Sinkendes Potenzialwachstum in Deutschland, beschleunigter Braunkohleausstieg und Klimapaket: Finanzpolitische Konsequenzen für die Jahre bis 2024
Andrej Drygalla, Katja Heinisch, Oliver Holtemöller, Axel Lindner, Christoph Schult, Matthias Wieschemeyer, Götz Zeddies
Konjunktur aktuell,
No. 4,
2019
Abstract
Nach der Mittelfristprojektion des IWH wird das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in den Jahren bis 2024 preisbereinigt um durchschnittlich 1% wachsen; das nominale Bruttoinlandsprodukt wird um durchschnittlich 2¾% zunehmen. Die Durchschnittswerte verschleiern die Tatsache, dass das Wachstum gegen Ende des Projektionszeitraums aufgrund der dann rückläufigen Erwerbsbevölkerung spürbar zurückgehen wird. Dies wird sich auch bei den Staatseinnahmen niederschlagen. Allerdings wird die Bevölkerung nicht regional gleichverteilt zurückgehen. Strukturschwache Regionen dürften stärker betroffen sein. Die regionalen Effekte auf die Staatseinnahmen werden zwar durch Umverteilungsmechanismen abgefedert, aber nicht völlig ausgeglichen. Regionen mit schrumpfender Erwerbsbevölkerung müssen sich auf einen sinkenden finanziellen Spielraum einstellen. Der beschleunigte Braunkohleausstieg wird diesen Prozess verstärken, das Klimapaket der Bundesregierung hat hingegen vergleichsweise geringe Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen.
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Kommentar: Die Krise von 2008/2009 ist noch nicht vorbei
Reint E. Gropp
Wirtschaft im Wandel,
No. 2,
2019
Abstract
Kurzfristig war die Finanzkrise, ursprünglich ausgelöst durch exzessive Vergabe von Hypotheken an weniger kreditwürdige Haushalte, verbunden mit der weitverbreiteten Verbriefung dieser Hypotheken, mit schweren realwirtschaftlichen Konsequenzen verbunden. Die Volkswirtschaften aller Industrieländer schrumpften stark, die Arbeitslosigkeit stieg kräftig an. Firmen waren nicht in der Lage, neue Investitionen zu finanzieren, da es für Banken in vielen Ländern nicht möglich war, Kredite zu vergeben. Gleichzeitig führten die Rettungsaktionen der Regierungen zu einer starken Erhöhung der Schuldenstände und zu einer Nullzinspolitik, verbunden mit Anleihekäufen, der wichtigsten Zentralbanken.
Wo stehen wir heute, über zehn Jahre nach der Pleite von Lehman, die symbolisch noch immer eng mit der Krise verbunden ist? Und gibt es langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft – Auswirkungen, die wir noch heute spüren und möglicherweise noch viele Jahre spüren werden?
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Langfristige Konsequenzen der Finanzkrise 2008/2009: Nachsichtige Regulierung schadet, flexible Löhne helfen
Reint E. Gropp, Carlo Wix
Wirtschaft im Wandel,
No. 2,
2019
Abstract
Die globale Bankenkrise der Jahre 2008/2009 hatte weltweit signifikant negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft, und in vielen Ländern fiel die folgende wirtschaftliche Erholung deutlich langsamer aus als in vorherigen Rezessionen. In den Monaten nach der Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers reduzierten Banken ihre Kreditvergabe an Unternehmen, was zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, einem Rückgang an Investitionen und einer Verringerung der Produktivität führte. Während diese kurzfristigen Effekte in der bisherigen Forschung gut dokumentiert sind, sind die langfristigen Auswirkungen von Bankenkrisen bisher weit weniger gut verstanden. Zwei aktuelle Studien unter IWH-Beteiligung zeigen, dass Bankenkrisen generell negative langfristige Effekte auf das Wachstum von Firmen haben, dass die Rettung von schwachen Banken während der Krise mit Produktivitätsverlusten in späteren Jahren einhergeht, und dass diese negativen langfristigen Effekte durch die Existenz inflexibler Löhne verstärkt werden.
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Unternehmensinsolvenzen: Welche Folgen haben sie für Arbeitnehmer?
