
Bürokratieabbau: Brauchen wir einen Elon Musk in Deutschland?
Bürokratie und eine Verkleinerung des Staates sind schon seit Jahren in aller Munde. Bürokratieabbau war in den Wahlprogrammen aller deutschen Parteien zur letzten Bundestagswahl zu finden. Wenn Unternehmen gefragt werden, was sie davon abhält zu investieren, rangieren überbordende Bürokratie und Berichtspflichten zusammen mit Arbeitskräftemangel und hohen Energiekosten an erster Stelle.
01. Juli 2025
DOI: https://doi.org/10.18717/wwdy0r-hz37
Und das nicht ohne Grund: Laut einer Untersuchung der Stiftung Marktwirtschaft ist die Anzahl der Einzelnormen im Bundesrecht seit 2010 von 80 000 auf 96 000 – also um 20% – gestiegen. Würde man Gesetze und Verordnungen der Bundesländer hinzurechnen, fiele das Wachstum noch deutlicher aus. Den Anstieg der Verordnungen auf die EU zurückzuführen, wie das Politiker gern tun, würde zu kurz greifen, denn am Ende müssen alle EU-Direktiven erst noch auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Das kann man effizient oder ineffizient machen, und die meisten neuen Regeln und Berichtspflichten sind ohnehin national.
Es wird aber noch schlimmer, denn mit dem zunehmenden Regulierungsaufwand rechtfertigt der öffentliche Sektor neue Planstellen. So hat sich deren Anzahl in den Bundesministerien seit 2015 um 30% erhöht, nachdem sie in den zehn Jahren zuvor auf gleichem Niveau geblieben war. Diese Zunahme an Mitarbeitern ist noch ausgeprägter in anderen Behörden: In der Bundesagentur für Arbeit zum Beispiel gab es einen Zuwachs der Stellen um 20% bei gleichzeitiger Halbierung der Arbeitslosenzahlen. Ähnliches ließe sich in vielen anderen Behörden feststellen. All das erhöht die Steuerlast und den Aufwand bei Unternehmen und Privatpersonen, um Regeln und Verfahren einzuhalten. Schätzungen zufolge liegt der Aufwand bei Unternehmen allein jetzt schon bei über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
All das ist passiert, obwohl die Ampelkoalition und natürlich auch die Vorgängerregierungen allesamt den Bürokratieabbau als wichtiges Politikziel ausgegeben hatten. Wir müssen anerkennen, dass die gegenwärtige Strategie nicht funktioniert. Brauchen wir also Disruption im öffentlichen Sektor à la Elon Musk? Um das zu beurteilen, ist es wichtig zu verstehen, was die „Strategie“ Elon Musks eigentlich ist. Es ist klar, dass durch Doge (Department of Government Efficiency)-Aktivitäten zunächst einmal keine einzige Regulierung abgebaut wird. Doge hat keinerlei Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess.
Tatsächlich werden Regulierungen nur nicht umgesetzt. Es wird dort gespart, es werden Verträge gekündigt oder Menschen entlassen, wo es am einfachsten ist, nicht unbedingt am sinnvollsten. Der Staat wird pauschal verschlankt, ohne Rücksicht auf Prioritäten und eine systematische Analyse, was die wichtigsten Aktivitäten des Staates eigentlich sind und wie man sie effizienter gestalten könnte. Ohne diese Analyse führen aber diese Einsparungen nur zu einem dysfunktionalen Staat, nicht zu größerer staatlicher Effizienz. Das Ziel von Musk ist es ja wohl auch nicht, den Staat effizienter, sondern ihn handlungsunfähig zu machen. Dabei geht es primär um Ideologie und nicht um eine effizientere Verwaltung wichtiger Funktionen des Staates.
Wir brauchen also zwar Disruption, aber gezielte, strategische Disruption und keinen Elon Musk. Die große Herausforderung ist, Prioritäten zu setzen: also die wichtigen Dinge, die der Staat zweifellos leistet und leisten sollte, von Unwichtigem zu trennen. Wir brauchen einen schlankeren Staat, aber noch viel mehr brauchen wir einen besseren Staat. Wir brauchen einen Staat, der wieder zum Dienstleister der Menschen und Unternehmen wird. Das heißt, die Regierung muss sich folgende Fragen stellen:
(1) Was sollte der Staat tun, damit die Menschen und Unternehmen in der sich schnell ändernden Welt erfolgreich sein können?
(2) Welche Aktivitäten des Staates erfüllen die Bedürfnisse der Menschen und Unternehmen und welche Aktivitäten erfüllen nur die Anforderungen des Staats selbst?
Wenn man die Antworten auf beide Fragen gefunden hat, sollte man konsequent alle Aktivitäten beenden, die nur dem Staat selbst dienen, und alle anderen effizienter machen. Wenn die neue Bundesregierung keine Antworten auf diese Fragen findet und anschließend die notwendigen Reformen nicht schnell umsetzt, wird Deutschland auf absehbare Zeit keinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg haben können.1
1 Die Originalfassung dieses Textes erschien am 22.03.2025 bei Table Media.