IWH-Frühjahrsprognose 2024

Deutschland in der Stagnation festgefahren – privater Konsum weiter unter dem Niveau von vor der Pandemie

7. März 2024

 

Die Konsum- und Investitionszurückhaltung in Deutschland lässt sich zum Teil durch Realeinkommensverluste aufgrund der hohen Inflation und Produktionsrückgänge in den energieintensiven Wirtschaftszweigen erklären. Darüber hinaus lasten aber auch Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland auf der Ausgabenbereitschaft von privaten Haushalten und Unternehmen. Nach der Frühjahrsprognose des IWH dürfte das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 um lediglich 0,2% expandieren, für 2025 beinhaltet die Prognose einen Zuwachs um 1,5% (Ostdeutschland: 0,5% und 1,4%). Im vergangenen Dezember waren die IWH-Konjunkturforscher von einem Plus von 0,5% für Deutschland im Jahr 2024 und von 1,2% für 2025 ausgegangen.

Zu Beginn des Jahres 2024 zeigen Stimmungsindikatoren etwas aufgehellte Aussichten für die internationale Konjunktur. Dabei war die weltweite Produktionsdynamik noch bis Ende 2023 zurückgegangen. Ursachen waren hohe Inflation, restriktive Geldpolitik und in Europa der russische Krieg gegen die Ukraine sowie in China die dortige Immobilienkrise. Die Finanzmärkte sind vor diesem Hintergrund bemerkenswert optimistisch, vor allem in Erwartung von Leitzinssenkungen ab dem Sommer. Zudem erwarten sich die Anleger wohl Wachstumsimpulse von Innovationen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz.

Für die USA kann die Tatsache optimistisch stimmen, dass die restriktive Geldpolitik bisher überraschend wenig gedämpft hat. In Europa dürfte die Dynamik dagegen recht schwach bleiben. Gründe sind unter anderem die höheren Energiekosten des Verarbeitenden Gewerbes und industriepolitische Maßnahmen in den USA und in China, die die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter beeinträchtigen.

„Deutschland befindet sich in einer langanhaltenden Stagnation“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Ende 2023 waren privater Konsum und Investitionen niedriger als vor Pandemieausbruch vor vier Jahren. Für die schlechte Wirtschaftslage gibt es mehrere Ursachen. Hohe Inflation hat die Realeinkommen gedrückt, und die Haushalte halten sich mit Konsumausgaben zurück. Die Industrieproduktion der energieintensiven Wirtschaftszweige ist deutlich rückläufig. Aber auch allgemeine Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland drücken die Ausgabenneigung von Haushalten und Unternehmen. Was die Konjunktur stützt, ist der recht robuste Arbeitsmarkt. Der jüngste Anstieg der realen Arbeitnehmereinkommen dürfte sich im Jahr 2024 fortsetzen und ein deshalb wieder höherer privater Konsum die Unternehmensinvestitionen stabilisieren. Allerdings werden die Bauinvestitionen weiter durch die gestiegenen Finanzierungskosten belastet. „Erst in der zweiten Jahreshälfte ist mit einem leichten Anziehen der Konjunktur zu rechnen“, sagt Oliver Holtemöller.

„Ein Risiko für die deutsche Konjunktur besteht in der Frage, wie gut der derzeitige erhebliche Strukturwandel bewältigt werden kann“, so der Ökonom. Teile des Verarbeitenden Gewerbes, etwa energieintensive Produzenten oder Zulieferer der Automobilindustrie, bauen Arbeitsplätze ab. Weil gesamtwirtschaftlich Arbeitskräftemangel herrscht, sollte es im Prinzip möglich sein, die freigesetzten, zum Teil hochqualifizierten, Fachkräfte rasch wieder in Beschäftigung zu bringen. Es gibt aber auch Faktoren, die eine Reallokation in Deutschland erschweren. Denn sowohl der regionalen als auch der beruflichen Mobilität stehen in Deutschland oft hohe Hürden entgegen. Gegenwärtig kommt dazu eine verbreitete Unsicherheit, die Unternehmen davon abhalten könnte, jetzt mit neuen Mitarbeitern zu expandieren.

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