Daniel Fackler
Wirtschaftsdienst,
No. 6,
2019
Abstract
Unternehmensinsolvenzen sind nicht nur für Eigentümer und Gläubiger mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden, sie haben zumeist auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Arbeitnehmer, die dadurch in aller Regel ihre Arbeitsplätze verlieren. Insbesondere Insolvenzen großer Unternehmen mit mehreren Tausend Beschäftigten – prominente Fälle sind beispielsweise Schlecker, Praktiker oder Air Berlin – führen gelegentlich dazu, dass die Schicksale der betroffenen Arbeitnehmer auch in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit geraten. Das Interesse von Politik und Medien lässt jedoch meist schnell wieder nach, obwohl Unternehmensinsolvenzen natürlich weitaus häufiger vorkommen. Zwar ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen seit einigen Jahren rückläufig, dennoch waren 2018 deutschlandweit fast 20 000 Unternehmen und 200 000 Arbeitsplätze betroffen.
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Gute Absicht – böses Ende: Die US-Wohnungspolitik als Brandbeschleuniger der Weltfinanzkrise
Reint E. Gropp, Vahid Saadi
Wirtschaft im Wandel,
No. 1,
2019
Abstract
Der Boom auf dem US-amerikanischen Eigenheimmarkt in den frühen 2000er Jahren führte zur schwersten Finanzkrise der vergangenen Jahrzehnte. Wissenschaftler haben unterschiedliche Faktoren dokumentiert, die zum rasanten Anstieg der Immobilienpreise beigetragen haben. Kaum beleuchtet wurde bisher die Rolle der US-Wohnungspolitik, insbesondere die Förderung des privaten Wohneigentums durch den Community Reinvestment Act (CRA). Der vorliegende Beitrag untersucht die Geschichte dieses Bundesgesetzes und seine Auswirkungen auf den Markt für Hypotheken und Wohneigentum seit den späten 1990er Jahren. Infolge des CRA wurden seit 1998 deutlich mehr Hypotheken aufgenommen. Der Anstieg der Immobilienpreise in der Boomphase beruhte zum Teil auf diesem politisch induzierten Anstieg der Hypothekenvergabe. Der CRA ermöglichte es auch Kreditnehmern mit geringerer Kreditwürdigkeit, eine Hypothek aufzunehmen – in der Folge kam es zu vermehrten Zahlungsausfällen. Der CRA hat also zum Boom-Bust-Zyklus auf dem amerikanischen Immobilienmarkt beigetragen. Er kann als Beispiel einer wohlmeinenden Politik gelten, die unbeabsichtigt wohlfahrtsmindernde Wirkungen zeitigt.
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28.01.2019 • 2/2019
Wissenschaftsrat stimmt IWH-Erweiterung zu
Der Wissenschaftsrat befürwortet die Gründung einer neuen Abteilung am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Mit zusätzlichen Forschenden und einem neuen Ansatz will das Institut untersuchen, welche Auswirkungen das Zusammenspiel von unterschiedlichen staatlichen Eingriffen in Finanz- und Arbeitsmärkte auf die Gesamtwirtschaft hat.
Reint E. Gropp
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Regionale Wachstums- und Beschäftigungseffekte professioneller Fußballvereine – Eine europäische Analyse
Matthias Brachert
Wirtschaft im Wandel,
No. 5,
2018
Abstract
Steigt ein Fußballverein ab, leiden die Fans. Leidet auch die Region? Der Beitrag nutzt abstiegsbedingte Änderungen in der räumlichen Verteilung der Vereine in vier großen europäischen Profifußballligen, um den kausalen Effekt des Abstiegs eines Erstligavereins auf das regionale Beschäftigungs- und Wirtschaftswachstum zu testen. Die Ergebnisse zeigen signifikant negative kurzfristige Effekte eines Abstiegs auf die Entwicklung der regionalen Beschäftigung und der Bruttowertschöpfung in sportbezogenen Wirtschaftszweigen. Darüber hinaus finden sich negative Auswirkungen auf das gesamte regionale Beschäftigungswachstum.
