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Die Verteilung und Struktur des deutschen Nationaleinkommens von 1992 bis 2019

Wie haben sich die Einkommen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in Deutschland seit der Wiedervereinigung entwickelt? Unsere Studie untersucht die Entwicklung und Zusammensetzung des Nationaleinkommens entlang der Verteilung im Zeitraum von 1992 bis 2019. Während die untere Hälfte der Einkommensverteilung (unterhalb des Medianeinkommens) bis Mitte der 2000er Jahre reale Einkommensverluste verzeichnete, stiegen die Einkommen der oberen Mittelschicht (die obersten 10%, ohne das einkommensstärkste 1%) stetig. Die Spitzeneinkommen (oberstes 1%) blieben zwischen 1992 und 2019 relativ stabil. Arbeitseinkommen dominieren bei den unteren 99%, während das oberste 1% von Unternehmenseinkommen – insbesondere aus arbeitsintensiven Dienstleistungsunternehmen und freien Berufen – bestimmt ist. Unsere Ergebnisse sind zentral für die Debatte über Reformen der Sozialversicherungsbeiträge und der Einkommensbesteuerung.

01. July 2025

Authors Stefan Bach Charlotte Bartels Theresa Neef

Contents
Page 1
Datengrundlage und Methodik
Page 2
Die Verteilung des Nationaleinkommens
Page 3
Ausblick
Page 4
Endnoten All on one page

Wie sich die Einkommen verschiedener Bevölkerungsgruppen entwickeln, ist eine zentrale Frage für Politik und Gesellschaft – etwa im Hinblick auf Reformen der Sozialversicherungsbeiträge, der Einkommensbesteuerung, der Ausgestaltung von Sozialleistungen oder öffentlicher Investitionen. Um beurteilen zu können, wie sich solche Reformen auf unterschiedliche Gruppen auswirken, wer Beiträge zahlt und wer Leistungen bezieht, braucht es ein genaues Verständnis der Einkommensstruktur entlang der Verteilung.

Dieser Beitrag zeigt, basierend auf einer jüngst veröffentlichten Studie1, dass sich die Einkommen verschiedener Einkommensgruppen in Deutschland in den letzten drei Jahrzehnten ungleich entwickelt haben. Während die untere Hälfte der Einkommensverteilung bis Mitte der 2000er Jahre reale Einkommensverluste hinnehmen musste, stiegen vor allem die Einkommen der oberen Mittelschicht (90. bis 99. Perzentil)2, vor allem durch steigende Lohneinkommen von Besserverdienenden. Die Spitzeneinkommen (oberstes 1%) blieben dagegen weitgehend stabil. Ein großer Teil der Spitzeneinkommen stammt aus arbeitsintensiven Dienstleistungsunternehmen wie Rechts-, Steuer-, IT- und Unternehmensberatungen, Ingenieurbüros und medizinischen Praxen.

Datengrundlage und Methodik

Wir kombinieren Mikrodaten der Lohn- und Einkommensteuerstatistik mit Befragungsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und Aggregaten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, um die Verteilung des Nettonationaleinkommens in Deutschland zu schätzen. Das Nettonationaleinkommen umfasst das von Inländern empfangene Arbeitnehmerentgelt, Unternehmens- und Vermögenseinkommen sowie das Staatseinkommen (u. a. Nettoproduktions- und Importabgaben).

Unsere Analyse folgt der Methodik des World Inequality Labs, das für viele Länder weltweit länderspezifische Zeitreihen zu so genannten Distributional National Accounts (DINA) bereitstellt.3 Unsere Datenbasis deckt individuelle Einkommen der gesamten erwachsenen Bevölkerung in Deutschland ab, rund 67 Millionen Personen im Jahr 2019.

Wir ordnen die Individuen vom einkommensschwächsten bis zum einkommensstärksten und fassen sie in vier Gruppen zusammen: die unteren 50%, die mittleren 40% (50. bis 90. Perzentil), das 90. bis 99. Perzentil und das oberste 1%. Dank der detaillierten Mikrodaten können wir die Verteilung bis zu den obersten 0,01% erfassen und die Einkommenszusammensetzung analysieren. Da die Daten nur Querschnittsinformationen enthalten, erlauben sie jedoch keine Aussagen zur Einkommensmobilität. Personen können in verschiedenen Jahren unterschiedlichen Einkommensgruppen angehören, etwa, wenn Studierende später zu besserverdienenden Arbeitnehmern werden. Wir untersuchen die Verteilung des Nationaleinkommens vor Steuern. Dies umfasst alle Markteinkommen aus Kapital und Arbeit, einschließlich der einbehaltenen Unternehmensgewinne. Für jede Person ziehen wir gezahlte Sozialversicherungsbeiträge ab und rechnen empfangene Sozialversicherungsleistungen, vor allem Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, hinzu. Dadurch entsteht eine individuelle Umverteilung über die Sozialversicherung, insbesondere im Verlauf des Lebens. Nicht berücksichtigt sind in dieser Analyse die Umverteilung durch Steuern und bedarfsgeprüfte Transfers wie das Bürgergeld.

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Die Verteilung des Nationaleinkommens

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The Distribution of National Income in Germany, 1992-2019

Stefan Bach Charlotte Bartels Theresa Neef

in: IWH Discussion Papers, No. 25, 2024

Abstract

<p>This paper analyzes the distribution and composition of pre-tax national income in Germany since 1992, combining personal income tax returns, household survey data, and national accounts. Inequality rose from the 1990s to the late 2000s due to falling labor incomes among the bottom 50% and rising incomes in the top 10%. This trend reversed after 2007 as labor incomes across the bottom 90% increased. The top 1% income share, dominated by business income, remained relatively stable between 1992 and 2019. A large share of Germany’s top 1% earners are non-corporate business owners in labor-intensive professions. At least half of the business owners in P99-99.9 and a quarter in the top 0.1% operate firms in professional services – a pattern mirroring the United States. From 1992 to 2019, Germany’s top 0.1% income concentration exceeded France’s and matched U.S. levels until the late 2000s.</p>

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Bürokratieabbau: Brauchen wir einen Elon Musk in Deutschland?

Reint E. Gropp

in: Wirtschaft im Wandel, No. 2, 2025

Abstract

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Aktuelle Trends: Immobilienpreise geben nach

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in: Wirtschaft im Wandel, No. 2, 2025

Abstract

<p>In turbulenten Zeiten, die von anhaltenden geopolitischen Krisen, dem holprigen Regierungswechsel in Deutschland und volatilen Aktienmärkten geprägt sind, mögen die eine oder der andere Investor auf Betongold setzen. Ob dies eine gute Idee ist, zeigt ein Blick auf die Dynamik im europäischen Häusermarkt.</p>

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Die deutsche Investitionsschwäche: Warum gibt es sie, warum ist sie wichtig und was sollte die neue Bundesregierung dagegen tun

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in: Wirtschaft im Wandel, No. 2, 2025

Abstract

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<p>Wissenschaft lebt vom Austausch kluger Köpfe über Grenzen hinweg. IWH-Ökonom Simon Wiederhold hat vier Wochen an der Stanford University geforscht. Einblicke in eine höchst anregende Erfahrung.</p>

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in: Wirtschaft im Wandel, No. 2, 2025

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<p>The economic transformation is visibly reshaping the world of work. At the Halle Institute for Economic Research (IWH), the Structural Change and Productivity Department will intensify its analysis of these developments – and is evolving in the process. A high-profile conference with an unusual format recently provided important momentum.</p>

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