Konjunktur aktuell: Export und privater Konsum schwach – Deutschland wartet auf den Aufschwung

Im Winter 2023/2024 ist die deutsche Wirtschaft weiter im Abschwung. Teile der Industrie haben an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, die Realeinkommen sind inflationsbedingt im Jahr 2023 zurückgegangen, und es herrscht Unsicherheit über den Kurs der Finanzpolitik. Allerdings dürften wieder steigende Realeinkommen und etwas anziehende Exporte ab dem Frühjahr für eine Belebung sorgen. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) prognostiziert, dass das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2023 um 0,3% sinken und im Jahr 2024 um 0,5% expandieren dürfte (Ostdeutschland: +0,5% und +0,7%). Im September waren die IWH-Konjunkturforscher noch von einem Minus von 0,5% für Deutschland im Jahr 2023 ausgegangen und hatten einen Zuwachs von 0,9% für das kommende Jahr erwartet.

Autoren Oliver Holtemöller

Zum Ende des Jahres 2023 verliert die Weltwirtschaft weiter an Schwung. Die Phase der Erholung von der Pandemie ist weitgehend abgeschlossen, und der durch den weltweiten Inflationsschub ausgelöste restriktive Schwenk der Geldpolitik drückt über höhere Finanzierungskosten vielerorts die Güternachfrage. Besonderen Belastungen sind darüber hinaus die europäische und die chinesische Wirtschaft ausgesetzt: In Europa sind dies der russische Krieg gegen die Ukraine und die mit ihm zusammenhängenden hohen Energiekosten, in China ist es die Strukturkrise des dort besonders wichtigen Immobiliensektors. Allerdings gibt es auch Gründe dafür, dass die Weltwirtschaft im kommenden Jahr wieder etwas anziehen dürfte. Denn der zuletzt überraschend deutliche Rückgang der Inflationsraten in den USA und im Euroraum hat die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Geldpolitik im Lauf des Jahres 2024 etwas gelockert wird.

Die deutsche Wirtschaft ist nach Ende der Pandemie nicht wieder auf ihren alten Wachstumspfad zurückgekehrt. Das Bruttoinlandsprodukt ist in realer Rechnung kaum höher als vor Ausbruch der Pandemie und damit 4% unter dem in der Mittelfristprojektion des IWH vom Dezember 2019 für das Jahr 2023 erwarteten Niveau. Dafür gibt es mehrere Ursachen: Wichtige Bereiche des Verarbeitenden Gewerbes haben an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, insbesondere die Automobilindustrie im Zuge des Umstiegs von Verbrennern auf Elektromotoren und die Chemiebranche aufgrund der höheren Energiepreise in Europa. Dazu kommt, dass die Weltnachfrage nach Industriegütern zurzeit schwach ist. Zudem ist die Inflation in Deutschland immer noch hoch, und die Realeinkommen sind längere Zeit über zurückgegangen. Die geldpolitische Straffung hat die zuvor außerordentlich günstigen Finanzierungsbedingungen verschlechtert, was insbesondere die Bauwirtschaft belastet. Zudem muss sich die Wirtschaft seit dem Verfassungsgerichtsurteil zum zweiten Nachtragshaushalt 2021 vom November auf neue Belastungen einstellen. „Für den Winter zeichnet sich keine Besserung der Konjunktur ab“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. „Allerdings wird im Verlauf des Jahres 2024 der Konsum von wieder steigenden Reallöhnen gestützt werden, und die deutsche Exportindustrie dürfte davon profitieren, dass sich nach und nach wohl auch die internationale Nachfrage nach Gütern des Verarbeitenden Gewerbes wieder belebt.“

Ein Risiko für die vorliegende Prognose liegt darin, dass noch nicht im Detail bekannt ist, wie die Politik auf das Verfassungsgerichtsurteil reagiert. „Es könnte zu einem Verlust an Vertrauen in die von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen kommen, wenn die einmal versprochene Förderung einer Vielzahl von Investitionsprojekten wegfiele oder stark reduziert würde“, sagt Holtemöller. Auch könnte das Vertrauen in die klimaneutrale Erneuerung der Wirtschaft verlorengehen, denn der von der Politik bislang propagierte Weg führt vor allem über die staatliche Subventionierung grüner Investitionen. „Solche Vertrauensverluste könnten auch kurzfristig die Konsum- und Investitionsbereitschaft in Deutschland stärker belasten als in der vorliegenden Prognose unterstellt“, so der Ökonom.

Die Langfassung der Prognose enthält einen Kasten zu den Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom
15. November 2023 sowie einen Kasten zur Schätzung des Produktionspotenzials

Kasten 1: Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom
15. November 2023


Kasten 2: Zur Schätzung des Produktionspotenzials

Langfassung:
Drygalla, Andrej; Exß, Franziska; Heinisch, Katja; Holtemöller, Oliver; Kämpfe, Martina; Kozyrev, Boris; Lindner, Axel; Mukherjee, Sukanya; Sardone, Alessandro; Schult, Christoph; Schultz, Birgit; Zeddies, Götz: Konjunktur aktuell: Export und privater Konsum schwach – Deutschland wartet auf den Aufschwung. IWH, Konjunktur aktuell, Jg. 11 (4), 2023. Halle (Saale) 2023.

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Zugehörige Publikationen

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Konjunktur aktuell: Export und privater Konsum schwach – Deutschland wartet auf den Aufschwung

Arbeitskreis Konjunktur des IWH

in: Konjunktur aktuell, 4, 2023

Abstract

Die Weltwirtschaft verliert zum Ende des Jahres 2023 weiter an Schwung. Der durch den weltweiten Inflationsschub ausgelöste restriktive Schwenk der Geldpolitik drückt über höhere Finanzierungskosten vielerorts die Güternachfrage. Im nächsten Jahr dürfte die Weltwirtschaft wieder etwas anziehen. Die deutsche Wirtschaft ist nach Ende der Pandemie nicht wieder auf ihren alten Wachstumspfad zurückgekehrt. Das Verarbeitenden Gewerbe hat an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, und die Weltnachfrage nach Industriegütern ist zurzeit schwach. Zudem ist die Inflation immer noch hoch, und die Realeinkommen sind längere Zeit über zurückgegangen. Die geldpolitische Straffung hat die Finanzierungsbedingungen verschlechtert, was besonders die Bauwirtschaft belastet. Das Bruttoinlandsprodukt wird 2023 wohl um 0,3% sinken und im kommenden Jahr um 0,5% expandieren.

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