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Internationale Konjunkturprognose und konjunkturelle Szenarien für die Jahre 2017 bis 2022
Andrej Drygalla, Oliver Holtemöller, Axel Lindner
IWH Online,
No. 5,
2018
Abstract
In der vorliegenden Studie werden zunächst die weltweiten konjunkturellen Aussichten für das Ende des Jahres 2017 und für die Jahre 2018 bis 2022 dargestellt. Die Weltwirtschaft befindet sich in einem Aufschwung. Stimmungsindikatoren deuten auch für die zweite Jahreshälfte 2017 auf eine schwungvolle Weltkonjunktur hin. In den USA, in Japan und im Euroraum steigt die Produktion deutlich schneller als im Trend. Nicht zuletzt wegen der für die Zentralbanken überraschend schwachen Preisdynamik, im Fall der USA auch wegen einer Neueinschätzung der künftigen Finanzpolitik, dürfte die Geldpolitik langsamer als noch im Frühjahr erwartet gestrafft werden. In der vorliegenden Prognose sind keine wesentlichen finanzpolitischen Impulse unterstellt; das gilt auch für die USA. Trotzdem ist für die Jahre 2018 und 2019 mit einer recht kräftigen Expansion der Weltwirtschaft zu rechnen, wobei die Zuwachsraten gegen Ende des Prognosezeitraums allmählich in Richtung der Potenzialraten sinken werden. Die wirtschaftspolitischen Risiken haben sich in den vergangenen Monaten sowohl in den USA als auch in Europa etwas verringert. Erheblich sind allerdings nach wie vor die mit dem protektionistischen Gedankengut der US-Regierung verbundenen Risiken für den internationalen Handel.
Neben dem Basisszenario wird auch die Entwicklung für den Fall skizziert, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion in einer Gruppe von EU-Ländern eine ungünstige, eine sehr ungünstige Wendung (mittelschweres und schweres Negativszenario), oder auch eine günstige Wendung nimmt (Positivszenario). Diese Gruppe besteht aus folgenden Volkswirtschaften: Deutschland, Belgien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Niederlande, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Spanien und Tschechien. Das mittelschwere Negativszenario ist so gewählt, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion dieser Ländergruppe im Jahr 2018 gemäß der aus dem Modell resultierenden Wahrscheinlichkeitsverteilung nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% noch geringer ausfällt; das schwere Negativszenario ist so gewählt, dass sich mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 1% eine noch geringere Produktion realisieren dürfte. Das Positivszenario wird schließlich so gewählt, dass es mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 10% zu einer noch höheren Produktion in der Ländergruppe kommen dürfte.
Der weltwirtschaftliche Produktionszuwachs beträgt nach vorliegender Studie in den Jahren 2017 und 2018 je 3,1% (IWF: 3% und 3,1%). Der Ausblick auf die weiteren weltwirtschaftlichen Perspektiven beinhaltet für die Jahre 2019 bis 2022 einen jährlichen Produktionszuwachs, der mit knapp 3,0% nur etwas unterhalb seines derzeitigen Niveaus liegt. Im Fall eines mittelschweren Einbruchs bleibt die Zuwachsrate der europäischen Ländergruppe im Jahr 2018 mit 0,2% um 1,7 Prozentpunkte unter der Rate im Basisszenario, im Fall eines schweren Einbruchs mit -1,2% um 3,1 Prozentpunkte. Besonders stark bricht in den negativen Risikoszenarien die Produktion in Griechenland, Irland, Spanien und der Slowakei ein. Der weltwirtschaftliche Schock reduziert die Produktion in Deutschland erst einmal etwas stärker als im Durchschnitt der Ländergruppe, die deutsche Wirtschaft erholt sich dann aber besonders rasch. All diese Ergebnisse entsprechen im Prinzip den Auswirkungen, welche die Finanzkrise und die Große Rezession in den einzelnen europäischen Ländern hatten.
