Inhalt
Seite 1
Staatliche Banken
Seite 2
Methodisches Vorgehen zur Identifikation des Zusammenhangs
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Sparkassen und landespolitische Ziele
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Sparkassen und landespolitische Ziele

Die Erhöhung der Ausgaben durch die neue Landesregierung wird von den lokalen Sparkassen auf Kosten der Kreditvergabe an die lokalen Haushalte finanziert. Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass ein Regierungswechsel die Indienstnahme der Sparkassen für landespolitische Ziele aktivieren kann, und dies kollidiert möglicherweise mit ihrem lokalen Entwicklungsauftrag. Denn die Landesregierungen fördern Projekte, die für das Land als Ganzes wichtig, für den spezifischen Standort der finanzierenden Sparkasse aber nur von geringem Nutzen sind. Die Kreditvergabe an den Bund oder an die Kommunen, die durch die Förderung rein lokaler Projekte den Wohlstand und die Entwicklung vor Ort steigern könnten, wird dagegen nicht erhöht.

Diese Ergebnisse sind in der Tat auf den Wechsel der politischen Parteien auf Landesebene zurückzuführen. Ein Wechsel des Ministerpräsidenten oder eine Veränderung in der Zusammensetzung der Regierungskoalition haben keinen signifikanten Einfluss auf die Kreditvergabe der Sparkassen an die Landesregierung, solange die amtierende Führungspartei in der Regierung ihre Rolle beibehält.

Der Wahlausgang könnte jedoch endogen sein in dem Sinne, dass er von den gleichen lokalen wirtschaftlichen Bedingungen abhängt, die auch die Kreditvergabe der Banken beeinflussen. Sparkassen könnten ihr Kreditvergabeverhalten bereits ex ante anpassen, wenn sie den Regierungswechsel antizipieren, oder sie könnten auf wirtschaftliche Bedingungen reagieren, die mit dem Wahlausgang korreliert sind.

Um die oben genannten Überlegungen zu berücksichtigen, wurde die Hauptschätzung mit knappen Wahlen oder Wahlen mit einem von der Prognose abweichenden Ergebnis wiederholt. Denn in diesen Fällen kommt das Ergebnis einer Zufallszuweisung nahe. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Wahlen, die zu einem Parteiwechsel führen, selbst dann mit einem signifikanten Anstieg der Kreditvergabe an die Landesregierung verbunden sind, wenn das Endergebnis ex ante nicht klar war. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine Wahl anders ausgegangen ist als vorhergesagt. Es bleibt die Frage, ob der beobachtete Effekt durch andere Einflüsse auf die Banken verursacht werden könnte, die mit den jeweiligen Wahlergebnissen zusammenfallen, aber nichts mit politischen Verzerrungen zu tun haben und die Genossenschaftsbanken nicht betreffen. Während der Finanzkrise mussten die Sparkassen ihren jeweiligen Hauptsitzen Unterstützung gewähren, nachdem diese 2007 und 2008 in den US-Subprime-Hypothekenmarkt investiert und Verluste zu verzeichnen hatten. Die betroffenen Sparkassen könnten daher ihr Engagement in anderen Bereichen der Kreditvergabe verringert haben. Außerdem könnte die verstärkte Kreditvergabe an den Staat nach einem Parteiwechsel mit einer Reallokation des Kreditportfolios aufgrund von Schocks für das regulatorische Kapital der Sparkassen zusammenfallen. In der Schätzung wurden beide Schocks kontrolliert.

Die wichtigsten Ergebnisse bleiben dennoch bestehen. Die wichtigsten Ergebnisse bleiben auch dann erhalten, wenn Genossenschaftsbanken aus der Stichprobe ausgeschlossen werden, die unbeobachtbare Ziele haben könnten, die mit dem Wahlergebnis korrelieren und somit die Schätzungen verzerren. Vergleicht man das Verhalten der Sparkassen in einem Bundesland mit einem Parteiwechsel nach einer Wahl mit dem der Sparkassen in einem Bundesland, in dem die amtierende Partei die Wahl gewonnen hat, so lässt sich bei ersteren ein Anstieg der Kreditvergabe an das Land um 26,1 % feststellen.

Der Vergleich von Verhaltensänderungen über Bundesländer und Kreise hinweg birgt das Risiko verzerrter Schätzungen, wenn unbeobachtbare Trends vorliegen, die sich zwischen den Kreisen unterscheiden und die sich auf verschiedene Banken in unterschiedlicher Weise auswirken. Unter der Annahme, dass zwei benachbarte Kreise einen Wirtschaftsraum bilden, vergleichen die Autoren der Studie das Verhalten einzelner Banken in benachbarten Kreisen über eine Bundeslandgrenze hinweg. In einem Land fand ein Parteiwechsel statt, während im Nachbarland die amtierende Partei an der Macht blieb. Sparkassen in Ländern, in denen ein politischer Wechsel stattgefunden hat, erhöhen die Kreditvergabe an die Landesregierung im Vergleich zu Sparkassen in Ländern ohne einen Wechsel der führenden Partei.

