Der Abschwung fällt im Jahr 2023 in Ostdeutschland milder aus als in Deutschland insgesamt – Implikationen der Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2023 und von aktuellen Halbjahresdaten für die Länder

Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit über einem Jahr im Abschwung. In Ostdeutschland war die Konjunktur in den vergangenen vier Quartalen allerdings etwas kräftiger: Laut Prognose des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) dürfte das ostdeutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 um 0,5% zulegen, während die Produktion in Deutschland insgesamt um 0,6% sinkt. Im nächsten Jahr werden in Ost und West Expansionsraten von 1,3% erwartet, und für 2025 wird prognostiziert, dass das ostdeutsche Bruttoinlandsprodukt mit 1,2% etwas langsamer zulegt als in Deutschland insgesamt (1,5%).

Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose konstatiert in ihrem Herbstgutachten, dass sich die deutsche Wirtschaft seit über einem Jahr in einem Abschwung befindet, der erst zum Jahresende abklingen dürfte. Allerdings war die Konjunktur in Ostdeutschland in den vergangenen vier Quartalen etwas kräftiger: Nach Angaben des Arbeitskreises „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ war das ostdeutsche Bruttoinlandsprodukt im ersten Halbjahr 2023 um 0,2% höher als ein Jahr zuvor, während es für Deutschland insgesamt um 0,3% niedriger ausfiel. Dabei war die Konjunktur im Verarbeitenden Gewerbe regional stark differenziert: Dass das Bruttoinlandsprodukt in Sachsen-Anhalt um 3,2% zurückging, ist wohl auf die Probleme der in dem Bundesland wichtigen Chemieindustrie mit den extremen Energiepreisanstiegen zurückzuführen. Dagegen war Brandenburgs Bruttoinlandsprodukt im ersten Halbjahr 2023 um 6% höher als ein Jahr zuvor. Dafür war ausschlaggebend, dass die große Elektroauto-Fabrik in Grünheide ab März 2022 ihre Produktion hochgefahren hat. „Auch Umsätze und Auftragseingänge im ersten Halbjahr 2023 sprechen für eine in Ostdeutschland etwas höhere Dynamik im Verarbeitenden Gewerbe“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident am IWH. „Zudem entwickeln sich die verfügbaren Einkommen in Ostdeutschland schon seit einigen Jahren günstiger als im Westen.“ So lagen die ostdeutschen realen Bruttolöhne und -gehälter im Jahr 2022 um 19,5% über ihrem Niveau von 2015, die westdeutschen nur um 16,1%. Im Jahr 2023 werden die Einkommen durch die Erhöhung des im Osten besonders häufig gezahlten Mindestlohns (auf zwölf Euro je Stunde ab Oktober 2022) gestützt. Zudem wird die gesetzliche Rente um 5,9% und damit um 1,5 Prozentpunkte stärker erhöht als im Westen.

„In den kommenden Jahren wird das ostdeutsche Bruttoinlandsprodukt wohl kaum noch stärker als das in Gesamtdeutschland expandieren, denn die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter geht in den ostdeutschen Flächenländern aus demographischen Gründen zurück“, sagt Holtemöller. So hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Ostdeutschland zuletzt kaum noch zugenommen, im Juni um 0,3% gegenüber dem Vorjahresmonat (Deutschland insgesamt: 0,7%). Zudem gibt es ab 2024 keine höheren Rentensteigerungen, denn die Angleichung des Rentenwerts zwischen Ost und West wird schon im laufenden Jahr erreicht.

Alles in allem dürfte das ostdeutsche Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2023 um 0,5% zulegen, während die Produktion in Deutschland insgesamt um 0,6% sinkt (vgl. Abbildung). Im nächsten Jahr werden beide Expansionsraten wohl bei 1,3% liegen, und für das Jahr 2025 wird prognostiziert, dass die ostdeutsche Produktion mit 1,2% etwas langsamer zulegt als in Deutschland insgesamt (1,5%). Damit wird das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in Ostdeutschland weiterhin bei etwa 80% des westdeutschen Niveaus bleiben. Die ostdeutsche Arbeitslosenquote nach der Definition der Bundesagentur für Arbeit liegt im Jahr 2023 und 2024 jeweils bei 7,0%, um im Jahr 2025 auf 6,7% zu sinken.

Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2023:
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Kaufkraft kehrt zurück – Politische Unsicherheit hoch. Halle (Saale), September 2023.

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Zugehörige Publikationen

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Gemeinschaftsdiagnose: Kaufkraft kehrt zurück – Politische Unsicherheit hoch

Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose

in: Dienstleistungsauftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, 2, 2023

Abstract

Deutschland befindet sich seit über einem Jahr im Abschwung. Der sprunghafte Anstieg der Energiepreise im Jahr 2022 hat der Erholung von der Pandemie ein jähes Ende bereitet. Die schon zuvor anziehende Verbraucherpreisinflation ist zwischenzeitlich auf über 8% gestiegen. Dadurch wird den privaten Haushalten Kaufkraft entzogen. Die Leitzinsen sind um über vier Prozentpunkte gestiegen. Das trifft insbesondere die Bauwirtschaft. <br /><br /> Die Stimmung in den Unternehmen hat sich zuletzt erneut verschlechtert, dazu trägt auch politische Unsicherheit bei. Insgesamt deuten die Indikatoren darauf hin, dass die Produktion im dritten Quartal 2023 nochmals spürbar gesunken ist. Allerdings haben mittlerweile die Löhne aufgrund der Teuerung angezogen, die Energiepreise abgenommen und die Exporteure die höheren Kosten teilweise weitergegeben, sodass Kaufkraft zurückkehrt. Daher dürfte der Abschwung zum Jahresende abklingen und der Auslastungsgrad der Wirtschaft im weiteren Verlauf wieder steigen.<br /><br /> Alles in allem wird das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2023 um 0,6% sinken. Damit revidieren die Institute ihre Prognose vom Frühjahr 2023 kräftig um 0,9 Prozentpunkte nach unten. Der wichtigste Grund dafür ist, dass sich die Industrie und der Konsum langsamer erholen als im Frühjahr prognostiziert worden war. Für das Jahr 2024 liegt die Prognose mit 1,3% nur 0,2 Prozentpunkte unter der aus dem Frühjahr. Danach wird sich bemerkbar machen, dass das Potenzialwachstum aufgrund der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung mittelfristig deutlich zusammenschmilzt.

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