bis 2019. Während die untere Hälfte der Einkommensverteilung (unterhalb des Medianeinkommens) bis Mitte der 2000er Jahre reale Einkommensverluste verzeichnete, stiegen die Einkommen der oberen Mittelschicht (die obersten 10%, ohne das einkommensstärkste 1%) stetig. Die Spitzeneinkommen (oberstes 1%) blieben zwischen 1992 und 2019 relativ stabil. Arbeitseinkommen dominieren bei den unteren 99%, während das oberste 1% von Unternehmenseinkommen – insbesondere aus arbeitsintensiven Dienstleistungsunternehmen und freien Berufen – bestimmt ist. Unsere Ergebnisse sind zentral für die Debatte über Reformen der Sozialversicherungsbeiträge und der Einkommensbesteuerung.</p>

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Forschen für den Arbeitsmarkt von morgen

Rafael Barth

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2025

Abstract

<p>Die wirtschaftliche Transformation verändert die Arbeitswelt spürbar. Am IWH wird die Abteilung Strukturwandel und Produktivität diese Umbrüche künftig noch intensiver untersuchen und sich damit selbst verändern. Eine hochkarätige Konferenz nach besonderen Spielregeln gab dafür einen kräftigen Schub.</p>

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Kalifornische Inspirationen

Simon Wiederhold

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 2, 2025

Abstract

<p>Wissenschaft lebt vom Austausch kluger Köpfe über Grenzen hinweg. IWH-Ökonom Simon Wiederhold hat vier Wochen an der Stanford University geforscht. Einblicke in eine höchst anregende Erfahrung.</p>

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