Die verbleibenden Fragen betreffen einen möglichen Einfluss von Eigenschaften der Wahlen. Hängt der beobachtete Effekt von der politischen Ausrichtung der Regierungskoalition ab? Oder spielt es eine Rolle, ob die lokale Regierung und die Landesregierung von denselben oder unterschiedlichen Parteien dominiert werden? Könnte der beobachtete Effekt durch den lokalen Wahlzyklus beeinflusst werden, der zu einer höheren Gesamtkreditvergabe der lokalen Sparkassen in einem Wahljahr führt? Obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass eine von einer Mitte-Rechts-Partei geführten Landesregierung von lokalen Sparkassen finanziert wird, etwas geringer ist, spielt keiner der betrachteten Aspekte eine wesentliche Rolle.

Implikationen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die zugrunde liegende Studie einen robusten Zusammenhang zwischen dem Wahlzyklus auf Landesebene und der Kreditvergabe staatlicher Banken an die Regierung feststellt. Nach einer Wahl, die eine neue Partei an die Macht bringt, erhöhen die lokalen Sparkassen die Kreditvergabe an die jeweilige Landesregierung. Die erhöhte Kreditaufnahme der Landesregierung nach einem Parteiwechsel lässt sich durch die Tendenz der neuen Regierungspartei erklären, die Machtübernahme mit einem Programm zur Erhöhung der öffentlichen Ausgaben zu verbinden. Dieser Anstieg geht zu Lasten der Kreditvergabe an die lokalen Haushalte. Der Machtwechsel geht nicht mit einem Anstieg der Kreditvergabe an den Bund oder an die Kommunen einher. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein politischer Wechsel auf Landesebene die politischen Ziele der Sparkassen aktivieren und sich somit negativ auf ihre lokalen Entwicklungsziele auswirken kann. Angesichts der Allgegenwart staatlicher Banken im Bankensektor auf der ganzen Welt hat diese Erkenntnis potenzielle Auswirkungen über die Grenzen Deutschlands hinaus.

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Political Cycles in Bank Lending to the Government

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in: Review of Financial Studies, Nr. 6, 2021

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We study how political party turnover after German state elections affects banks’ lending to the regional government. We find that between 1992 and 2018, party turnover at the state level leads to a sharp and substantial increase in lending by local savings banks to their home-state government. This effect is accompanied by an equivalent reduction in private lending. A statistical association between political party turnover and government lending is absent for comparable cooperative banks that exhibit a similar regional organization and business model. Our results suggest that political frictions may interfere with government-owned banks’ local development objectives.

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Kommentar: Immobilienbesitz in Inflationszeiten: Ein Damoklesschwert über der Finanzstabilität?

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Zu Beginn meines Studiums bot sich mir überall das gleiche Schauspiel: lange Warteschlangen anderer „Frischlinge“ vor dem neu renovierten WG-Zimmer samt modernstem 56k-Modem, fußläufig zu Uni und Lieblings-Café gelegen, mit happiger Miete zwar, aber irgendwie noch im finanziellen Lösungsraum. Eifrig bereitete ich tolle Argumente vor, warum gerade ich der optimale WG-Zuwachs sei, bevor ich mich einreihte. Schade, dass es dann meist jemand anderes wurde, aber nur kein Neid! Schade aber auch, dass die Suche nach einem Dach über dem Kopf für viele Menschen auch später frustrierend bleibt. Ein bezahlbares Zuhause zu suchen bleibt vielerorts ein von der Spaßsteuer befreites Unterfangen, ob nun für Berufseinsteiger oder die vierköpfige Familie, ob nun in Leipzig oder Köln.

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Seit der Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 diskutiert die Wissenschaft darüber, wie Kreditgeber die Verbriefung von Hypotheken nutzen, um das Kreditrisiko an Dritte weiterzugeben, und wie dies zur Finanzkrise beigetragen hat. Eine aktuelle IWH-Studie betrachtet die Entscheidungssituation des Kreditgebers zwischen Risikoaufschlag und Risikoübertragung. Sie nutzt rechtliche Unterschiede in verschiedenen US-Bundesstaaten bei der Zwangsvollstreckung von Hypotheken, um daraus unterschiedliche regionale Kreditrisiken abzuleiten. Ist dieses regionale Risiko erhöht, reagieren Kreditgeber durch vermehrte Verbriefung, wenn Hypotheken zum Verkauf an halbstaatliche Agenturen (Government Sponsored Enterprises, GSE) wie Fannie Mae und Freddie Mac zugelassen sind und so gegen Ausfall versichert werden können. Bei Hypotheken, für die kein Rückkauf durch GSE infrage kommt, erhöhen die Kreditgeber dagegen die Zinsen, da sie das Kreditrisiko nicht an die Kreditkäufer weitergeben können.

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