Inhalt
Seite 1
Staatliche Banken
Seite 2
Methodisches Vorgehen zur Identifikation des Zusammenhangs
Seite 3
Sparkassen und landespolitische Ziele
Seite 4
Endnoten Auf einer Seite lesen

Methodisches Vorgehen zur Identifikation des Zusammenhangs

In der zugrunde liegenden Studie wird eine Differenzin- Differenzen-Schätzung verwendet. Durch dieses Verfahren kann die Neigung lokaler Sparkassen, ihre Kreditvergabe an die Landesregierung in Reaktion auf einen Regierungswechsel auf Landesebene anzupassen, im Vergleich zu Genossenschaftsbanken im selben Landkreis abgeschätzt werden. Der Fokus liegt auf den Wahlen auf Landesebene und der Kreditvergabe an Landesbehörden, da die Kreditvergabe an die kommunale Ebene Teil eines lokalen Entwicklungsziels sein könnte. Die Genossenschaftsbanken werden aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit den Sparkassen und ihrer Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme als geeignete Kontrollgruppe ausgewählt. Der interessierende Koeffizient erfasst den Unterschied in der Kreditvergabe an die Landesregierung zwischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken im selben Landkreis in Bundesländern mit einem wahlbedingten Parteiwechsel im Vergleich zu Bundesländern, in denen die amtierende Partei nach einer Wahl an der Macht blieb. Die Autoren untersuchen die Bilanzen der Banken in den zwölf Monaten vor und nach einer Wahl und ermitteln den interessierenden Koeffizienten mit Hilfe der Methode der kleinsten Quadrate (OLS) in Verbindung mit Kontrollvariablen und fixen Effekten, um andere, überlagernde Einflüsse auf die Kreditvergabe der Banken, etwa aufgrund von bankspezifischen Eigenschaften, unterschiedlichen lokalen Wirtschaftsbedingungen und unbeobachtbaren landesspezifischen Schocks im Wahljahr, auszuschließen.

Beobachtung eines politischen Zyklus

Die Ergebnisse dieser Schätzung zeigen, dass ein wahlbedingter Wechsel der Regierungspartei bei der durchschnittlichen Bank nicht mit einem signifikanten Anstieg der Kreditvergabe an die Landesregierung verbunden ist. Bei den Sparkassen hingegen führt er zu einem signifikanten Anstieg der Kreditvergabe an das Land. Sparkassen erhöhen ihre Kreditvergabe im Jahr nach einer Wahl, bei der es zu einem Machtwechsel kommt, um etwa 41,5%, und zwar im Vergleich zur Kontrollgruppe der Genossenschaftsbanken in Wahljahren, die nicht zu einem Wechsel der Regierungspartei führen. Dieser Effekt ist auf dem 1%-Niveau statistisch signifikant.

Die Verhaltensänderung der Sparkassen ist in Abbildung 2 zu sehen, in der Punktschätzungen und 95%-Konfidenzbänder für die Kreditvergabe an die Landesregierung im Jahr vor und nach dem Wahlmonat für die Gruppe der Sparkassen und Genossenschaftsbanken dargestellt sind. Dabei wird zwischen den Fällen „kein Regierungswechsel“ (oben) und „Regierungswechsel“ (unten) unterschieden. Es zeigt sich, dass die Genossenschaftsbanken ihre Kreditvergabe im Verhältnis zur Bilanzsumme nach der Wahl in beiden Fällen nicht anpassen. Auch Sparkassen passen ihre Kreditvergabe nach einer Wahl nicht an, wenn diese von der amtierenden Partei gewonnen wurde. Sie erhöhen aber die Kreditvergabe an die Landesregierung erheblich, wenn eine Wahl zu einem Regierungswechsel geführt hat (unten rechts).

Die damit verbundene prozentuale Veränderung von 41,5% entspricht einem Anstieg von 4,1 Mio. Euro für die durchschnittliche Sparkasse. Nimmt man deren Spitzeninstitute in die Stichprobe auf, so beträgt der Anstieg 42 Mio. Euro für die durchschnittliche Bank in Staatsbesitz. Diese Beobachtungen spiegeln sich in einem wahlbedingten Zyklus der gesamten Kreditaufnahme des Landes und der öffentlichen Ausgaben wider. Nach einer Wahl mit einem Parteiwechsel erhöht die Landesregierung die Kreditaufnahme im Durchschnitt um 5,32%, während die Kreditaufnahme um 8,41% sinkt, wenn die amtierende Partei an der Macht bleibt.