Die länderspezifischen Szenarien erlauben auch die Antwort auf die Frage, wie stark die deutsche Wirtschaft von dem Wirtschaftseinbruch eines bestimmten Landes aus dem europäischen Länderkreis betroffen ist. Es zeigt sich, dass es für Deutschland nur bei einem schweren Einbruch der Konjunktur in Großbritannien zu nennenswerten Produktionsverlusten kommt. Über die Jahre zwischen 2018 und 2022 betragen sie 0,3 Prozentpunkte. Zuletzt wird ein Szenario betrachtet, in dem ein mehrjähriger weltwirtschaftlicher Wirtschaftseinbruch mit einer deutlichen Erhöhung der Zinsen einhergeht. Ein solches Szenario könnte sich etwa aus einem Verlust an Vertrauen von Unternehmen und Haushalten in die Stabilitätsorientierung der Geldpolitik entwickeln. In einem solchen Fall können die Zentralbanken gezwungen sein, ihre Reputation durch eine Hochzinspolitik wieder herzustellen auch unter Inkaufnahme einer längeren Phase gesamtwirtschaftlicher Unterauslastung.
Interessant ist der Vergleich zwischen den Produktionsverlusten im mit dem Zinsanstieg einhergehenden langfristigen Risikoszenario mit denen im Fall eines globalen schweren Einbruchs: Es zeigt sich, dass die Verluste über die Jahre 2018 bis 2022 gerechnet neben Griechenland in Spanien, den Niederlanden und Großbritannien am höchsten sind. Alle drei Länder sind bekannt für ausgeprägte Zyklen auf den Häusermärkten. Sie sind wegen der großen Bedeutung der Zinsen für die Immobilienwirtschaft von Zinsschwankungen besonders abhängig.
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Katrina und die Folgen: Sicherere Banken und positive Produktionseffekte
Felix Noth
Wirtschaft im Wandel,
No. 4,
2018
Abstract
Welche Auswirkungen haben große Schocks wie Naturkatastrophen auf das Risiko von Banken, und welche realwirtschaftlichen Implikationen ergeben sich daraus? Diesen Fragen geht ein aktueller Beitrag unter IWH-Beteiligung nach, der die Auswirkungen des Wirbelsturms Katrina in den USA untersucht. Dabei finden die Autoren, dass vor allem eigenständige und besser kapitalisierte Banken auf das erhöhte Risiko reagieren, indem sie ihre Risikovorsorge in Form deutlich erhöhter Eigenkapitalpuffer nach oben fahren und den Anteil risikoreicher Aktiva in ihren Bilanzen verkleinern. Das geschieht allerdings nicht durch eine Verknappung des Kreditangebots, sondern potenziell durch Kreditverkäufe. Die Ergebnisse legen deshalb nahe, dass das Instrument der Verbriefung es betroffenen Banken ermöglicht, einerseits ihre Bilanzen sicherer zu machen und andererseits Unternehmen mit neuen Krediten zu versorgen. Dadurch profitieren auch die vom Schock betroffenen Regionen. Solche Regionen, die durch mehr eigenständige und besser kapitalisierte Banken gekennzeichnet sind, haben nach der Wirbelsturmsaison von 2005 deutlich höhere Produktionseffekte und geringere Arbeitslosenquoten.
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Kosten der Maßnahmen aus dem „Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung“
Oliver Holtemöller, Götz Zeddies
IWH Online,
No. 3,
2018
Abstract
Der Referentenentwurf des Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung sieht folgende Leistungsausweitungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vor: Fixierung des Rentenniveaus bei 48% und der Haltelinie für den Beitragssatz bei 20%, Aufstockung der Mütterrente, Verbesserungen für Erwerbsgeminderte und Ausweitung der Gleitzone (so genannte „Midijobs“).
Diese Maßnahmen werden vor allem langfristig erhebliche Auswirkungen auf die Ausgaben der Rentenversicherung haben; gleichzeitig wird die Anzahl der Beitragszahler aufgrund der Alterung der Bevölkerung abnehmen. Das heißt, selbst ohne die neuen Leistungsausweitungen stiegen die Abgaben (Beiträge und Steuern) zur Finanzierung der Rentenversicherung langfristig deutlich an.
Berechnungen mit dem Rentensimulationsmodell des IWH zeigen, dass die effektive Abgabenlast (Rentenversicherungsbeitrag plus Steuerzuschüsse) in Relation zum Lohn bis zum Jahr 2050 ohne die neuen Leistungsausweitungen um acht und mit um weitere drei Prozentpunkte zunehmen dürfte. Wenn der Beitragssatz bei 20% konstant gehalten werden soll, müssten etwa die Einkommensteuer oder die Umsatzsteuer entsprechend kräftig erhöht werden.
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