Verdrängung der Kreditvergabe an private Haushalte

Der Anstieg der Kreditvergabe an das eigene Bundesland wird vollständig erklärt durch einen gleichzeitigen Rückgang der privaten Kreditvergabe an lokale Wirtschaftseinheiten um 4,3 Mio. Euro für die durchschnittliche Sparkasse. Dieser Rückgang betrifft vor allem die privaten Haushalte. In Ländern mit politischen Machtwechseln reduzieren die Sparkassen die Hypothekarkredite um etwa 2,7%. Die Kreditvergabe an Unternehmen steigt um 2,3%, wobei dieser Effekt nicht signifikant ist. Die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Kreditvergabe an private Haushalte und Unternehmen lassen sich durch Informationsasymmetrien erklären. Die Banken erfahren nichts über die Bonität der kreditnehmenden privaten Haushalte, da sie nicht über die erforderlichen geschützten Informationen verfügen. Im Falle von Unternehmen können sie im Laufe der Kreditbeziehung proprietäre Informationen über die Qualität eines Unternehmens erlangen und so selbst dann weiter Kredit geben, wenn die Kreditvergabe insgesamt reduziert oder umverteilt werden muss. Außerdem neigen Banken zu langfristigen Kreditbeziehungen mit Unternehmen, deren Fortsetzung wahrscheinlich ist.

Nächste Seite
Sparkassen und landespolitische Ziele

Empfohlene Publikationen

cover_review-of-financial-studies.png

Political Cycles in Bank Lending to the Government

Michael Koetter Alexander Popov

in: Review of Financial Studies, Nr. 6, 2021

Abstract

We study how political party turnover after German state elections affects banks’ lending to the regional government. We find that between 1992 and 2018, party turnover at the state level leads to a sharp and substantial increase in lending by local savings banks to their home-state government. This effect is accompanied by an equivalent reduction in private lending. A statistical association between political party turnover and government lending is absent for comparable cooperative banks that exhibit a similar regional organization and business model. Our results suggest that political frictions may interfere with government-owned banks’ local development objectives.

Publikation lesen

Außerdem in diesem Heft

cover_wiwa_2022-03.jpg

Kommentar: Immobilienbesitz in Inflationszeiten: Ein Damoklesschwert über der Finanzstabilität?

Michael Koetter

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2022

Abstract

Zu Beginn meines Studiums bot sich mir überall das gleiche Schauspiel: lange Warteschlangen anderer „Frischlinge“ vor dem neu renovierten WG-Zimmer samt modernstem 56k-Modem, fußläufig zu Uni und Lieblings-Café gelegen, mit happiger Miete zwar, aber irgendwie noch im finanziellen Lösungsraum. Eifrig bereitete ich tolle Argumente vor, warum gerade ich der optimale WG-Zuwachs sei, bevor ich mich einreihte. Schade, dass es dann meist jemand anderes wurde, aber nur kein Neid! Schade aber auch, dass die Suche nach einem Dach über dem Kopf für viele Menschen auch später frustrierend bleibt. Ein bezahlbares Zuhause zu suchen bleibt vielerorts ein von der Spaßsteuer befreites Unterfangen, ob nun für Berufseinsteiger oder die vierköpfige Familie, ob nun in Leipzig oder Köln.

Publikation lesen

cover_wiwa_2022-03.jpg

Aktuelle Trends: Polarisierung des Hausbankprinzips in Deutschland

Michael Koetter Felix Noth

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2022

Abstract

Kleine und mittlere Unternehmen spielen eine tragende Rolle in der deutschen Wirtschaftsstruktur. Der Finanzierungsbedarf dieser Unternehmen wird dabei traditionell durch regional tätige Banken bedient, insbesondere durch dem Regionalprinzip verpflichtete Sparkassen in öffentlicher Hand und durch Genossenschaftsbanken, die sich ebenfalls in regional abgegrenzten Märkten um ihre Kunden kümmern.

Publikation lesen

cover_wiwa_2022-03.jpg

Zinsaufschlag oder Übertragung durch Verbriefung? Der Umgang mit Risiken im US-Hypothekenmarkt

Danny McGowan Huyen Nguyen

in: Wirtschaft im Wandel, Nr. 3, 2022

Abstract

Seit der Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 diskutiert die Wissenschaft darüber, wie Kreditgeber die Verbriefung von Hypotheken nutzen, um das Kreditrisiko an Dritte weiterzugeben, und wie dies zur Finanzkrise beigetragen hat. Eine aktuelle IWH-Studie betrachtet die Entscheidungssituation des Kreditgebers zwischen Risikoaufschlag und Risikoübertragung. Sie nutzt rechtliche Unterschiede in verschiedenen US-Bundesstaaten bei der Zwangsvollstreckung von Hypotheken, um daraus unterschiedliche regionale Kreditrisiken abzuleiten. Ist dieses regionale Risiko erhöht, reagieren Kreditgeber durch vermehrte Verbriefung, wenn Hypotheken zum Verkauf an halbstaatliche Agenturen (Government Sponsored Enterprises, GSE) wie Fannie Mae und Freddie Mac zugelassen sind und so gegen Ausfall versichert werden können. Bei Hypotheken, für die kein Rückkauf durch GSE infrage kommt, erhöhen die Kreditgeber dagegen die Zinsen, da sie das Kreditrisiko nicht an die Kreditkäufer weitergeben können.

Publikation lesen

Ihr Kontakt

Für Wissenschaftler/innen

Für Journalistinnen/en

Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft LogoTotal-Equality-LogoGefördert durch das BMWK